Sie übernehmen die Führung in schwierigen Zeiten. Wie geht es in den ersten Monaten im neuen Amt?
HERBERT EIBENSTEINER: Das Team ist gut. Die weltweit 52.000 Mitarbeiter ziehen mit. Das ist positiv. Es hat jeder verstanden, dass wir uns sehr schnell an die aktuelle Situation anpassen müssen. Das ist entscheidend in so einem wirtschaftlichen Umfeld. Bei all den Maßnahmen sehen wir, dass sie gut wirken. Wir sind gut vorbereitet. Wir können schnell reagieren ohne die langfristigen Ziele aus den Augen zu verlieren.

Die Reihe der Rekordergebnisse brach schon im letzten Jahr ab. Billigstahl aus China schwemmt nach Europa. Die Konjunktur flacht ab. Die deutsche Automobilbranche als wichtiger Absatz schwächelt. Wo sehen Sie den Erfolg der Voestalpine in den nächsten fünf Jahren?
HERBERT EIBENSTEINER: Ganz klar bei zukünftigen Innovationen, durch immer bessere Produkte und den Standort Österreich mit seinen hervorragenden Mitarbeitern. Am Montag haben wir unsere Wasserstoffpilotanlage in Linz in Betrieb genommen. Sie ist die weltweit größte ihrer Art. In Kapfenberg wird 2021 das modernste Edelstahlwerk seinen Betrieb aufnehmen und Spezialprodukte zum Beispiel für die Luftfahrt produzieren. Wir wollen langfristig denken, deswegen werden auch in Kosteneinsparungszeiten Forschung und Entwicklung oder Ausgaben für die Lehrlinge nicht gekürzt.

Aber bis sich Innovationen rentieren, vergeht viel Zeit.
HERBERT EIBENSTEINER: Das Umfeld ist schwierig. Durch die weltweiten Handelskonflikte hat sich die Konjunktur deutlich eingetrübt. Dabei gilt sich als Unternehmen anzupassen. Das gilt nicht nur für Österreich, sondern auch für ganz Europa, USA und China, um unsere drei wichtigsten Regionen zu nennen. Gute Bereiche die sehr stabil verlaufen sind zum Beispiel die Bahninfrastruktur, die Luftfahrt sowie die Lager- und Schweißtechnik. Diese Bereiche haben wir vor vielen Jahren strategisch entwickelt und die wirken positiv in so einem Umfeld.

Sehen Sie bei der Schwäche der Automobilbranche Licht am Ende des Tunnels oder sind das Strukturelle, die bleiben?
HERBERT EIBENSTEINER: Einerseits gibt es den konjunkturellen Abschwung und anderseits die Frage, welches Antriebskonzept sich durchsetzen wird. Wahrscheinlich werden bis auf Weiteres unterschiedliche Antriebskonzepte bestehen. Mobilität wird ein Grundbedürfnis bleiben. Die Automobilbranche treibt weiterhin Innovation an. Deswegen ist sie für uns sehr wichtig.

Ihr Engagement im Batterie-Bereich bleibt also aufrecht?
HERBERT EIBENSTEINER: Genau. Wir sind derzeit kaum im Antrieb drin, dafür stark in der Karosserie. Die Karosserie braucht das Elektroauto genauso wie das motorbetriebene Auto. Dabei geht es um Leichtbau und Crashperformance. Batteriekästen müssen crashsicher sein. Dafür haben wir Produkte. Wir produzieren auch Teile für den Elektromotor. Das ist eine Chance, die wir nutzen müssen.

Trotzdem ist die Abhängigkeit der Voestalpine zur deutschen Autoindustrie sehr groß.
HERBERT EIBENSTEINER: Mobilität wird internationaler werden. Europa bleibt ein großer Automarkt und ist nach wie vor ein wichtiger Markt für uns. Aber sich als Voestalpine rein auf Deutschland zu fokussieren, dass ist zu wenig. Daher sind wir auch schon seit vielen Jahren in den USA und in China tätig und werden das weiter ausbauen.

Durch das Kosteneffizienzprogramm sollen insgesamt 100 Millionen Euro eingespart werden. Davon heuer schon 50 Millionen Euro. Was kommt noch an Einsparungen?
HERBERT EIBENSTEINER: Das Programm ist auf ein Jahr ausgelegt. Wir sind dabei auch weitere Ideen zu generieren. Es gibt Abschmelzeffekte, die wir kompensieren wollen.

