Leicht war’s nicht. Aufgewachsen ist er als ältestes von fünf Kindern in Klagenfurt in „nicht so begüterten Verhältnissen“. Der Vater Berufsschullehrer für Maschinenbau, die Mutter Krankenschwester. „Es hat an nichts gefehlt, aber wir haben gelernt, mit Ressourcen zu haushalten. Wenn man so aufwächst, schätzt man die Dinge, die man hat, viel mehr. Ich bin meinen Eltern zu Dank verpflichtet.“ Bereits früh wurde sein Interesse für Technik geweckt, zu Hause gab es „das volle Programm“: Technik- und Experimentierkästen waren gefragtes Gut. Besonders beliebt war der allsommerliche Monat bei seinem Onkel im Lesachtal, einem Elek­troinstallateur. Dessen Maschinen: eine Wunderwelt für den jungen Neffen. „Ich mochte es, wenn ich Sachen zum Bewegen und Leuchten bringen konnte“, erinnert sich Windbichler. „Und ich wollte immer etwas Nützliches bauen.“

Leidenschaft für Computer

Dazu kam die Leidenschaft für Computer. Die Eltern finanzierten den ersten PC, und noch heute erinnert er sich da­ran, als das Christkind zu Weihnachten 2003 den ersten Internetanschluss brachte. Aber es kam, wie es kommen musste: Schnellere und leistungsfähigere Rechner fluteten den Markt. Windbichler reagierte auf seine Art: „Es wäre leichter gewesen, einen schnelleren PC zu kaufen, statt zu überlegen, wie ich das Tempo-Thema mit Kreativität löse, den PC bei Bedarf selbst repariere und ihn bei Problemen in Gang bringe.“ Das aber tat er. Noch heute wisse er „um den Wert von 50 oder 100 Euro“ genau Bescheid, sagt er.

Unterschied zu Geschwistern

Sein Technikfaible unterscheidet Alexander Windbichler von seinen Geschwistern, die „aus dem Kopf frei Musik generieren können“. Er kann Musik nur hören, aber nicht interpretieren: „Diese Gehirnhälfte existiert bei mir nicht.“ Dafür ist seine rational-logische Seite bestens entwickelt: Bereits neben der Schule zog der hochtalentierte Programmierer sein erstes Geschäftsmodell auf und begann, Internetspeicher bereitzustellen. „Mein erstes Cloudservice.“ Eingeführt war dieser Begriff damals noch nicht. Über den Internetzugang der Schule bot er Webseitenbetreibern ein Gästebuchservice an. Er sei „mehr der Prototypenprogrammierer“, später hätten ihn „viele Mitarbeiter für den Quelltext, den ich programmiert habe, wohl verflucht“. Seine Stärke sei es, „mit der Technik Lösungen zu finden: Mich interessieren die Möglichkeiten.“

Wir haben eine unmittelbare Verantwortung für Daten in einem hohen zweistelligen ­Milliardenbetrag. Da ist Auf-Teufel-komm-raus-Wachsen kein gutes Rezept
Wir haben eine unmittelbare Verantwortung für Daten in einem hohen zweistelligen ­Milliardenbetrag. Da ist Auf-Teufel-komm-raus-Wachsen kein gutes Rezept © Peter Just

Mit 16 startete der HTL-Schüler dann Webhosting im großen Stil: Bis zu 60.000 Nutzer im deutschen Sprachraum zählten zu seinen Kunden. Kommerziell ausgerichtet war das Angebot noch nicht, als Partner fand er „Leute, die man im Internet kennenlernt“. 15 an der Zahl, „auch Schüler, die etwas Sinnvolles mit ihrer Zeit machen wollten“. Windbichler rutschte „zwangsweise in die Chefrolle, als ich die Führung mitübernommen habe“. Wohlgemerkt: Zu dieser Zeit war er HTL-Schüler. „Dann ging es Richtung Diplomarbeit“, und hier lauerte die Chance zum endgültigen Sprung ins Unternehmertum: „Es ging um ein Projekt: Wir sollten einen ADSL-Provider samt lokalem Internetbetreiber starten.“

