Die Errichtergesellschaft des Brenner Basistunnels (BBT SE) hat am Mittwoch bekannt gegeben, den Bauvertrag mit der ARGE H51 (bestehend aus einem Konsortium aus Porr Bau GmbH, G. Hinteregger & Söhne Bau GmbH, Condotte S.p.A. und Itinera S.p.A) zu kündigen. Der Vorstand sei am 22. Oktober durch einstimmigen Beschluss des Aufsichtsrats dazu ermächtigt worden. Ein betreffendes Schreiben sei am Dienstag an die ARGE H51 übermittelt worden, hieß es seitens der BBT SE.

"Die endgültige Weigerung der vertraglich zugesagten Leistungen in mehreren Punkten und der nun eingetretene Vertrauensverlust hat uns leider dazu gezwungen, die Vertragsbeziehung mit der ARGE H51 aufzulösen", erklärten die beiden Vorstände der BBT SE, Gilberto Cardola und Martin Gradnitzer. Bei dem 966 Millionen Euro schweren Baulos handelt es sich um den größten Bauabschnitt auf österreichischem Projektgebiet. Insidern zufolge könnte der zuletzt avisierte Fertigstellungstermin 2030 nun wackeln. "Um schnellstmöglich den Weiterbau beim Brenner Basistunnel sicherzustellen, wurde bereits eine vertiefende Analyse des Gesamtprojekts zum Zweck der ehestmöglichen Neuausschreibung in die Wege geleitet", so die BBT-Vorstände.

Der Streitpunkt

Gestritten wurde um falsch konstruierte Außenringe des Tunnelschachts (sogenannte Tübbinge). Laut Porr wurden die technischen Anforderungen dafür schon bei der Ausschreibung falsch projektiert. Die Sachlage sei von der ARGE H51 in der Öffentlichkeit jedoch einseitig und sehr vereinfacht dargestellt und nur auf das Thema Tübbinge beschränkt worden, hieß es seitens der BBT SE. Hauptgrund für die Vertragsauflösung seien jedoch vielmehr "die endgültige Leistungsverweigerung und Leistungsverzögerungen" und der nunmehr "eingetretene Vertrauensverlust". Die BBT SE wollte keine Einzelheiten über die verschiedenen Rechtsstandpunkte der Vertragspartner mit Ausnahme des Tübbingsystems öffentlich machen, um "die ARGE H51 vor Reputationsschäden zu schützen und dem angedrohten Gerichtsprozess nicht vorzugreifen".

Keine Lösung erzielbar

Die ARGE H51 sei der Ansicht gewesen, dass ein 40 Zentimeter-Tübbing, wie bei der Ausschreibung angegeben, die Lasten nicht aufnehmen könne. Dies habe die ARGE aber erst nach bereits erfolgter Auftragsvergabe angegeben, obwohl sie bereits einen stärkeren Tübbing hätte anbieten können, so der Vorwurf der BBT SE. Man habe seitens der BBT SE "dennoch stets die Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit der ARGE H51 zum Ausdruck gebracht" und mehrfach Lösungen aufgezeigt. Trotz intensiver Bemühungen sei eine Lösung nicht erzielbar und die Vertragsauflösung für die BBT SE unumgänglich gewesen.

Die durch die Vertragsauflösung notwendige Neuausschreibung erfordere nun "eine sorgfältige und vertiefte Analyse des Bauzeitplans und des Vergabeplans". Man werde weiterhin "das Äußerste tun, um das zukunftsweisende Infrastrukturprojekt Brenner Basistunnel im bestmöglichen Zeitrahmen voranzubringen", so die BBT SE. Auf Basis eines aktualisierten Zeitplans werde dann geprüft, ob die Risikovorsorge zur Abdeckung von Mehrkosten infolge der Auflösung und der Inflation bzw. Wertanpassung ausreiche, hieß es.

Porr kündigt rechtliche Schritte an

Der Baukonzern Porr hält die Rücktrittserklärung der Brenner-Basis-Tunnel-Projektgesellschaft BBT SE für "eindeutig rechtswidrig" . Der Bauvertrag zwischen der ARGE H51 Pfons-Brenner und der BBT SE sei weiterhin aufrecht, hielt die Porr als Teil der Arbeitsgemeinschaft am Mittwoch in einer Aussendung fest. Der Baukonzern kündigt an, rechtlich gegen die BBT SE vorzugehen. Dem Tunnelprojekt drohen damit Verzögerungen und höhere Kosten.

Porr-Chef Karl-Heinz Strauss verwies auf ein Rechtsgutachten des Universitätsprofessors Andreas Kletecka, das vor doppelten Kosten warnt. "Bei einer rechtswidrigen Auflösung müsste die BBT auf jeden Fall den Vertrag mit der ARGE und allenfalls auch einen zweiten Vertrag mit einem neuen Auftragnehmer erfüllen. Die BBT hätte nicht nur den Gewinnentgang, sondern auch alle Kosten für die permanente Leistungsbereitschaft des gesamten ARGE-Belegschaft und der ARGE-Technik zu bezahlen. Das kann schon in die Nähe der ursprünglichen Auftragssumme kommen".