Die von 11 EU-Staaten geplante einheitliche Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte (Finanztransaktionssteuer) würde pro Jahr zwischen 700 Mio. und 1,5 Mrd. Euro in die österreichische Staatskasse spülen. Dies geht aus einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der deutschen Sozialdemokraten (SPD) hervor.
Deutschland würde demnach jährlich 18 bis 44 Mrd. Euro einnehmen, Frankreich 14 bis 36 Mrd. und Italien 3 bis 6 Mrd. Euro. Die prognostizierten Steuereinnahmen basieren dabei auf einem Vorschlag der EU-Kommission, der von einer breiten Bemessungsgrundlage ausgeht und die Besteuerung so gut wie aller Handelsgeschäfte auf Sekundärmärkten vorsieht.
Für Wertpapiere, also Aktien und Anleihen, ist im Kommissionspapier ein Steuersatz von 0,1 Prozent geplant, bei Derivaten (Termin-, Tausch- und Optionsgeschäfte) sollen 0,01 Prozent eingehoben werden. Ausgenommen sind dagegen Bankgeschäfte des täglichen Lebens wie Überweisungen vom Girokonto oder die Aufnahme von Krediten.
Die deutschen Wirtschaftsforscher spielten in ihrer Studie verschiedene Ausgestaltungsformen einer möglichen Finanztransaktionssteuer (FTS) durch und unterstrichen dabei den zentralen Stellenwert der Derivate. Diese würden den weitaus größten Teil der Bemessungsgrundlage ausmachen und durch ihre Nichtbesteuerung ginge ein Hauptteil (mehr als 90 Prozent) des möglichen Steueraufkommens verloren.
Ein Stufenmodell ohne die Besteuerung der Derivate in der ersten Stufe lasse "eine starke Erosion der Bemessungsgrundlage" wahrscheinlich erscheinen und ein solches Stufenmodell ist den Studienautoren zufolge deshalb nicht geeignet, "um die Ziele der Finanztransaktionssteuer zu erreichen".
Besonders betroffen wäre Österreich vom Verzicht auf das Ansässigkeitsprinzip, der "kleinere Länder der Steuerzone überproportional treffen" würde. Das Ansässigkeits- oder Sitzlandprinzip besagt, dass sich die Besteuerung auf alle Transaktionen bezieht, die von Instituten mit Sitz in der Steuerzone durchgeführt werden. Während das Minderaufkommen für Deutschland und Frankreich bei diesem Modell "höchstens etwas mehr als 30 Prozent" betragen würde, beziffert das DIW-Papier die Einbuße für Österreich mit "mehr als Dreiviertel seiner prognostizierten Einnahmen".
Eine Nichtbesteuerung des Sekundärmarkts für Staatsanleihen würde Österreich nur noch Einnahmen in Höhe von 0,5 bis zu einer Mrd. Euro bescheren, ein einheitlicher Steuersatz von 0,01 Prozent würde ein Steueraufkommen zwischen 300 Mio. und rund einer Mrd. Euro generieren.
"So erfreulich die Aussichten auf Steuereinnahmen sind - die Studie zeigt klar, dass erst die Ausgestaltung der Steuer über ihre Wirksamkeit entscheidet. Jedes Schlupfloch würde die FTS stark entwerten", kommentiert David Walch von Attac Österreich das DIW-Gutachten. "Wir erwarten daher von der österreichischen Bundesregierung, dass sie sich weiterhin jeder Verwässerung der FTS entgegenstellt", so Walch in einer Aussendung vom Montag.
Die nächste Gelegenheit, über die Ausgestaltung der FTS zu beraten, haben die Finanzminister aus Deutschland, Italien, Frankreich, Belgien, Estland, Griechenland, Österreich, Portugal, Slowenien, Spanien und der Slowakei am Rande des Finanzministerrats am morgigen Dienstag in Brüssel.