Die EU-Kommission hat Hinweise auf neue Abgas-Tricks europäischer Autohersteller. Diese könnten den Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 zuletzt so angegeben haben, dass sie langfristig weniger strenge Vorgaben erreichen müssten, heißt es in einem am Mittwoch öffentlich gewordenen Brief der zuständigen EU-Kommissare an die EU-Staaten sowie Vertreter des Europaparlaments.

Die Auswertung der Behördendaten aus EU-Ländern habe ergeben, dass die Hersteller die Übergangsphase zum WLTP-Standard dafür genutzt haben könnten, "ihre WLTP-Emissions-Werte für 2020 zu überhöhen", heißt es in dem Schreiben. Dies würde dazu führen, dass auch 2021 geringere Emissionsziele erreicht werden müssten. Bei welchen Herstellern dieses Vorgehen festgestellt wurde, war zunächst unklar. Die deutsche Autoindustrie wies diese Praktiken von sich.

Der neue europaweite WLTP-Standard ("Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure") ist ein Messverfahren für Abgastests bei Autos, das für realistischere Werte sorgen soll. Die Untersuchungen sind gründlicher und dauern länger als im bisherigen Verfahren NEFZ. Vom 1. September an dürfen nur noch Neuwagen zugelassen werden, die das WLTP-Verfahren durchlaufen haben.

Die Tricks der Autobauer

Der WLTP dauert 30 Minuten statt 20, die durchschnittliche Geschwindigkeit des Fahrzeugs liegt bei 47 statt 34 Stundenkilometern. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 131 km/h statt vorher 120 Stundenkilometern, die Standzeit verringert sich von 25 auf 13 Prozent des Testzyklus. Bei bekannten Schlupflöchern wie Reifendruck und Batterieladung hat die EU-Kommission strengere Vorgaben gemacht und einige Sonderausstattungen werden berücksichtigt - die Klimaanlage aber ist weiterhin nicht dabei.

Die EU-Gesetzgeber haben bei der Einführung des WLTP zwar Sicherheitslinien für eine Manipulation der Ergebnisse nach unten, nicht jedoch nach oben eingebaut. Nun wenden die Autobauer offenbar genau die umgekehrte Logik der bisherigen Schummeleien an: Statt mit voll aufgeladener Batterie wie beim NEFZ startet ein Auto zum Beispiel mit leerem Akku. Dieser muss erst einmal aufgeladen werden - das frisst Sprit. Außerdem werden die Schaltautomatik deaktiviert und die Drehzahl des Motors hochgetrieben. Beim NEFZ wurde hingegen immer möglichst frühzeitig geschaltet, um Sprit zu sparen.

Höhere Werte

Auf diese Art kommen laut Wissenschaftlern der EU-Kommission rund fünf Prozent höhere Werte heraus. Zusätzlich vermuten die Wissenschaftler, dass die Hersteller die Zahlen im Nachhinein einfach erhöhen und den Behörden somit nochmal höhere als die gemessenen Verbrauchswerte vorlegen.

Beim künstlichen Hochschrauben der Werte handelt es sich um ein Manöver, das bis 2020 beendet sein dürfte. Dann nämlich wird auf Basis der Differenz zwischen den WLTP- und NEFZ-Werten der Startpunkt für die Emissionsziele der EU bis 2030 festgelegt. Diese neuen Ziele sind in Form von Prozentpunkten angegeben, um die die Hersteller ihren Flottenverbrauch senken müssen.

Je höher also die Differenz, desto höher der Startpunkt für die Emissionsziele, desto niedriger die tatsächlichen Einsparungen. Ab 2021 werden die Autobauer nach Ansicht von Umweltschützern wieder versuchen, die offiziellen Emissionswerte so weit möglich zu senken.

Höhere Steuer

Wer sich ein neues Fahrzeug anschafft und den offiziellen Verbrauchsangaben glaubt, muss schon heute für den Kraftstoff tiefer in die Tasche greifen als angenommen. Diese Differenz wird sich durch das Hochkorrigieren der offiziellen Werte zwischenzeitlich verringern.

Auf der anderen Seite werden die WLTP-Werte künftig als Basis für die Berechnung der Kfz-Steuer verwendet. Je höher der offizielle Spritverbrauch, desto teurer wird es für die Fahrzeughalter. Außerdem können Automodelle mit hohem Spritverbrauch aus den Dienstwagen-Katalogen einiger Arbeitgeber fallen. Diese schreiben nämlich häufig Höchstgrenzen für den CO2-Ausstoß vor.

Reale Verbrauchsdaten

Die EU-Kommission will darauf dringen, dass nur die WLTP-Messwerte herangezogen werden - nicht die Angaben der Hersteller. Peter Mock vom Umweltschutzverband ICCT geht das aber nicht weit genug. Die Kommission hat nämlich bereits vorgeschlagen, ab 2020 verpflichtend Messgeräte für den Spritverbrauch in Neuwagen einzubauen und so Transparenz zwischen dem tatsächlichen Verbrauch und den offiziellen Werten herzustellen. Diese Daten sollte sie dem Experten zufolge auch für die Berechnung der Abgaswerte nutzen: "Wenn die Kommission schon bald Zugriff auf die realen Verbrauchsdaten hat, dann sollte sie das auch nutzen, um die Tricksereien der Autohersteller einzudämmen und zu bestrafen".