Der Unabhängigkeitsprozess in Katalonien führt derzeit zu einem regelrechten Firmenexodus in Spaniens wirtschaftsstärkster Region. Seit dem illegalen Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober haben bereits 531 spanische und internationale Unternehmen ihre Firmensitze in andere Regionen Spaniens verlegt.

Die meisten Firmen, genauer gesagt 524, zogen zwischen dem 9. und dem 11. Oktober ab, just im unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Unabhängigkeitserklärung vom 10. Oktober durch Kataloniens separatistischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont.

Hotelbuchungen gehen zurück

Zwar setzte dieser den Loslösungsentscheid sofort wieder aus, um Zeit für Gespräche mit der spanischen Zentralregierung zu gewinnen. "Die derzeitige Rechtsunsicherheit und das Ausscheiden Kataloniens aus der Europäischen Union nach einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung belasten die Region als Wirtschaftsstandort jedoch enorm", erklärte Michael Spalek, Delegierter der österreichischen Außenwirtschaftskammer in Madrid, im Gespräch mit der APA.

Spaniens stellvertretende Ministerpräsidentin Soraya Saenzde Santamaria warnte die separatistische Regionalregierung am Freitag erneut vor "nicht wieder rückgängig zu machenden wirtschaftlichen Folgen" ihrer Unabhängigkeitsbestrebungen. Allein die Hotelbuchungen in Katalonien seien um 20 bis 30 Prozent schneller gefallen als in anderen spanischen Urlaubsregionen, so Saenz de Santamaria.

Experte rät zu Gelassenheit

Aus Protest und Angst vor der einseitigen Unabhängigkeitserklärung kündigten vergangenen Woche bereits zahlreiche katalanische Großunternehmen die Verlegung ihrer Firmensitze in andere Regionen Spaniens. Von Kataloniens Großbanken Banco Sabadell und CaixaBank über Versicherungskonzerne wie Catalan Occidente bis hin zu Energiekonzernen oder dem Sekthersteller Freixenet.

Andreas Schmid, Delegierter der österreichischen Außenwirtschaftskammer in Barcelona, glaubt zwar nicht an einen Exodus österreichischen Firmen, die nun panikartig Katalonien verlassen werden und fordert Gelassenheit, um zu schauen, was nun wirklich passieren wird. Doch auch österreichische, in Katalonien ansässige Unternehmen machen sich Sorgen, spielen mit dem Gedanken, notfalls ihren Standort in Katalonien aufzugeben.

100 Austro-Firmen in Katalonien

Rund die Hälfte der 200 österreichischen Unternehmen in Spanien ist in Katalonien angesiedelt - von KTM bis hin zum Schmuckhersteller Swarovski. Fast ein Viertel des gesamten Außenhandels Österreichs mit Spanien läuft über Katalonien. Im vergangenen Jahr kamen österreichische Exporte im Wert von 646 Millionen Euro nach Katalonien. Katalanische Unternehmen exportieren Waren im Wert von 718 Millionen Euro nach Österreich, so Andreas Schmid.

"Wir brauchen Rechtssicherheit und vor allem den zollfreien EU-Binnenmarkt, um wettbewerbsfähig zu bleiben und 80 Prozent unserer spanischen Kunden befindet sich außerhalb Kataloniens", stellt auch Peter Kaiser mit Blick auf das Ausscheidung Kataloniens aus der EU bei einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung klar.

Kaiser ist Vertriebsleiter von Welser Profile auf der Iberischen Halbinsel. Der österreichische Hersteller von Profilrohren hat seinen spanischen Hauptsitz in Barcelona. Kaiser hofft darauf, dass es noch zu einer politischen Einigung zwischen Madrid und Barcelona kommt.

Auch AVL denkt über Abwanderung nach

Auch der österreichische Verbrennungskraftmaschinen-Hersteller AVL aus Graz macht sich Sorgen. "Rund 60 Prozent unserer Geschäfte wickeln wir im europäischen Ausland ab. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen wir den zollfreien EU-Binnenmarkt", erklärt Alberto Zumeta, Geschäftsführer der spanischen AVL-Filiale.

Das Unternehmen hat seinen Firmensitz in Mataro vor den Toren Barcelonas. Hier arbeiten rund 30 Angestellte. Weitere Standorte befinden sich in Valladolid und in Madrid. "Sollte sich Katalonien wirklich von Spanien unabhängig erklären und aus der EU fliegen, werden wir unseren Firmensitz nach Valladolid verlegen müssen", so Alberto Zumeta im APA-Gespräch.

Dabei ist Katalonien ein wichtiger Standort für die AVL Iberica. Hier sitzen mit Nissan und Seat einige der wichtigsten Kunden. Der spanische Markt macht für das Unternehmen rund 20 Prozent seiner Geschäftstätigkeit aus. Davon würde rund ein Drittel auf Unternehmen in Katalonien fallen.