In der Nacht auf den 3. März saßen sich die Verhandler der Gewerkschaft und des Verbandes der privaten Sozialwirtschaft zum letzten Mal persönlich gegenüber. Es war Runde sieben, doch kam es zu keiner KV-Einigung. Die Gewerkschaften Vida und GPA-djp bereiteten weitere Streiks des Pflegepersonals vor. Das Ziel – die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.

Dann änderte sich alles. Am 17. März wurden die Verhandlungen und die Kampfmaßnahmen unter dem Eindruck der Krise ausgesetzt, in der Vorwoche aber wieder der Kontakt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern hergestellt. Beide Seiten signalisierten die Bereitschaft zu einem Kompromiss.

Treffen nicht mehr möglich

An eine physische Zusammenkunft war da nicht mehr zu denken. Es ist wahrscheinlich einmalig in der Geschichte der Sozialpartnerschaft, dass die am Mittwoch publik gemachte Einigung per Telefon und E-Mail erzielt wurde.

„Es war kein geordnetes, organisiertes Gespräch“, schildert Walter Marschitz, Geschäftsführer des Verbandes der Sozialwirtschaft (SWÖ), die Situation. „Beide Seiten operierten mit Umlaufbeschlüssen in ihren Kurien.“

35-Stunden-Woche

„Es ist ein guter Abschluss in der Situation, in der wir uns befinden“, meinte Eva Scherz von der Gewerkschaft GPA-djp. Die Beschäftigten seien weiterhin kampfbereit gewesen, betonte sie, „aber an Streik ist jetzt nicht zu denken“. Die Krise habe großen Einfluss auf die Branche. Die Beschäftigten seien besonders in ihrer Arbeit betroffen, die wirtschaftliche Unsicherheit sei groß. „Viele brauchen endlich ihre Gehaltserhöhung.“ Die 35-Stunden-Woche setzte die Gewerkschaft nicht durch, aber „sie bleibt das Ziel“.

Die wichtigsten Punkte der Einigung sind: Die 125.000 Beschäftigten erhalten 2020 – rückwirkend mit 1. Februar – eine Gehaltserhöhung um 2,7 Prozent. Zusätzlich bekommen sie heuer eine „Coronaprämie“ in der Höhe von 500 Euro. Dazu Marschitz: „Wir gehen davon aus, dass die Prämie steuerfrei ist.“

37 Stunden ab 2022

Für 2021 wurde vereinbart, die Gehälter um die Formel „Inflationsrate plus 0,6 Prozent“ anzuheben, das entspreche dem Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre. Ab Jänner 2022 wird die Arbeitszeit von 38 auf 37 Stunden verkürzt, die Gehälter bleiben gleich. Das entspricht einem Plus von 2,7 Prozent.

Die Branche reagiert durchwegs positiv. „Damit können beide Seiten leben. Es ist gut, dass wir bei der Arbeitszeitverkürzung Zeit gewonnen haben, denn wir wissen nicht, wo wir am Ende des Jahres stehen“, sagt Marschitz. 2021 und 2022 sind nun keine Gehaltsverhandlungen notwendig.

2,7 Prozent mehr für Caritas-Mitarbeiter

„Wir wollen die Zeit aber nützen, um den Kollektivvertrag zu reformieren.“ Detail am Rande: Legt man die sieben Runden, die für die Einigung erforderlich waren, auf drei Jahre um (so lange gilt die Vereinbarung), waren es die kürzesten KV-Verhandlungen bisher. Für die Caritas, die einen eigenen KV hat, gilt der Abschluss zwar nicht. Allerdings beschloss der Dienstgeber einseitig eine Erhöhung um 2,7 Prozent, ebenfalls mit 1. Februar.

Wie geht es der Sozialwirtschaft in der derzeitigen Situation? „Die Lage in den Pflegeheimen ist stabil“, sagt Marschitz, doch bestehe die Gefahr von Ausfällen. Diese könnten mit Kapazitäten aus der mobilen Pflege, wo der Bedarf derzeit rückläufig sei, aufgefüllt werden. „Wir appellieren an die Politik, diese Kapazitäten mit Überbrückungskrediten zu halten, wir werden sie brauchen.“ Und zwar auch, um bald auftretende Engpässe in der 24-Stunden-Pflege auszugleichen.

Eva Scherz (GPA-djp) und Walter Marschitz (SWÖ): Die Verhandler sahen sich am 3. März das letzte Mal persönlich
Eva Scherz (GPA-djp) und Walter Marschitz (SWÖ): Die Verhandler sahen sich am 3. März das letzte Mal persönlich © APA/ROBERT JAEGER