Stararchitektin Zaha Hadid hat mit Biopolis ein architektonisches Zeichen in Singapur gesetzt. Biopolis selbst setzt ein Zeichen als herausragende Forschungsstätte für Biomedizin, eingebettet in einen Wissenschaftscampus zwischen der National University of Singapur und dem National University Hospital, der Ensead Business School und dem Singapore Science Park. In Biopolis angesiedelt ist A*Star, die staatliche Agentur für Wissenschaft, Technologie und Forschung, die weltweit Top-Forscher anzieht. Hier wirkt der Kärntner Molekularbiologe Sebastian Maurer-Stroh als stellvertretender Leiter des Bioinformatics Institute mit rund 140 Forschern.

Womit beschäftigen Sie und Ihr großes Forscherteam sich?

SEBASTIAN MAURER-STROH: Unser Forschungsgebiet ist die Bioinformatik. Wir verwenden Computer, um Genome zu analysieren. Wir versuchen, Funktionen von Proteinen in 3D-Struktur zu beschreiben. Dabei gibt es viele praktische Anwendungen.

Wie fließen die Forschungsergebnisse konkret in den Alltag der Menschen ein?

Wir setzen Computer zum Beispiel dafür ein, um vorherzusagen, wann ein Virus mutiert. Wenn zum Beispiel der Influenza-Virus so mutiert, dass Tamiflu als Medikament nicht mehr wirkt, so können wir eine solche Resistenz am Computer bereits am Genom erkennen. Das ist ein Tool, welches wir entwickelt haben und das auch von der Weltgesundheitsorganisation verwendet wird. Sobald wir einen derartigen Virus finden, geben wir entsprechende Warnungen. Es tauchen immer wieder auch völlig neue Viren auf, die wir auch analysieren.

Was leistet Ihr Institut noch?

Das Institut beschäftigt rund 140 Personen und es gehört auch zu unserer Aufgabe, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, mit denen wir gemeinsam sinnvolle Projekte machen. Zum Beispiel haben wir mit Procter & Gamble ein Programm entwickelt, welches das Allergiepotenzial aller neuen Produkte feststellen kann. Das setzt auch der Staat Singapur im Bereich Food Safety, Lebensmittelsicherheit, ein. Zugleich wird es auch für Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln eingesetzt, zum Beispiel bei der Suche nach neuen Proteinen als Fleischersatz.

Wie nutzen Sie im Bereich Bioscience künstliche Intelligenz?

Bei der Vorhersage, welche Mutationen von Viren Resistenzen verursachen, verwenden wir Deep Learning, Maschinenlernen. Dafür benötigt man sehr viele Daten, damit das System daraus lernen kann, ohne dass man "overfittet", also ein Artefakt erzeugt. Der Mechanismus darunter muss mit Biologie zu tun haben.

Ein Datenzugang wie in Singapur, gerade bei Gesundheitsdaten, wäre in Europa nicht möglich.

Hier sind viele Organisationen vernetzt und daher ist es leichter, an Daten heranzukommen. Bei Gesundheitsdaten ist man beim Schutz der Privatsphäre und bei Sicherheit der Patienten ähnlich streng wie in Österreich. Wir bekommen Daten anonymisiert. Weil ich mit den Gesundheitsbehörden schon seit acht Jahren zusammenarbeite, erhalte ich erweiterten Zugang. Man bewirbt sich hier für Daten vergleichbar wie für Fördergeld. Man zeigt, dass man fähig ist und was man damit machen möchte, dass es eine vernünftige Verwendung ist. Das wird auch von anderen Wissenschaftlern evaluiert.

Die Forschung am Genom ist eine heikle Gratwanderung, wo man die Grenzen der Schöpfung überschreitet. Wie gehen Ihr Institut und Sie persönlich damit um?

Ich arbeite vor allem an Viren, das sind kleine Genome, weniger sensitiv als das menschliche Genom (Erbgut). Aber ich arbeite auch an einem Projekt in Singapur, bei dem wir bereits 10.000 Personen sequenziert haben, und insgesamt werden wir 100.000 gesunde Personen sequenzieren, um zu verstehen, wie Diabetes oder spätere Krankheiten im Alter entstehen. Auch um festzustellen, welche genetischen Marker Menschen haben, die dann gesund bleiben im Vergleich zu jenen, die krank werden. Wenn man das versteht, kann man leichter Ansätze finden, Krankheiten zu bekämpfen.

Ab wann muss man hier vor künstlicher Intelligenz warnen?

In der Literatur und in Filmen wird oft spekuliert, was in 50 Jahren geschieht, wenn eine starke künstliche Intelligenz den Menschen übertrifft. Momentan kann KI immer noch nur das lernen, was wir hineinfüttern. Die Wahrscheinlichkeit, dass einmal KI selbst weiterdenkt, ist eher gering. Am Ende ist es eine philosophische Frage.

Wie ist es mit Heimweh?

Wir wechseln mit meiner Frau, die aus Brasilien stammt, zwischen Rio und Wörthersee ab. In Singapur ist alles schnell und dynamisch. Wenn ich nach Hause nach Kärnten komme, ist alles entspannt. Da löst man etwas später oder wartet. Singapur ist eine vibrierende Stadt, wo alles im Sekundentakt wechselt, was gut und schlecht ist. Hier arbeitet man sehr viel.

Zur Person

Sebastian Maurer-Stroh, 1976 in Klagenfurt geboren, Chemiestudium Uni Wien, Diplom- und Doktorarbeit am Institut für Molekularbiologie, Arbeit am Forschungsinstitut von Böhringer Ingelheim, mit Marie Curie European Fellowship in Brüssel, seit 2007 in Singapur.
Privat: Gattin Fernanda ist ebenfalls Bioinformatikerin, zwei Töchter, 7 und 12 Jahre.