Zur Rettung des Euro haben Europas Währungshüter alle Register gezogen. Selbst Kritiker bescheinigen der EZB unter Führung des Italieners Mario Draghi, den Währungsraum in den vergangenen Jahren stabilisiert zu haben. Doch dass die Notenbank bis heute gewaltige Milliardensummen in den Kauf von Staatsanleihen steckt, ist umstritten. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist gefragt. Und der hat am Dienstag entschieden, dass das Anleihenkaufprogramm rechtens ist. Die EZB habe als vorrangiges Ziel, die Preisstabilität im Euroraum zu gewährleisten und eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent zu erreichen. Damit sie dies wirksam tun könne, seien Anleihenkäufe gerechtfertigt. 

Um welche EZB-Maßnahme geht es?

Um das milliardenschwere Anleihenkaufprogramm der Notenbank - im Fachjargon "Quantitative Easing" (QE) genannt. Seit März 2015 erwirbt die Europäische Zentralbank (EZB) in diesem Rahmen Anleihen von Eurostaaten. Seit Juni 2016 stehen zusätzlich Unternehmensanleihen auf dem Einkaufszettel. Fast 2,6 Billionen Euro hat die EZB bisher in solche Papiere investiert. Seit Oktober 2018 liegt das Volumen bei monatlich 15 Mrd. Euro.

Warum kauft die EZB überhaupt Wertpapiere?

Oberstes Ziel der EZB sind stabile Preise und damit eine stabile Währung für die gut 340 Millionen Menschen in den 19 Staaten des Euroraums. Mittelfristig strebt die Notenbank für den Währungsraum eine Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an. Weil die Teuerungsrate in den vergangenen Jahren sehr niedrig war, half die EZB nach, indem sie die Zinsen drastisch senkte und zugleich über den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen gewaltige Summen frisches Geld in Umlauf brachte. Die Theorie: Wenn mehr Geld im Umlauf ist, steigen die Preise und damit zieht auch die Inflationsrate an.

Was haben Staaten davon?

Staaten kommen so günstiger an frisches Geld. Denn sie müssen nicht so hohe Zinsen für neue Wertpapiere bieten, weil die EZB große Bestände kauft. Das hilft auch starken Volkswirtschaften. Nach älteren Berechnungen der Deutschen Bank dürfte der deutsche Staat allein in den Jahren 2008 bis 2016 fast 260 Mrd. Euro an Zinsen eingespart haben. Darüber hinaus hat das Kaufprogramm der Notenbank einen psychologischen Effekt: Die EZB signalisiert Verbrauchern und Unternehmen damit, dass sie die Wirtschaft nicht im Stich lässt.

Darf die Notenbank Anleihen kaufen?

Kritiker halten dies für Staatsfinanzierung mit der Notenpresse. Ein Vorwurf: Deutschland bezahle indirekt die Rettung überschuldeter Staaten und maroder Banken in Südeuropa. Zudem animiere das Anleihenkaufprogramm Staaten zum Schuldenmachen und bremse notwendige Reformen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte jedoch bereits im Sommer 2015 entschieden: Grundsätzlich darf die EZB zur Euro-Rettung Staatsanleihen kaufen.

Wie argumentieren die Kläger vor dem EuGH nun?

Die Klage geht unter anderem von den Euro-Kritikern Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel aus, einst führende Vertreter der Alternative für Deutschland (AfD). "Das Resultat des Staatsanleihekaufprogramms ist doch, dass die EZB derzeit der mit Abstand größte Gläubiger der Eurostaaten ist", sagt Lucke. "Also finanziert die EZB die Staatsverschuldung in ungeheurem Ausmaß."

Die Klägerseite argumentiert zudem, dass die Entscheidung des EuGH darüber hinaus Strahlkraft hat, weil die EZB die Staatsanleihenkäufe mittlerweile zu einem Teil ihrem normalen geldpolitischen Instrumentariums erklärte habe.

Wie geht es mit dem Kaufprogramm weiter?

Europas Währungshüter haben den Ausstieg aus ihrer Anti-Krisen-Politik eingeläutet. An diesem Donnerstag (13. Dezember) dürfte der EZB-Rat formal das Ende neuer Anleihenkäufe zum Jahresende 2018 beschließen. Schlagartig schließen wird die EZB die Geldschleusen aber nicht: Gelder aus auslaufenden Staats- und Unternehmensanleihen will die Notenbank vorerst erneut investieren.

Wer kontrolliert die EZB überhaupt?

Die Notenbank ist de jure unabhängig. Das war insbesondere den Deutschen bei der Gründung der gemeinsamen Notenbank zum 1. Juni 1998 wichtig, denn sie hatten mit der Deutschen Bundesbank gute Erfahrungen gemacht. "Ich glaube, jeder wird heute sagen, dass wir auch dank Ihrer Arbeit, dank der Arbeit der Europäischen Zentralbank, heute besser dastehen als vor einigen Jahren mitten in der Krise", sagte der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Besuch der EZB-Zentrale in Frankfurt heuer im September. "Das Wichtige für uns ist, dass die Unabhängigkeit der Bank in ihrer Entscheidung in jedem Falle gewährleistet bleibt."

Darf die Notenbank also machen, was sie will?

Die EZB steht nicht außerhalb jeder Kontrolle, wie der Präsident des deutschen Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, im Juni 2016 anlässlich eines Urteils des höchsten deutschen Gerichts in einem anderen Verfahren um die Machtfülle der EZB betonte: "Die Europäische Zentralbank unterliegt wie jede europäische Institution kompetenzbeschränkenden Regeln, deren Einhaltung von Gerichten kontrolliert werden kann." Allerdings hat die EZB in der Regel schon lange Fakten geschaffen, bevor Gerichte abschließend urteilen. Im vorliegenden Fall fällt das deutsche Bundesverfassungsgericht auf Basis des EuGH-Urteils seine abschließende Entscheidung, denn der EuGH entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit.