Das Handy liegt in der Lademulde, rechts vom Lenkrad. Kein Schlüssel entdeckt, sagt das Auto. Das Handy ist zwar der Schlüssel, aber: Deshalb fährt es nicht los. Bockig schreibt der BMW-Computer seine Ansagen auf das Info- und Entertainment-Display in der Mitte, das atypisch links oben und rechts unten angeschnitten ist.
Man sitzt also in einem computerisierten Auto, bei dem BMW von Superbrains statt Steuergeräten spricht, samt Riesen-Rechenleistungen und der Digitalisierung der Zukunft, aber man kann eben nicht losfahren. Und der kleine Avatar, der wie ein frisch modernisierter Ghostbuster aus der Kinolegende ausschaut, und dessen Kopf im Panoramic-Vision-Display alle möglichen Bewegungen vollführt, versteht uns nicht – obwohl er doch mit uns reden müsste. Hey, BMW, wie soll ich das Auto starten, frage ich. Der Ghostbuster weiß auch keinen Ausweg, das BMW-Team schon. Der klassische Schlüssel kommt zum Auto, es geht los. Die Probleme sollen sich später in Luft auflösen.
Alles oder nichts: Das BMW iX3-Projekt
In einem Auto, das vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Es ist ein Projekt, das sich mit einem Casino-Besuch vergleichen lässt: Alles oder nichts. Der neue BMW iX3 ist einer Rie-ne-va-plus-Strategie entwachsen. Ein ganzer Entwicklungszyklus wurde ausgelassen, die nahe Zukunft war nicht genug. Nicht nur um mitzuhalten, sondern um Standards zu setzen, musste BMW einen großen Wurf wagen. Und sich von seiner Vergangenheit trennen, wie bei einer Scheidung.
Das iDrive, dieses zuerst geschmähte, dann jahrelang in der Branche kopierte Dreh- und Funktions-Wahlrad, weil es so genial und einfach zugleich war – weg. Bildschirme, soweit das Auge reicht – Nein, danke. Der Protz, der Prunk, diese Riesenniere der goldenen China-Jahre: alles Vergangenheit. Weil China, wo die Geschäfte auf Talfahrt gehen und die Welt etwas anderes braucht. Software definiertes Fahrzeug nennt man das in der Fachsprache, KI unterwandert den Entwicklungsprozess genauso wie das ganze Auto.
BMW iX3: Zwischen Amazon, Cloud und KI
Weil in der Mittelklasse schon Google und Co (Renault z. B.) den Ton angeben, die Chinesen mit ihren Sprachmodellen erfolgreich unterwegs sind und Mercedes gleich Chat GPT, Google Gemini und Co. zu einem Sprachmodell zusammenfasst, musste BMW einen eigenen Weg gehen, der neu und unbekannt war. 10 Milliarden Euro, so heißt es habe man in das Projekt investiert. Amazon ist Partner, BMW hat die Deutungshoheit über die Infos, die aufs Display kommen.
Das erste, was hinter dem Steuer auffällt: Das Panoramic-Vision-Band an der Unterkante der Windschutzscheibe, schon oft beschrieben, aber noch nie erfahren: Mehr als ein Dutzend Widgets, also Info-Einheiten, lassen sich hier auf dieses Band spielen, es schaut verdammt gut aus, und wirkt viel smarter als diese zwanghaft in die Armaturenlandschaft eingepressten Bildschirme, vor denen man noch vor ein paar Jahren glasige Augen hatte. Heute weiß man: Es lenkt zu sehr ab, die Reizüberflutung muss jetzt der Klarheit weichen. BMW hat mit der Panoramic-Vision-Idee einen Standard gesetzt, der so wie das einstige iDrive - dieses geniale Drehrad - einen Industriestandard setzen könnte. Man fragt sich: Warum ist man noch nicht früher draufgekommen? Außerdem arbeitet es schnell, klar und übersichtlich – perfekt.
Mein Lenkrad ist nicht deppert
Und dann das Lenkrad, man müsste sagen, frei nach Mundl Sackbauer: Mein Lenkrad ist nicht deppert. Es kommuniziert, auf die einfachste Weise. Funktionen, die man ansteuern kann, leuchten leicht, ohne störend zu wirken. Jene, die gerade nicht aktivierbar sind, bleiben dunkel. Genial.
Die ersten Kurven, man spielt sich mit den Fahrmodi. Das Auto federt fein ab, gute 2,2 Tonnen, ein Klacks, könnte man fast meinen. Das Lenkrad liegt gut in der Hand, das Fahren wirkt stressfreier, weil man nicht dauernd Bildschirme im Wahrnehmungsbereich unterbewusst mitfahren. Die ersten schnellen Kurven-Kombinationen: Hoppla, man versteht damit besser, was die BMW-Ingenieure meinen, wenn sie sagen, dass sie die alte und die neue Welt zusammengeführt haben.
Es ist immer noch ein BMW, auch wenn das so genannte Superbrain jetzt Entscheidungen trifft. Nur das Lenkgefühl ist für einen BMW etwas zu leichtgängig, mit zu wenig Rückmeldung, da müssen wir wohl auf den neuen Dreier warten, der im Prinzip mit der gleichen Technik vorfährt, aber anders abgestimmt sein wird.
So fährt sich der neue BMW iX3
Auf der legendären Ascari-Rennstrecke erfährt man das ganze Potenzial: Fehlerverzeihend, unglaublich wie feinfühlig das Stabilitätsprogramm die Balance hält, das ist BMW-Klasse, unverkennbar. Auch wenn man sagen muss: Das Auto hat Unterhaltungswert, aber der kommende Dreier wird erst das volle Kurvenfresser-Potenzial ausspielen können. .
Der iX3 ist ein sicheres, souveränes, Auto, alleine die Bremstests und die Slalomkurse: Immer mit Reserven, das verdient das Prädikat neue Klasse, ein Slogan, den BMW als Reminiszenz an die neue Klasse in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gewählt hat – und die BMW damals gerettet hat. Der neue iX3 hat eine ähnliche Aufgabe: In seinem High-Tech-Sog und mit seiner Designsprache soll er BMW neu definieren.
Auch auf elektrischer Ebene: Der iX3 50, mit dem wir unterwegs waren, kam nicht über 21 kWh Verbrauch auf 100 Kilometer - für eine verschärfte Testfahrt nicht übel für diese Größe. Der iX3 kommt so locker auf eine Reichweite jenseits der 500 Kilometer (WLTP-Wert bei rund 800 km), und mit Ladegeschwindigkeiten von bis zu 400 kW (800-Volt-Architektur!) – solche Ladesäulen muss man aber erst finden – wird das Laden auch zur Nebenbeschäftigung Das Auto hat so viel Potenzial, diese Elektro-Plattform zeigt China, dass Europa noch lange nicht abzuschreiben ist. Wenn man Ladestationen sucht, kann man sogar mit Suchparametern feinere Stationen finden. Das war längst fällig und ist einfach nur smart.
Wie sich Handy und iX3 versöhnt haben
Und die Technik? Mit dem neu konfigurierten Handy funktionierte später wieder alles wie am Schnürchen, auch beim Starten. Man kann das Auto mit dem Handy außerdem einparken lassen, alle möglichen Funktionen extern und intern steuern (bis zum Dachlicht), das Handy wird zum Familienzugang und wenn‘s der Gesetzgeber erlaubt kann das Auto auch die Energie der Photovoltaik-Anlage speichern und im Haus ausspielen. Ein Missing Link der E-Mobilität.
Mit dem Handy haben wir uns also letztlich versöhnt. Smartphone-Updates und Vorserien-High-Tech können sich manchmal nicht vertragen, mit der ersten Auslieferung soll das alles selbstverständlich und im Einklang leben. Was den Ghostbuster-Avatar betrifft: KI wird den Leistungshorizont mit Marktstart erweitern, für China ist das entscheidend. Hier sollen schon die nächsten Entwicklungsstufen der KI gezündet werden. Immerhin erzählt der Avatar auch heute schon erträgliche Witze. Auch das können nicht alle.