In Österreich gibt es aus Expertensicht keinen Einbruch des Wirtschaftswachstums, sondern allenfalls eine Abschwächung. "Der Kater nach der Konjunkturparty bleibt vorläufig aus", betonte IHS-Chef Martin Kocher am Donnerstag bei der Vorlage der neuen Prognose. Wifo-Leiter Christoph Badelt sprach von einem "Dahindümpeln bei niedrigen Wachstumsraten".

Wegen der schwachen Weltwirtschaft, die über die geringere Exportnachfrage vor allem die heimische Industrie trifft, geht das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) für heuer von 1,7 Prozent realem BIP-Plus aus, nach 2,4 Prozent im Vorjahr - das Institut für Höhere Studien (IHS) von 1,6 Prozent Anstieg. 2020 dürfte der Zuwachs sogar nur 1,2 bzw. 1,3 Prozent betragen. Allerdings dürfte sich - spätestens - im zweiten Halbjahr 2020 eine Erholung einstellen, nach einer davor noch weiter gedämpften Dynamik, so das Wifo.

Keine Krise

"Kurz vor Weihnachten bringen wir keine ganz hohe, aber auch keine schlechte oder unerfreuliche Kunde", meinte der IHS-Chef vor Journalisten. Viele würden eine Krise, eine Rezession "herbeireden", aber "das Gegenteil ist der Fall. Leise rieselt die Konjunktur so vor sich hin." Auch sein Haus rechnet im Lauf des Jahres 2020 wieder mit einer etwas beschleunigten Konjunkturdynamik. Für 2021 dürfte dann mit +1,4 bzw. +1,6 Prozent ein etwas stärkeres Wachstum bevorstehen, lauten die Annahmen von Wifo und IHS. Eine Rezession drohe nicht, betonten beide Experten. Nur der Sektor Industrie sei für sich genommen bereits in einer technischen Rezession.

Durch die nur mäßige Konjunkturdynamik nimmt der Aufbau der Beschäftigung ab und der Abbau der Arbeitslosigkeit gerät ins Stocken. Damit ist laut Wifo auch 2021 zu rechnen. Die Arbeitslosenquote nach nationaler Berechnung dürfte kommendes Jahr - nach heuer 7,3 Prozent - auf 7,4 Prozent steigen und dort 2021 verharren, sagt das Wifo, das IHS sieht je 7,5 Prozent für 2020 und 2021.

Industrie schwach

Schon seit Frühjahr 2018 läuft der Konjunkturmotor langsamer - doch ist nun auch eine Zweiteilung zu beobachten: Das verarbeitende Gewerbe, also die Industrie, befindet sich in einer Rezession, während der Dienstleistungssektor nach wie vor mit hohen Zuwachsraten expandiert, so das Wifo. Auch das IHS fragt sich, ob die Schwäche der Industrie auf die noch robusten Dienstleister überspringen kann.

Je länger die Schwäche der Industriekonjunktur anhalte, umso größer werde die Wahrscheinlichkeit eines Übergreifens, meinte das Institut für Höhere Studien (IHS) am Donnerstag bei der Vorlage der neuen vierteljährlichen Konjunkturprognosen. Die Diskrepanz zwischen den beiden Sektoren bestehe schon "untypisch lange", betont das Wifo - was die Frage aufwerfe, ob und wann die Schwäche des verarbeitenden Sektors auf die Dienstleister übergreifen könne. Die positiven Einschätzungen für die Dienstleister würden noch überwiegen, doch hätten sich die Industrie-Einschätzungen deutlich verschlechtert. Dort würden die pessimistischen Erwartungen schon überwiegen, verweist man auch auf den jüngsten Bank-Austria-Einkaufsmanagerindex von Ende November.

Gute Binnennachfrage

Gesamtwirtschaftlich zeichne sich für Frühjahr 2020 "noch keine durchgreifende Besserung" ab, so das Wifo. Jedoch gebe es auch keine Hinweise auf eine ausgeprägtere Rezessionstendenz. Die Konjunktur werde von einer anhaltend lebhaften Binnennachfrage getragen. Dabei präge ein weiter stabiler Konsum der Privathaushalte die Dynamik - gestützt auf stabile Zuwächse der verfügbaren Haushaltseinkommen. Der Privatkonsum dürfte - nach 1,5 Prozent 2019 - 2020 und 2021 um je 1,6 Prozent zunehmen.

Österreichs Exporte werden den beiden Instituten zufolge zwar weiter expandieren, aber nur mäßig. Die Exportdynamik dürfte 2020 weiter verhalten bleiben, so das Wifo - es dürfte die Exportdynamik aber schon im Frühjahr 2020 "im Einklang mit der internationalen Konjunktur" ihren Tiefstand erreicht haben "und sollte in der Folge wieder etwas an Schwung gewinnen". Nach +2,8 Prozent heuer werden die Exporte von Waren und Dienstleistungen nach Einschätzung des Wifo 2020 und 2021 real um 2,3 bzw. 2,9 Prozent steigen.

