Haben Sie Ihre Bankomatkarte schon gegen eine Debit-Karte getauscht?
STEFAN DÖRFLER: Bis Ende Oktober werden alle unsere Kunden diese neue Debitkarte automatisch zugeschickt bekommen. Ich erhalte sie somit in Kürze und freue mich schon sehr darauf.

Was soll der Vorteil dieser neuen Debit-Karte für die Sparkassenkunden der Erste Group sein?
Es ist die nächste Generation von Bankomatkarten, die wir ausgeben und man kann damit auch international im Internet zahlen. Viele Menschen haben keine Kreditkarte.

Sie haben den Vorteil, dass Sie Umsätze auf der Debit-Karte sofort einziehen. Nicht erst zu Monatsende wie bei der Kreditkarte.
Die Kunden wünschen sich unterschiedliche Zahlungsmittel und wir stellen ihnen diese zur Verfügung. Somit können sie selbst wählen, womit und wann sie zahlen.

Nach der Ernüchterung bei Bitcoin & Co kommt Facebook mit der Libra. Was blüht uns da?
Ich nenne es nicht Währung, sondern Zahlungsform. Wir beobachten es, weil wir vom Vertrauen der Kunden leben.
Müssen Sparkunden bald auch mit Negativzinsen rechnen?
Das wird es in Österreich schon aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht geben. Das ist in Deutschland und der Schweiz für große Einlagen ein Thema, bei uns nicht.

CEO Andreas Treichl hat bei der jüngsten Halbjahrespressekonferenz beklagt, die Niedrigzinspolitik habe Österreichs Sparern heuer fünf Milliarden Euro „aufgefressen“. Sozial empfindlich trifft es geringere Vermögen mehr.
Im Niedrigzinsumfeld haben Kunden das Problem, wie sie mit dem Ersparten über die Preissteigerung hinaus Vorsorge aufbauen können. Wenn das kurzfristig nicht mehr geht, sondern nur noch über langfristige risikoreichere Veranlagungen, ist das ein großes volkswirtschaftliches Problem. Die nächsten zwölf bis 18 Monate ist im Euroraum keine spürbare Veränderung zu erwarten.

Was wird nach dem Italiener Mario Draghi von der neuen EZB-Chefin, der Französin Christine Lagarde zu erwarten sein?
Das wird sehr spannend. Frau Lagarde war in hochpolitischen Funktionen, etwa als Chefin des Internationalen Währungsfonds. Ab 1. November werden alle Augen und Ohren gespitzt sein, in welche Richtung es mit ihr geht. Alles, was bis Mitte 2020 passiert, wir sicher noch von Draghi mitbestimmt.

Die Bilanz der EZB hat sich seit dem Jahr 2015 um das Doppelte auf 5000 Milliarden Euro erhöht. Muss man das als Warnsignal eines aufziehenden nächsten Crashs sehen?
Falls Sie die Aktienmärkte meinen, so ist das schwer bis überhaupt nicht vorhersehbar, ob, wann und warum ein solcher passiert. Alle Assetmärkte sind in den letzten Jahren sehr gut gelaufen. Die Frage ist, wie andere Themen wie der USA-China-Konflikt mit hineinspielen.


Negativ sind auch Renditen bei vielen Staatsanleihen. Das verlockt zu mehr Schulden. Laut der Finanzagentur Bloomberg haben von weltweit 52 Billionen Dollar Staatsschulden 13 Billionen negative Renditen. Das bremst doch überall Reformen?!
Tatsache ist, dass die Staatsschuldenquote in den meisten Ländern zurückgegangen ist. Österreich war weit über 80 Prozent und ist in Richtung 60 Prozent unterwegs, weil die Wirtschaft gut lief.

Wachsen jetzt Klima- und Finanzpolitik global zusammen?
Generell stellen wir fest, dass die 17 SDGs, Sustainable Development Goals, ein massives Thema der europäischen Politik werden. Die neue EU-Kommission wird das auf allen Ebenen durchziehen. Auch bei den Banken. Unterschiedliche Wirkungen von Finanzierungen auf das Klima werden auch bei Unterlegung differenziert reguliert werden.

Auch Firmenkunden blühen je nach ökologischem Fußabdruck bei Krediten Aufschläge?
Wir als Bank gehen das Thema offensiv an und sind mit Wertpapieren im Ökobereich sowie im Social Banking mit der Zweiten Sparkasse seit Langem aktiv.

Mit rund 13 Milliarden Euro Börsenwert hat jüngst die Erste Group sogar die Deutsche Bank übertroffen. Selbst erstaunt?
Vor zehn Jahren hätte das niemand geglaubt. Dass wir uns in schwierigem Umfeld gut gehalten haben, zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Unser digitales Angebot George mit bereits fünf Millionen Kunden rollen wir im gesamten CEE-Raum aus. Wir stehen auf breiten Beinen als Privatkundenbank und sind auch eine exzellente Firmenkundenbank geworden. Mit Willi Cernko und Peter Bosek haben wir in der Österreich-Bank zwei großartige Leute im Firmenkundenbereich.

Wie war Ihr persönlicher Wechsel vom Vorstand der Erste Bank in den der Erste Group?
Der Job in der Erste Bank Österreich machte Riesenspaß mit einem großartigen Team. Jetzt freue ich mich über den internationalen Aspekt über alle Regionen von Wien bis Rumänien.

Ihre erste Halbjahresbilanz als neuer Finanzvorstand der Erste Group mit rund 1,5 Milliarden Konzernergebnis wurde im EGT durch ein Bausparkassen-Urteil in Rumänien getrübt.Haben Sie schon Klage dagegen eingebracht?
Für ein Höchstgerichtsurteil in Rumänien mussten wir dort lokal in der Bilanz 150 Millionen Euro Vorsorge treffen. Rechtliche Schritte bereiten wir vor.

Zur Person

Stefan Dörfler (46) stammt aus Klagenfurt und studierte technische Mathematik an der TU Wien. Steile Berufskarriere bei Giro Credit und Erste Group im Bereich Wertpapierhandel. Ab Oktober 2016 CEO der Erste Bank, seit 2019 Finanzvorstand der Erste Group.

Die Erste Group, mit über 47.000 Mitarbeitern und 2500 Filialen im CEE-Raum, erzielte im 1. Halbjahr 2019 731,9 Millionen Euro Nettogewinn.

17 SDGs, Sustainable Development Goals, von der UNO aufgestellte Ziele für nachhaltige Entwicklung, von Frieden und Armutsbekämpfung bis Ernährungssicherheit und Klimaschutz.