Nachdem in Barcelona noch am Sonntag die Sonne auf den ewig langen Stadtstrand lockte, hat sich das Wetter zu Wochenbeginn eingetrübt. Am Mobile World Congress, der weltgrößten Mobilfunkesse, die in der katalanischen Hauptstadt seit gestern auf Hochtouren läuft, ulkte manch einer, der Wetterumschwung sei sinnbildlich zu verstehen. Für eine Branche, die nach schier endlosem Sonnenschein nun gegen erste Wolken anzukämpfen hat. Wie das zu verstehen ist, sprechen wir doch von 1,47 Milliarden (!) Smartphones, die laut den Marktforschern von IDC alleine 2017 verschifft wurden.

Nun, es hat mit jüngsten Absatzzahlen zu tun. Im letzten Quartal wiesen diese im Vergleich mit dem Vorjahr etwa ein Minus von 6,3 Prozent aus, insgesamt fielen die Absätze der Hersteller 2017 um ein knappes Prozent. Ungewöhnliche Daten für eine erfolgsverwöhnte Industrie. Vor allem in einstigen Parademärkten wie den USA oder China kämpfen die Smartphoneproduzenten mit Verlusten, der Durst auf ständige digitale Veränderung scheint in diesen Gegenden erst einmal gestillt.

Menschen reagieren gelassener auf die neuesten, verrücktesten, großartigsten Modelle und warten mit dem „Update“ auf eine neue Gerätegeneration einfach wieder länger zu. Rahmenlose Hochglanzbildschirme, biometrische Erkennungsmethodik und der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Form von smarten Assistenten scheinen die Nutzer nicht mehr ausreichend zu begeistern, um die rasant steigenden Preise der Top-Modelle in den gewohnt kurzen Abständen zu bezahlen.

Und trotzdem legt der „Wert“ des Smartphonemarktes weiter zu. Wie das sein kann? Schnell erklärt: Die Steigerung der durchschnittlich bezahlten Preise überwiegt den Rückgang der Absatzzahlen deutlich. Der deutsche Branchenverband Bitkom etwa spricht von 426 Euro, die Konsumenten für ein Smartphone 2018 im Schnitt ausgeben. 2017 sei die Zahl noch bei 419 Euro gelegen, ein weiteres Jahr davor bei 386 Euro. Mit einer simplen Inflationsabgeltung hat das wenig zu tun. Es werden also insgesamt weniger Geräte verkauft, diese spülen aber umso mehr Geld in die Kassen der Smartphonebauer.

Die technologische Trickkiste

Um die hohen Preise für die Premium-Modelle zu rechtfertigen, müssen diese aber noch tiefer in die technologische Trickkiste greifen. Speziell auf Anwendungen von künstlicher Intelligenz vertraut die Branche dahin gehend nach wie vor blind und forciert sie nun noch stärker. Als Samsung am Sonntagabend in Barcelona seine neuen Parade-Smartphones Galaxy S9 und Galaxy S9+ vorstellte, bekam der in der Vergangenheit oft gescholtene schlaue Assistent „Bixby“ besonders viele Bühnenminuten und durfte etwa spanische Menükarten in Echtzeit übersetzen.

Auch die Software des erneuerten V30S von LG soll exakt erkennen, was die Handykamera vor der Linse hat. Das Gerät kann dadurch den Aufnahmemodus anpassen, oder – Achtung, ein neues Geschäftsmodell! – gleich im Internet nach Kaufgelegenheiten für den Artikel suchen. In nicht allzu ferner Zeit, so prognostiziert es IT-Marktforscher Francisco Jeronimo, werde eine Kette automatisierter Aktionen ausgelöst, wenn ein Smartphone beispielsweise auf ein Filmplakat gerichtet wird.

Mehr als 100.000 Zuseher werden heuer am Mobile World Congress erwartet
Mehr als 100.000 Zuseher werden heuer am Mobile World Congress erwartet © APA

Wie diese aussehen könnte? Der kluge Telefon-Assistent schätzt aufgrund bekannter Gepflogenheiten des Nutzers, ob der Film überhaupt gefallen könnte. Bei einer positiven Tendenz wird der Terminkalender für einen möglichen Kinotermin durchforstet und das Ticket gekauft.