Jung, fröhlich, beliebt, sozial und politisch engagiert. Ein 25-jähriger Obersteirer steht mitten im Leben, als zu Weihnachten 2023 das Unfassbare passiert. Zunächst geht er einen Tag vor Weihnachten mit einem Freund zum Eisbaden in den Freizeitsee Wald am Schoberpass. Am Tag nach dem Heiligen Abend probieren es die beiden noch einmal. Der junge Mann steigt aus dem Wasser, trocknet sich ab, setzt sich als Beifahrer in das Auto seines Freundes. Die beiden fahren los, plötzlich beginnt er zu krampfen, wird bewusstlos. Sein Freund leistet Erste Hilfe, alarmiert das Rote Kreuz, der Mann wird erfolgreich reanimiert und ins LKH in Leoben geflogen. Später wird er in eine Klinik nach Graz überstellt. Der heute 26-Jährige ist seit dem Vorfall nicht mehr ansprechbar und liegt im Wachkoma.

Holländer löste Trend aus

Der Fall wirft die Frage auf, wie gefährlich das Eisbaden ist, das in den vergangenen Jahren zu einem großen Trend geworden ist. Befeuert vor allem durch den niederländischen Extremsportler Wim Hof, der als „Iceman“ stark in der Öffentlichkeit präsent ist. Eigens ausgebildete Instruktoren vermitteln die Wim-Hof-Methode im Rahmen von Workshops.

Der Extremsportler und Motivationstrainer Wim Hof, auch bekannt als The Iceman, bei der Pressekonferenz zum Tagesworkshop Eisbaden, die Wim Hof Methode, der am 03.08.2024 in der LanxessArena stattfindet. *** The extreme athlete and motivational coach Wim Hof, also known as The Iceman, at the press conference for the one-day workshop Ice Bathing, the Wim Hof Method, which will take place on 03 08 2024 in the LanxessArena
„Iceman“ Wim Hof hat den Trend zum Eisbaden befeuert © IMAGO / Horst Galuschka

Die Kleine Zeitung hat sich bei Primarius Peter Paal über Sinn und Unsinn des Eisbadens erkundigt, also den Gang in unter fünf Grad kaltes Wasser. Der Anästhesist und Intensivmediziner vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg forscht im Bereich extreme Lebensbedingungen. Zum konkreten Fall könne er sich nicht äußern: „Obwohl es zeitlich ganz nah beisammen liegt, lässt sich von außen nicht einmal sagen, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Eisbaden und dem Gesundheitszustand des jungen Mannes gibt.“

Primarius Peter Paal forscht im Bereich extreme Lebensbedingungen. Eisbaden sieht er als „Modehype“
Primarius Peter Paal forscht im Bereich extreme Lebensbedingungen. Eisbaden sieht er als „Modehype“ © Vogl-perspektive.at - Mike Vogl

Was das Thema Eisbaden betrifft, gebe es Hinweise auf positive Effekte, etwa für Herz, Kreislauf, Immunsystem und Gehirn. Aber das Ganze sei nicht mehr als ein „Modehype“, betont Paal. Wer auf seine Gesundheit achten wolle, bekomme es deutlich einfacher: „Regelmäßige Bewegung, Ernährung ohne hochverarbeitete Lebensmittel und regelmäßiger Schlaf sind deutlich effektiver als Eisbäder.“ Sonst hauptsächlich im Büro zu sitzen und zu glauben, sich mit Eisbädern fit halten zu können, sei „Blödsinn“.

Wer dem Trend aber dennoch folgen wolle, solle ein paar Mindestvoraussetzungen beachten: „Eisbaden sollte man nur in Begleitung von in dieser Hinsicht erfahrenen Menschen.“ Wer schon Herzkreislaufprobleme hat, soll gar nicht oder nur nach Absprache mit einem Arzt ins Eiswasser gehen.

Kein Jungbrunnen

Primarius Peter Paal empfiehlt auch allen, die sich gesund fühlen, einen Check: „Es kann jemand unter ihm gar nicht bekannten Vorerkrankungen leiden, die dann bei solchen Extremsituationen zum Problem werden.“ Ein Jungbrunnen, wie vielfach verheißen, sei das Bad in eisigen Wasser jedenfalls nicht: „Danach suchen die Menschen schon seit Jahrtausenden, aber den gibt es nicht.“