Bis vor Kurzem glich das Hotel "Das Gogers" in Burgauberg-Neudauberg noch einem Geisterschloss. Das hat sich mitten in einer Nacht schlagartig geändert, als 63 ukrainische Waisenkinder, die vor dem Krieg geflüchtet sind, dort eingezogen sind. Die Gemeinde hat die Kinder, die zum Teil auch schwer behindert sind, in dem Hotel, das unter der Leitung der SeneCura-Gruppe steht, untergebracht. Inklusive ihrer Betreuerinnen und deren Kinder. Die Hotelzimmer wurden mit Kinderbetten ausgestattet und bunte Spielteppiche auf die Böden gelegt. Und die werden mittlerweile eifrig bespielt. Nach zwei Wochen haben sich viele der Kinder bereits ein bisschen eingelebt und können die Schrecken, die sie in ihrer Heimat und auf ihrer Flucht erlebt haben, zumindest immer wieder für einige Zeit hinter sich lassen.

So auch in dem Moment, als die Kleinen im ehemaligen Empfangsbereich zu lauter Musik ausgelassen hüpfen und tanzen. Ein kleines Mädchen zieht dabei mit ihrer Tanzeinlage alle Blicke auf sich: Geschickt tritt sie von einem Bein auf das andere und wackelt mit ihren Händen in der Luft. Als ihr Blick einen der 38-jährigen Betreuerinnen kreuzt, erstrahlt auf ihrem Gesicht sofort ein Lächeln, das augenblicklich erwidert wird. Klatschend animiert die Betreuerin die Kleine, weiter zu tanzen und ihrer Freude freien Lauf zu lassen. Dieser Aufforderung kommt das Mädchen gerne nach und dreht sich weiter im Kreis. Kaum hat sie der 38-Jährigen den Rücken zugedreht, kehren Traurigkeit und Angst in den Gesichtsausdruck der Frau zurück. "Wichtig ist nur, dass es den Kindern gut geht. Hier geht es nicht um mich, sondern nur um die Kinder", versucht sie, mit Tränen in den Augen Stärke zu beweisen.

Rettungsaktion

Nicht nur die Bilder des Krieges kommen immer wieder hoch, auch die Gedanken an die Menschen, die sie zurücklassen musste, schmerzen. Aber auch die ungewisse Zukunft bereitet ihr Sorgen und Ängste, wie sie erzählt. Trotzdem hat sie entschieden, gemeinsam mit den 63 Waisenkindern, von denen einige teils schwere Beeinträchtigungen haben, ihren Heimatort im Landkreis Kirowohrad zu verlassen und im Zuge einer spektakulären Rettungsaktion nach Österreich zu fahren. Nicht alle Angestellten des Kinderheimes hätten sich für diesen Schritt entschieden, nur die Hälfte der Belegschaft sei mitgekommen. Und das macht die Situation noch einmal schwieriger. "Wir suchen händeringend nach ukrainischen Betreuerinnen, die bereit wären, nach Österreich zu kommen", sagt Pascale Vayer, Leiterin vom Verein "Kleine Herzen", die die Evakuierung organisiert und begleitet hat.

Einer, der sich ebenfalls von Anfang an für die Kinder eingesetzt hat, ist Bürgermeister Wolfgang Eder. Auch heute ist er da und beobachtet die Kleinen, wie sie sich zur Musik bewegen. Dabei kann auch er seine Emotionen kaum verbergen. In der einen Sekunde kämpft er mit seinen Tränen, dann strahlt er wieder mit den Kleinen um die Wette und ist stolz. Darauf, was seine Gemeinde hier geleistet hat. Mit Freudentränen in den Augen denkt er zurück an die Stunden vor ihrer Ankunft: "Es war sensationell, wie alle mitgeholfen haben und innerhalb von kürzester Zeit Kinderbetten, Spielsachen und das Notwendigste organisiert haben. Ich bin einfach überwältigt von der Herzlichkeit und dem Zusammenhalt", erzählt er und erinnert sich, wie sich kahle Wände und leere Räume plötzlich in fröhliche Kinderzimmer verwandelt haben.

Ungewisse Zukunft

Und das war nicht sehr schwer. "Sachspenden haben wir wirklich viele erhalten", erzählt die Leiterin des Vereins "Kleine Herzen". Jetzt hoffe man vor allem auf Geldspenden. Dafür wurde auch speziell ein eigenes Konto eingerichtet. "So können wir den Kindern am ehesten eine gute Zukunft bieten", sagt Pascale Vayer.

Wie genau diese Zukunft aussieht, ist derzeit allerdings noch ungewiss. "Ich musste als Bürgermeister der ukrainischen Regierung versprechen, dass die Kinder wieder zurückgegeben werden", erzählt Eder. Wann genau das sein wird und wie es dann mit ihnen weitergeht, kann man jetzt noch nicht sagen, doch man wolle alles versuchen, damit sie ihren Aufenthalt hier so gut wie möglich in Erinnerung behalten. Die Kleinen selbst beschäftigt die Ungewissheit ihrer Zukunft nur wenig, sie erfreuen sich weiter an der lauten Musik, Klatschen und Tanzen.