Am Schluss kam Anexia raus

Herausgekommen ist, salopp formuliert, Anexia. Die Namensfindung, ein Bonmot: Zwischen Glühweinopening in Klagenfurt und HTL-Lehrsaal schwadronierend blätterte Windbichler durch Wörterbücher. Häufig fand sich ein „Annex“, dessen erster Eintrag „Annex A“ lautete. „Das klingt weiblich und hat eine sympathische Note“, erkannte der Gründer. Dass Annex bloß für Anhang steht und sich mit Doppel-n schrieb, tat der Begeisterung keinen Abbruch – Anexia erwies sich als „Glücksgriff“, sagt Windbichler heute. Mit Idee und Firmennamen nahm er vor der Matura an einem FH-Wettbewerb teil. Die Idee: für Privatkunden, Schüler, Studenten Internetzugänge anzubieten und dabei hohen Wert auf den Schutz vor Viren, Trojanern etc. zu legen. Zwei Tage nach der schriftlichen Matura wurde er beim Gewerbeamt vorstellig, meldete sein Einzelunternehmen behördlich an. „Es war“, erinnert er sich, „ein emotionsloser Prozess.“

Der erste „echte“ Kunde in der Datenbank war ein Mitschüler, der sich seinen Internetzugang sicherte. 9,90 Euro kostete das damals, die Marge pro Zugang 2,30 Euro. „Wir hatten kein Startkapital.“
Neben dem Bundesheer – statt bei den Gebirgsjägern landete Windbichler in der Klagenfurter Waisenhauskaserne („Meine körperliche Statur ist nicht auf Gebirgsjäger ausgelegt“) – konnte er weiterprogrammieren. Dann wurde der erste Mitarbeiter angestellt, ein kleines Büro gegründet. Ein Kunde wünschte die Programmierung eines Videostreamportals. Zum Providing, wegen seiner geringen Margen ein schwieriges Terrain, kam das Programmieren. „Unser Angebot ist gewachsen.“ Den Fokus legte Windbichler dabei nicht allein auf „den Profit, sondern darauf, dass etwas Cooles dabei he­rauskommt. Techniker wollen immer coole Aufgaben haben.“

Die wirtschaftliche Seite war anfangs eher zweitrangig. Rechnungsnummern wurden zufällig vergeben, und „es hat ein bissel einen Businessplan gegeben“. Dass man diesen „immer übertroffen“ habe, erleichterte das Business dennoch. „Drei Mal auf Holz“ klopft Windbichler, dafür, dass er Mitarbeitern stets deren Gehälter zahlen und die Rechnungen der Lieferanten begleichen konnte. Trotz atemberaubenden Wachstums. „Die erste Bank wollte uns keine 10.000 Euro geben“, so der Unter­nehmer. „Das zwingt dich, da­rüber nachzudenken, wie du das Geld besser einsetzen kannst.“

Ein Glaubenssatz, der sich „in mein Handeln hineingefressen hat: Nicht zu Tode sparen, aber immer überlegen, wie du mit dem Geld umgehst.“ So war es ja schon bei ihm daheim und so arbeitet Windbichler bis heute: „Ich habe nie angefangen, einen Porsche oder Luxusgüter zu kaufen. Das ist mein Weg und ich glaube, dass es der richtige ist.“

Keine Luftschlösser

Auch Start-up-Luftschlösser waren nie das Ding von Windbichler. Vorhandene Muster zu hinterfragen und Dinge in allen Bereichen neu zu denken, sehr wohl. 20 bis 30 Prozent Wachstum erzielt Anexia – pro Jahr. 231 Mitarbeiter sind seit 1. Oktober beschäftigt, die Zahl hat Windbichler natürlich im Kopf. Auch dass die Gruppe über elf Büros weltweit – von New York über Graz und Wien bis Köln – und 60 Toiletten verfüge. „Eigentlich wollte ich nie der prozess­orientierte Typ im Anzug sein. Aber du transformierst dich selbst auch.“ Das spiegle sich auch im Lebenswandel: „Früher hatte ich die Einstellung, man müsse zwölf oder mehr Stunden pro Tag arbeiten. Ich habe gelernt, dass es nicht schlau ist, von sich selbst und anderen zu erwarten, 24/7 zu arbeiten und damit Leute zu überlasten“, sagt der Jungvater. „Mit einem kleinen Sohn verschieben sich deine Prioritäten.“ Wobei: 40-Stunden-Wochen kennt er nach wie vor nicht. Das Delegieren habe er erst mühsam gelernt.

Heraus­fordernd sei es, mit den Technologien in Kontakt zu bleiben. „Ich will verstehen, was da vor sich geht.“ Eine Zeit lang „stand ich schon im ­Abseits. Das war mir eine ­Lehre. Du musst als Führungskraft die Technik, die du ­verkaufst, verstehen, sonst bist du nur eine Powerpoint-Schleuder.“ Anexia sei, schrieb die „Presse“ unlängst, eines von ­wenigen IT-Unternehmen, das den Amazons und Googles im ­lukrativen Cloudgeschäft die Stirn bieten könne. Selbst Branchengrößen wie Netflix lagern ihre Daten auf ­Anexia-Servern.

"Zweistelliger Milliardenbetrag"