Die außenwirtschaftlichen Risiken der aktuellen Prognose seien "verstärkt abwärtsgerichtet", erklärte das Wifo. Neben den Unsicherheiten bezüglich künftiger Handelsschranken für den Warenhandel mit den USA würden wirtschaftspolitische und auch geopolitische Risiken den Ausblick dämpfen. Die binnenwirtschaftlichen Risiken seien aber "in Summe aufwärtsgerichtet". Ein rascher Weltwirtschaftsaufschwung ist laut IHS nicht zu erwarten, es gebe "weiter beträchtliche" Abwärtsrisiken für die globale Konjunktur: Eine Eskalation der Handelskonflikte könnte die Weltkonjunktur bremsen, es gebe aber auch die Chance auf eine bessere Entwicklung.

Stimmung stabilisiert sich

Bei den Stimmungsindikatoren habe sich die negative Tendenz fortgesetzt, jedoch gebe es in den letzten Monaten zunehmend Hinweise auf eine Stabilisierung. Auch auf den zuletzt positive ifo-Index am Mittwoch wiesen die Experten hin - sowohl die Lage als auch die Zukunft wurden rosiger gesehen. Die Einschätzung des internationalen Konjunkturbildes hat sich für das IHS gegenüber der letzten Prognose von Oktober nicht verändert. Die US-Wirtschaft dürfte 2020/21 um 1,8 bzw. 1,5 Prozent zulegen, nach heuer 2,3 Prozent. Im Euroraum sollten es mit 1,2 bzw. 1,4 Prozent auch mehr sein als die 1,1 Prozent heuer. Die Schwellenländer sind moderat unterwegs, China wächst wohl nur 5,8 bzw. 5,7 Prozent, so wenig wie lange nicht - die Weltwirtschaft um 3,0 bzw. 3,1 Prozent.

Auf Österreichs Arbeitsmarkt schlägt sich die Konjunkturabschwächung deutlich nieder, erklärt das Wifo. Schon heuer habe sich die Beschäftigungsdynamik verringert und der Rückgang der Arbeitslosigkeit verlangsamt. Das Arbeitskräfteangebot werde weiter steigen, durch eine höhere Erwerbsquote älterer Arbeitskräfte und eine kontinuierliche Zunahme der Erwerbsbeteiligung von Frauen.

Den Preisauftrieb sehen beide Institute nur schwach. Das IHS geht für heuer und 2020 - wie das Wifo - von jeweils 1,5 Prozent Inflationsrate aus, für 2020 von 1,7 Prozent (das Wifo von 1,6 Prozent). Grund ist die gedämpfte Energiepreisentwicklung.

Das EZB-Ziel einer Eurozonen-Inflationsrate von nahe an zwei Prozent nehmen beide Experten locker. Die Marktteilnehmer würden an das Ziel nicht mehr glauben, meinte Kocher: "Die EZB hat sich zwischen den Zeilen schon etwas davon verabschiedet." Ein neues Ziel müsse man "gut überlegen". Aus seiner Sicht würde aber "reichen zu sagen, dass knapp unter zwei Prozent nicht 1,8 oder 1,9 sein muss, sondern dass es auch 1,5 Prozent sein können". Der frühere Präsident Mario Draghi habe das "eng definiert". Badelt erinnerte daran, dass das 2-Prozent-Ziel aus einer Zeit herrühre, als man eher eine Deflation in der Eurozone befürchtete und bezeichnete es als "Irrglaube", dass die Zinsen vor allem wegen der EZB niedrig seien: "Es gibt weltweit einen Kapitalüberschuss."

Die Institutschefs deponierten auch einen Reformwunsch-"Brief an das Christkind" an die künftige Regierung - nicht der einzige bisher an die Politik: "Briefe ans Christkind schreiben wir dauernd", so Badelt. Zu einer auch öko-orientierten Steuer-Strukturreform werde sich die Regierung "in die Mühen der Ebene begeben" müssen. Strukturreformen sollten den öffentlichen Sektor effizienter machen - die Spielräume für eine Steuerentlastung seien durch Ausgabenkürzungen zu schaffen. Der Faktor Arbeit sei durch die Abgabenpolitik "bisher nur zart entlastet worden", meinte er. Das Wifo sehe zwar mit 0,3 Prozent des BIP als Maastricht-Überschuss im Jahr 2020 mehr Spielraum als der jetzige Finanzminister, doch seien diese 1,2 bis 1,3 Mrd. Euro "zu eng" für das, "was in der Luft liegt", so der Wifo-Chef. Wie Badelt plädierte auch IHS-Chef Kocher für "eine Art der Bepreisung" klimaschädlichen Verhaltens. "Macht man es klug, hat man eventuell noch einige Verteilungswirkungen, die man ausgleichen kann. Das Wesentliche ist die Lenkungswirkung."