Als die ersten Gesellschaften der von René Benko aufgebauten Signa-Gruppe im Herbst 2023 Insolvenz anmeldeten, begann das Kartenhaus offensichtlich zusammenzubrechen. Mittlerweile ist die Immobiliengruppe breitflächiger Ermittlungsgegenstand und Gründer René Benko in U-Haft. Einer, der jahrelang eng an der Seite Benkos arbeitete, ist Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer. Dieser war nicht nur im Signa-Beirat, sondern auch 14 Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender der Signa Prime und neun Jahre Aufsichtsratschef der Signa Development – zwei der zentralsten Signa-Gesellschaften.
Im großen Interview mit dem Falter nimmt Gusenbauer nun ausführlich zur Causa Signa – und vor allem zur Person René Benko – Stellung. So sei etwa das „gängige Bild von René Benko als superreichem Genussmenschen etwas verzerrt“, wie Gusenbauer erklärt. In Wahrheit sei Benko ein „getriebener Workaholic – um fünf Uhr morgens auf, ab halb sechs die ersten Anrufe, Unterlagen studieren bis tief in die Nacht.“ Benkos Statussymbole, egal ob Villen, Jagd oder Uhren, seien zum Teil „Geschäftsinteresse“, zu einem anderen Teil „sicher auch Hybris – nach dem Motto: ‚Ich kann das alles machen.‘“
Keine Freizeit, keine Verwunderung
Mit Benko, den der Ex-Kanzler bereits aus seiner Zeit als Oppositionspolitiker kennen will, habe Gusenbauer „gut zusammengearbeitet“. Freizeit aber habe man „kaum verbracht – er hatte dafür auch keine. Und: Während er auf die Jacht ging, saß ich in der Oper“.
Ob er, Gusenbauer, sich nie gewundert hätte, dass die Signa-Gruppe kein Konzern war und keine Gesamtbilanz legte? „Hans Peter Haselsteiner und ich haben René des Öfteren darauf hingewiesen, dass es für die Glaubwürdigkeit der gesamten Unternehmung sinnvoll wäre, eine vollständige Konsolidierung durchzuführen - auch für die Banken“, erzählt Gusenbauer im Interview. Und: „Ich habe nie in meinem Leben eine Bilanz der Signa Holding gesehen.“ Benko wiederum hätte immer gemeint: „Ich brauche Zeit.“
Auf die Frage, ob Gusenbauer denn nicht einen Interessenskonflikt ortet, wenn er auf der einen Seite selbst nachweislich bei der Geldbeschaffung der Signa hilft und andererseits als Aufsichtsrat die Geschäfte kontrolliert, antwortet der Ex-Kanzler lapidar: „Ich kann es ja nicht direkt organisieren, sondern nur Türen öffnen – sozusagen die Hebamme spielen.“ Darüber hinaus hätte er „einen Großteil des Geldes, das ich bei der Signa verdient habe, in Signa-Aktien investiert – und bin mit null ausgestiegen“.
Wann er selbst erstmals wusste, dass die Signa dem Untergang geweiht ist? Gusenbauer erinnert sich an den „Oktober 2023“. Damals hätten „renommierte Berater wie White & Case und Rothschild auf meine direkte Frage im Aufsichtsrat noch gesagt, dass es eine gute Chance gebe, einen Massekredit von 500 Millionen Euro aufzustellen“. Als die Signa-Vorstände und Berater berichteten, dass sie diesen Massekredit nicht zusammenbekommen, wusste Gusenbauer, dass es zu Ende geht.
Selbst will Gusenbauer in der Causa Signa ein „völlig reines Gewissen“ haben. Als Mastermind und Gehirn der weit verzweigten Signa-Gruppe nennt Alfred Gusenbauer im Falter einmal mehr René Benko. Der Ex-Kanzler über den nunmehr in U-Haft befindlichen Benko: „Er war der Haupteigentümer. Niemand, der mit der Signa zu tun hatte, hatte Zweifel daran, dass er das Sagen hatte“. Das, so Gusenbauer, sei „keine Kritik, sondern eine rein faktische Feststellung“.