Geht man an der großen Buche am Europaplatz in Hartberg vorbei, fällt einem sofort das große Friedenszeichen auf, das in bunten Farben aus verschiedenen Stoffen zusammengenäht wurde. Schweift man mit seinem Blick weiter, sieht man verschiedenste Deckerl in unterschiedlichsten Größen, Formen und Farben. Betrachtet man gerade noch ein graues Deckerl, auf dem eine Eule erkennbar ist, erblickt man in der nächsten Sekunde ein rundes Muster in Orange und Rot. Miriam Kreutz und Yvonne Sokol sind gerade dabei, die Buche zu schmücken. "Jedes Mal, wenn ich nach oben schaue, sehe ich wieder ein neues Deckerl", sagt Yvonne Sokol. Bewaffnet mit Schere und Faden klettern sie auf der großen Leiter, die an den Baum lehnt, hinauf und nähen die einzelnen Teile zusammen.

Über 1000 Stoffteile als Zeichen des Friedens

Als "Yarn Bombing" bezeichnet man diese Kunstart, die jetzt auch in Hartberg verwirklicht wird. Dabei geht es den beiden Initiatorinnen in erster Linie darum, ein Zeichen zu setzen. In diesem Fall: "Für Frieden und Zusammenhalt", erklärt Yvonne Sokol, während sie mit einem Garn die einzelnen Stoffteile am unteren Teil des Stammes verbindet. Die beiden Inhaberinnen des "Fadenkarussell" in Hartberg haben die Menschen in der Region dazu aufgerufen, ihnen bunte runde Deckerln zu schicken, um den Baum gemeinsam zu schmücken. "Man hat richtig gemerkt, dass die Leute etwas tun wollten, um ihre Gefühle über Corona und den Krieg in der Ukraine zum Ausdruck zu bringen". Der Beweis: Über 1000 Stoffdeckerln haben die zwei Frauen im Laufe der vergangenen Wochen von Menschen aus der ganzen Steiermark bekommen. "Irgendwann haben wir aufgehört zu zählen", schmunzelt Miriam Kreutz stolz.

Während der Baum langsam umhüllt wird und die braune Rinde unter den bunten Stoffteilen verschwindet, bleiben immer wieder Passanten stehen, um das Kunstwerk zu betrachten. Miriam Kreutz ist allerdings so in ihre Arbeit vertieft, dass sie sie kaum wahrnimmt. Sorgfältig platziert sie ein Deckerl neben dem anderen. Mit einem dunklen Garn verbindet sie die beiden, bis sie zum nächsten kommt. Stand sie vor kurzem noch ganz oben auf der Leiter, bewegt sie sich jetzt langsam nach unten. Am Boden angekommen: "Na dann, wieder rauf". Immer wieder nehmen sich die zwei Frauen die Zeit, um ihr Werk genau zu betrachten. "Hier fehlt noch ein Deckerl", sagt Sokol und zeigt auf eine Stelle, bei der die Rinde noch zu erkennen ist.

Bis in den Winter hinein

Die Kunstform "Yarn Bombing", bei der man einen Baum oder anderen Gegenstand mit gestrickten oder gehäkelten Stoffteilen verziert, gibt es schon länger. Erstmals kam der Begriff 2005 in Texas auf, als eine Frau ein kunterbuntes Zeichen setzen wollte. "Sie hat damals allein einen kompletten Bus verziert", weiß Kreutz. Sie selbst ist froh, so viel Hilfe gehabt zu haben und will deshalb auch jedes einzelne Deckerl verarbeiten. Leichter gesagt als getan: Im Laden stapeln sich die Stoffteile, die nicht mehr auf den Baum passen. "Es ist einfach unglaublich", sagt Sokol während sie über die gehäkelten Deckerln fährt, überwältigt von der großen Anteilnahme. Aber wohin mit dem ganzen Stoff? "Wir werden das Geländer vor dem Laden noch schmücken und vielleicht erlaubt man uns auch noch einen weiteren Baum zu verzieren. Genügend Stoff dafür hätten wir auf jeden Fall".

Nachdem die großen Stoffteile ihren Platz am Baum gefunden haben und er immer bunter wird, fangen die beiden Frauen an, die Feinarbeit umzusetzen. Ein blau-gelbes Deckerl hier, ein Stoffteil in verschiedenen Pinktönen da. "Wir wollen wirklich jedem, der sich die Arbeit angetan hat und uns etwas geschickt oder vorbeigebracht hat, auch würdigen, indem wir kein einziges Teil vergessen". Der bunte Baum, der ganz im Zeichen des Friedens und Zusammenhalts steht, wird dafür auch den ganzen Sommer über bleiben. "Bis in den Winter hinein, je nach Witterung natürlich". So können alle, die sich an dem Kunstprojekt beteiligt haben, ihre gehäkelten Deckerln am Baum betrachten "und dabei wissen, dass sie an etwas Großem beteiligt waren".