Den Wandel „nicht nur miterleben, sondern aktiv mitgestalten“ – das war die Prämisse des Thementags der Kleinen Zeitung zu den Herausforderungen und Chancen der „digitalen Transformation“. Schnell wurde im Skyroom des Styria Media Centers im Expertengespräch des Formats „Reden wir“ deutlich, wie vielschichtig das dahinterliegende Themenspektrum ist. Eine Gemeinsamkeit kristallisierte sich in der Diskussion schnell heraus: Trotz aller Herausforderungen lag der Fokus auf den Chancen.

„Ich würde sagen, ich fühle mich eigentlich privilegiert, weil ich in einer fantastischen Zeit lebe und all diese Umbrüche miterleben kann“, betonte etwa Alfred Marchler. Der Vizepräsident der steirischen Industriellenvereinigung und Geschäftsführer von Zeta, Spezialist für Digitalisierung und Engineering in der biopharmazeutischen Industrie, sieht in der digitalen Transformation „tägliche Realität und auch eine Notwendigkeit und eine Riesenchance für uns in der Industrie und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern“. Aus der Praxis nennt er u. a. das Beispiel, „dass wir alle Anlagen, die wir bauen, vorher simulieren“. Das sei noch vor wenigen Jahren nicht üblich gewesen. Doch mittlerweile sei das „State of the art“. Zuletzt habe das Zeta-Team für einen Kunden in Japan, ein internationales Pharmaunternehmen, den Produktionsprozess eines ganzen Jahres durchsimuliert. Kostenpunkt: 50.000 Euro. Die Erkenntnisse daraus sorgten dafür, dass sich der Kunde Millionen an Investments erspare. „Das geht heute mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit und zu sehr wettbewerbsfähigen Preisen“, betont Marchler.

Vor fast genau 30 Jahren, am 28. November 1995, ist die Kleine Zeitung mit einer eigenen Website online gegangen, wie Xenia Daum, Geschäftsführerin der Kleinen Zeitung bei ihrer Begrüßung betonte. Vor 30 Jahren hat Elmar Krainz sein Informatikstudium begonnen. Der heutige Studiengangleiter an der FH Joanneum (Mobile Software Development und Software Design & Cloud-Computing) erinnert sich, im Herbst 1995 das erste Mal eine eigene E-Mail-Adresse erhalten zu haben. „Damals gab es aber maximal zwei, drei Leute in meinem Umfeld, denen ich eine Mail schicken konnte.“ Wenn man länger im Geschäft sei, sehe man immer wieder Hypes, die kommen und gehen. Im Fall der generativen Künstlichen Intelligenz legt sich Krainz aber fest: „Meiner Meinung nach ist das einer der nächsten Gamechanger, der unsere Arbeitswelt und unser Zusammenleben nachhaltig verändern wird – so ähnlich wie vor 30 Jahren, wo jemand seine erste E-Mail-Adresse erhalten hat“.

Die digitalen Umbrüche und die durch KI noch einmal erhöhte Geschwindigkeit des Wandels, auch hier war sich die Expertenrunde schnell einig, mache auch einen „Ausbildungswandel“ notwendig. An die vielen jungen Gäste im Skyroom gerichtet, betont Marchler: „Ihr werdet das ganz stark vorantreiben und ihr seid die Zukunft. Die Jungen gehen, das sehe ich auch bei uns im Unternehmen, total vorbehaltlos auf diese Tools und haben keine Berührungsängste.“ Auch Sebastian Krause, Head of Digital bei der Kleinen Zeitung, streicht das Tempo, „mit der die junge Generation diese Tools annimmt, verarbeitet und kreativ damit wird“ hervor. Vor diesem Hintergrund sei es „ein bisschen beschämend, wenn wir dann sehen, wie langsam so manche Institution darauf reagiert“.

„Reden wir“: Moderator Mathias Pascottini diskutierte mit Sebastian Krause, Alfred Marchler, Elmar Krainz und Herbert Ritter im Skyroom des Styria Media Centers über Chancen und Herausforderungen digitaler Transformation
„Reden wir“: Moderator Mathias Pascottini diskutierte mit Sebastian Krause, Alfred Marchler, Elmar Krainz und Herbert Ritter im Skyroom des Styria Media Centers über Chancen und Herausforderungen digitaler Transformation © Manuel Hanschitz

Herbert Ritter, der Ende der 1980er-Jahre ein Automatisierungsunternehmen gegründet hat und auch als Vizepräsident der Wirtschaftskammer fungiert, sieht in diesem Zusammenhang, insbesondere bei digitalen Behördenwegen noch viel Aufholbedarf. Marchler fordert für die Verwaltung „eine digitale Strukturreform“. Dafür brauche es auch politische Courage. „Erfolgreiche Unternehmen, von der Industrie bis hin zu Klein- und Mittelunternehmen, tragen diese digitale Transformation mit, da unterscheidet sich dann auch die Spreu vom Weizen“, unterstreicht Ritter. In der öffentlichen Verwaltung gelte es, die Strukturen entsprechend anzupassen. Wenn notwendige Digitalisierungs- und Effizienzschritte erfolgen, was im Sinne des Bürokratieabbaus auch notwendig sei, dann müsse auch klar sein, dass gewisse Verwaltungspositionen wegfallen.

Der Wandel war und ist auch in der Medienbranche ein ständiger Begleiter. „Aber die jetzige Situation ist aber tatsächlich die mit Abstand spannendste, die wir im Journalismus überhaupt je gesehen haben“, so Krause. Bisher habe man digitalisiert, Inhalte für große und kleine Screens und Social Media aufbereitet, „aber jetzt haben wir die künstliche Intelligenz“. Die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, „in der Produktentwicklung, in der Art, wie wir Geschichten erzählen, in der Art, wie wir die Leute erreichen, das war noch vor drei Jahren völlig undenkbar“, so Krause. Ein ebenfalls gemeinschaftlicher Befund der Diskussionsrunde: Die Geschwindigkeit ist enorm. Krause: „Ich glaube, es ist wahrscheinlich der absolut falsche Zeitpunkt aktuell, um sich in seine eigenen Ideen zu verlieben, weil die Geschwindigkeit so irre hoch ist, also wie oft wir jetzt auch aktuell Dinge revidieren müssen, die vor sechs Monaten noch grandios klangen.“