Es sind Produktionslinien stillgelegt worden. Wird es weitere Maßnahmen wie zum Beispiel Kurzarbeit geben?
HERBERT EIBENSTEINER: Derzeit ist Kurzarbeit in Österreich nicht geplant. Es werden Überstunden abgebaut und Stellen nicht nachbesetzt. Aber bei den Lehrlingsstellen gibt es sicher keine Einsparungen.

Hat die Voestalpine die protektionistische Politik des US-Präsidenten Donald Trumps unterschätzt?
HERBERT EIBENSTEINER: Es hat schon immer Streitigkeiten zum Thema Handel gegeben. Jedes einzelne Thema für sich ist zu bewältigen, aber die Gleichzeitigkeit der Handelskonflikte ist eine neue Dimension. Da geht es um China, USA sowie Europa, Indien und auch der Brexit ist noch nicht vollzogen. Darum gibt es diese Unsicherheit. Da müssen wir durchfinden. Wir testen alle unsere Geschäftsmodelle, Standorte und schauen, was unsere Kunden machen. In vielen Bereichen haben wir uns anpassen können. In manchen Bereichen müssen wir noch was tun.

Haben Sie einen Plan B für eine stärkere Krise in der Tasche? Schließlich könnte sich der Handelskonflikt weiter zuspitzen oder die Große Koalition in Deutschland platzen.
HERBERT EIBENSTEINER: Unser Plan ist auf die Situation, wie wir sie derzeit sehen, angepasst. Diese Maßnahmen wirken schon. Wir könnten diese Pläne bei Bedarf verschärfen. Wir rechnen auch noch mit einem schwierigen nächsten Jahr. Diese bisher gesetzten Maßnahmen sollten aber ausreichen, diese Phase gut zu überstehen.

Schrecken Sie die Grünen? Was erwarten Sie sich von der neuen Regierung?
HERBERT EIBENSTEINER: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Forschungsförderungen sind uns besonders wichtig. Für uns geht es aber auch um Infrastruktur. Der Ausbau der Stromnetze muss vorangetrieben werden. Erneuerbarer Strom muss günstiger sein. Wir zahlen auch hohe Beträge für CO2-Zertifikate.

Da geht es um 100 Millionen Euro, die sie für Innovationsprojekte zurück haben wollen.
HERBERT EIBENSTEINER: Ja. Wir zahlen im Jahr etwa 100 Millionen Euro für CO2-Zertifikate. Diese Gelder sollen zukünftig zweckgewidmet und dann in umweltfreundliche Innovationen gesteckt werden. Viele dieser Projekte und Technologien müssen noch entwickelt werden. Industrie- und Umweltpolitik müssen gleichberechtigt sein und Technologieumstellungen wirtschaftlich darstellbar sein.

Sebastian Kurz fand im Wahlkampf viele Forderungen der Grünen überzogen.
HERBERT EIBENSTEINER: Beim Wasserstoff zum Beispiel geht es um den Zeithorizont. Grüner Wasserstoff ist derzeit sehr teuer herzustellen. Normalerweise wird Wasserstoff aus Erdgas generiert. Dabei entsteht wieder CO2. Mit einer Anlage, wie wir sie nun in Betrieb genommen haben, wäre eine CO2-freie Wasserstoffherstellung möglich. Aber das ist ein Forschungsprozess. Es ist ein vielversprechendes Projekt aber wir sind da noch ganz am Anfang. Wir brauchen sehr viel Strom dafür. Der muss deutlich billiger werden. Wir brauchen langfristige Rahmenbedingungen, die über eine Legislaturperiode hinausgehen. Die begonnene Steuerreform war eine sehr ausgewogene auch etwa bei der Körperschaftssteuer Diese Reform sollte von einer neuen Regierung weitergeführt werden.

Was werden Sie anders machen als ihr Vorgänger Wolfgang Eder?
HERBERT EIBENSTEINER: Das müssen andere nach einer gewissen Zeit beurteilen, was tatsächlich anders gemacht wird. Die Zeit hat sich geändert. Unser jetziges Umfeld verlangt nach anderen Maßnahmen als in der Phase des langen Wachstums in der die Voestalpine eine sehr positive Entwicklung hinlegt hat. Jetzt müssen wir eine andere Toolbox auspacken ohne den langfristigen Kurs aus den Augen zu verlieren.

Für was möchten Sie denn einmal bekannt sein? Haben Sie eine Vision für die Voestalpine die über die Krisensteuerung hinausgeht?
HERBERT EIBENSTEINER: Für einen Manager zählt natürlich der langfristige Erfolg. Also möchte ich gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen und unseren Mitarbeitern erfolgreich sein.