Die Tradition ist uralt, die erste große Liebe zu verewigen. Die "älteren Semester" gingen dafür häufig in den Wald und ritzten mit einem Taschenmesser Herz und Initialen in einen Baumstamm.

In der Südoststeiermark kam kürzlich eine solche Liebesbekundung beim Fällen eines 150 Jahre alten Baums zum Vorschein. In Wetzelsdorf bei Jagerberg stießen die beiden Brüder Franz und Ewald Groß beim Spalten einer Buche mit rund 120 Zentimetern Durchmesser auf ein "Baumbild" im Stamminneren.

Die Interpretationen sind vielseitig. Etwa sehen manche Menschen darin eine kleine Frauenhand, die sich einer Männerhand annähert
Die Interpretationen sind vielseitig. Etwa sehen manche Menschen darin eine kleine Frauenhand, die sich einer Männerhand annähert © Johann Schleich

Liebesbeweis anstatt eines eingewachsenen Handschuhs

"Als das Bild zum Vorschein gekommen ist, haben wir sofort aufgehört mit dem Holzspalten. Zuerst habe ich mich gefragt, ob ein Handschuh eingewachsen sein könnte", erzählt Franz Groß.

Ein Handschuh war es nicht, dafür ein Bild von zwei Händen und einem durchbohrten Herz. "Eine Frauen- und eine Männerhand und ein paar Tränen", spekuliert Groß. Andere tippen auf eine Blutrinne, die durch das durchbohrte Herz führt und am Ende abtropft. Ob das Bild einst mit einer mineralhaltigen Farbe bestrichen wurde oder ob die Verfärbung im Baum selbst erfolgt ist, konnte bisher nicht festgestellt werden.

Fantastischen Interpretationen sind nun jedenfalls keine Grenzen gesetzt. So auch nicht jener von Groß: "Vielleicht sind beide beim Baum gestanden und er hat es eingeritzt als Liebesbeweis. Früher war es mit der Liebe ja nicht so einfach, wenn sie den Eltern nicht gepasst hat."

Von 50 Jahresringen umwachsen

"Am Anfang war es unerklärlich, wie das Bild dorthin gekommen ist", sagt Groß. Mittlerweile ist man sich ziemlich sicher, dass das Bild vor etwa 50 Jahren in die Baumrinde geritzt und von vielen Jahresringen überwachsen wurde. Somit wurde es im Stamminneren auf eine sonderbare Weise konserviert.

Franz Groß konnte beim Holzspalten rechtzeitig den größten Teil des Stammes retten. Einige Teile wurden bei der Arbeit dennoch zerstört
Franz Groß konnte beim Holzspalten rechtzeitig den größten Teil des Stammes retten. Einige Teile wurden bei der Arbeit dennoch zerstört © Johann Schleich

Viel Gemunkel am Stammtisch

Nach der Entdeckung machte Groß ein Foto und schickte es weiter. Damit war die Diskussion rund um den Liebesbeweis entfacht. Seither gibt es am Stammtisch beim Gasthaus Kaufmann in Wetzelsdorf bei Jagerberg jedenfalls nur ein Gesprächsthema: "das Wunder von Jagerberg".

Wirt Richard Kaufmann erzählt: "Alle sind neugierig, wer dieses Pärchen war. Vor allem die ältere Generation hat sich gegenseitig ein bisschen aufgezogen, wer wohl geheime Liebschaften hatte." Geoutet habe sich noch niemand. "Aber es werden im Hintergrund schon ein paar forschen, es sind ja alle gespannt", ist sich Kaufmann sicher.

Auf der Suche nach dem Liebespaar

Der 80-jährige Onkel der Brüder und Altbürgermeister von Jagerberg Johann Groß weiß jedenfalls nicht, wer das Liebespaar sein könnte. "Die Leute werden sich nicht mehr finden", fürchtet Groß. Wo er sich aber sicher ist: "Die Jahresringe gehören genau überprüft. Das muss wissenschaftlich aufgearbeitet werden."

Übrigens: Das ist nicht der erste rührende Liebesbeweis aus der Steiermark. Klicken Sie sich durch die romantischsten Zeichen der Liebe: