Der Vollmond macht nicht nur Migräne-Patienten zu schaffen. Auch Lukas Schilhan aus Weißkirchen fürchtet die Mondphase – sie erhöht bei ihm die Wahrscheinlichkeit eines epileptischen Anfalls. 

Schilhan ist 27 und Kunde der "Lebenshilfe" Region Judenburg. Das war nicht immer so – eine Herpes-Infektion, das Pfeiffersche Drüsenfieber, und eine darauffolgende Gehirnhautentzündung stellten vermutlich sein Leben auf den Kopf. Zu dem Zeitpunkt war er zwölf Jahre alt und besuchte das Gymnasium Judenburg, war Klassensprecher, aktiv in der Schulband am E-Bass. Nach seiner Erkrankung wollte er voll auskuriert wieder zur Schule gehen – seine Eltern fanden ihn just an dem Wochenende davor in einem schweren epileptischen Anfall. Bis zu 70 Anfälle treten bei ihm in einem Jahr auf.

Vom Gymnasium an die NMS

Es folgten zahlreiche OPs, in denen ein Gehirntumor festgestellt, entfernt und schließlich der rechte Temporallappen des Gehirns entnommen wurde. Zuvor wurde mittels EEG-Platte erkundet, wo sich Schilhans Sicht- und Sprachzentren befanden, um diese und andere lebenswichtige Bereiche nicht durch die Entnahme zu schädigen. 

Die erhoffte Erleichterung blieb aus, die Anfälle waren weiterhin da. So wechselte Schilhan vom Gymnasium an die NMS Weißkirchen, "die haben nicht gleich die Rettung gerufen, wenn ich einen Anfall hatte, sondern meine Eltern", erzählt er. In der Schule wurde er gemobbt, findet im Nachhinein sogar empathische Worte für seine Peiniger: "In dem Alter befindet sich der Mensch gerade in seiner Entwicklung, ebenso die sozialen Kompetenzen." Er wiederholte die Klasse und ließ seine Krankheit von einem Arzt den Mitschülern erklären – das Verständnis war da.

Vor dem Anfall kommt die Vorahnung

Bevor der Anfall kommt, gibt es eine Vorahnung, zumindest bei Schilhan. Dies bezeichnet man als "Aura", sie ist bei jedem Epileptiker anders. Man könne sich dann einstellen, hinsetzen, sichern, sagt Schilhan. Früher kam die Aura als Geruch, heute ist es bei ihm ein Gefühl. Bei stärkeren Anfällen kann es sein, dass es keine Vorzeichen gibt und man im schlechtesten Fall hinfällt – was Schilhan in der Vergangenheit zwei Zähne gekostet hat. Bei schwächeren Anfällen bekomme man alles mit. Der Körper krampft, lässt sich nicht mehr steuern. "Ich bin trotzdem anwesend, sehe alles, spüre alles, kann aber nichts steuern. Man ist nur Mitfahrer." Mittels jahrelangem Neurofeedback-Training lernte Schilhan, seine Anfälle teilweise wegzuatmen. Was sich unglaublich anhört, ist das Resultat mentaler Stärke und der Fähigkeit, in den eigenen Körper zu hören. "Es ist schwierig, aber das ist halt so. Manche Sachen sind einfach intensiver", sagt Schilhan mit der ihm eigenen Abgeklärtheit und seinem besonderen Humor. 

Möbel, Gitarre und Landwirtschaft sind seine Leidenschaft

In der Lebenshilfe-Tagesstätte in Wasendorf fertigt Schilhan Möbelstücke, ist Vorzeichner für die dafür benötigten Pläne, und das mit größter Akribie. So entstehen Hochbeete oder andere Auftragsarbeiten, etwa Präsentationswagerl für eine Gärtnerei.  

Was Schilhan momentan beschäftigt, ist der Abschluss seiner Facharbeit für den landwirtschaftlichen Facharbeiter: Nach der NMS besuchte er die Fachschule in Kobenz, lernte Tischlern, arbeitete in der schuleigenen Molkerei. Die Arbeit konnte er aufgrund der zahlreichen OPs noch nicht einreichen, was er momentan nachholt. Er arbeitet am Bauernhof der Eltern mit, spielt Gitarre und Tennis. Erst kürzlich besuchte er in Wien ein Konzert der Band "Rammstein", wo er zufällig H.P. Baxxter, Frontman der Techno-Band "Scooter" im Publikum traf.

Lukas Schilhan (rechts) traf die Techno-Legende H.P. Baxxter beim Wiener Rammstein-Konzert
Lukas Schilhan (rechts) traf die Techno-Legende H.P. Baxxter beim Wiener Rammstein-Konzert © Privat

Beziehungsfragen seien ein eigenes Thema, welches ihm alles andere als leicht falle, sagt Schilhan. Er ist auf der Suche nach einer Partnerin und freut sich über Kontaktaufnahmen unter Tel. 0699-15301505. Richtige "Lebensfreunde" hat er jedoch auch – "wenn einem sowas passiert wie mir, weiß man, wer die echten Freunde sind", sagt er.