Es sind kräftige Zahlen, die Österreichs Autohändler von der Statistik Austria offiziell zugeschrieben werden. So wurden im ersten Halbjahr heuer 143.051 Pkw erstmals zugelassen. Im Vergleich mit den ersten sechs Monaten des Vorjahres bedeutet das ein Plus von 5,9 Prozent – oder 7938 Pkw.
„Die Zuwächse gehen vor allem auf reine Elektro- sowie Benzin-Hybrid-Pkw zurück“, heißt es dazu von der Statistik Austria. In Summe machten die alternativen Antriebe, deren Zulassungen im Jahresvergleich um 36,8 Prozent zulegten, damit deutlich mehr als die Hälfte (59,3 Prozent) aller neuen Pkw aus. Getrieben werden die Zulassungen der Pkw weiterhin primär von Firmen und Gebietskörperschaften. Im Bereich der neuen Autos mit alternativem Antrieb wurde etwa nur rund ein Drittel von Privaten gekauft.
Auch spannend und Zeugnis der Transformation hin zu alternativen Antrieben: Die durchschnittliche CO₂-Emission eines neu zugelassenen Pkw lag laut Statistik Austria im ersten Halbjahr „erstmals unter 100 Gramm pro Kilometer“.
„Haben Peak-Car ziemlich sicher hinter uns“
Sie sehen also: Vieles ist in Bewegung in der Automobilindustrie. Zugleich sollten die nunmehrige Entwicklung und das Zulassungsplus nicht über einen globalen Trend hinwegtäuschen. Tatsächlich stagniert die Autoproduktion nämlich, wie die Branchenspezialisten Gundula Pally und Felix Mogge vom Beratungsunternehmen Roland Berger erzählen.
Drei Jahrzehnte hätte die Industrie ein kontinuierliches Wachstum gesehen, bevor „es mit Ende der letzten Dekade mehr oder weniger zu Stillstand kam“, sagt Mogge, der glaubt, dass im Jahr 2030 mit 94 bis 95 Millionen weltweit gebauten Fahrzeugen jene Größenordnung erreicht wird, die man bereits aus dem Jahr 2018 kennt. Zwar gibt es Märkte, vor allem in Südostasien, die weiter wachsen, in „Nordamerika, Europa, Korea oder Japan haben wir Peak-Car, also das Jahr mit den meisten verkauften Autos, aber ziemlich sicher hinter uns“.
Lange Verträge, zu viel Kapazität
Das treffe vor allem die, in Österreich besonders stark ausgeprägte, Zulieferindustrie hart. Diese fand zuvor lange ein relativ stabiles Geschäftsmodell vor, das aber meist auf „zumindest fünf Prozent Wachstum“ aufbaue, wie Experte Mogge erklärt. Nur dann könnten Skaleneffekte erzeugt werden und in Folge Kostenvorteile entstehen.
Bis 2019 funktionierte das Modell gut, mit ausbleibendem Wachstum begann es aber zu bröckeln. Weil tendenziell mehrjährige Liefer- und Abnahmeverpflichtungen mit den Autobauern geschlossen werden, können inflationsbedingte Kostensteigerungen nicht ohne Weiteres weitergegeben werden.
„In der Regel legen sich die Automobilzulieferer für zehn Jahre fest, zu welchen Preisen und Konditionen sie den Autobauer beliefern“, erzählt Felix Mogge, der zudem in Europa, aber auch in China, „zu hohe Produktionskapazitäten – bei Herstellern und Zulieferern“ beobachtet. Mogge: „Für den batterieelektrischen Antriebsstrang entstanden neue Kapazitäten, jene für Verbrenner sind aber noch fast unvermindert da. Kaum jemand rüstet seine Werke um“.
Zugleich würde die Transformation hin zum elektrischen Antrieb auch eine Strukturveränderung bei vielen Zulieferern auslösen. Gundula Pally berichtet von einer fortschreitenden Tendenz zur „Diversifizierung“. Chancen für heimische Betriebe würden sich im Bereich von Bahn- und Energietechnik, aber auch der Rüstungsindustrie auftun.
Dort seien die aktuellen Zulieferbetriebe nämlich nicht unbedingt auf hohe Stückzahlen und besonders wettbewerbsfähige Kostenstrukturen ausgerichtet. In dem Moment, wo eine Rüstungsproduktion wirklich deutlich nach oben gefahren wird, könnten sich also große wirtschaftliche Fenster für Automotive-erprobte Betriebe auftun. Schon zuvor sollten Unternehmen entscheidende Fragen klären, wie Pally und Mogge unisono erklären. Nämlich: „Bin ich willens, die Rüstungsindustrie zu beliefern?“ und „Welche Einsatzzwecke sehe ich und wie könnten etwaige Freigabeprozesse ablaufen?“