Jung, fröhlich, beliebt, sozial und politisch engagiert. Ein 25-jähriger Obersteirer steht mitten im Leben, als zu Weihnachten 2023 das Unfassbare passiert. Zunächst geht er einen Tag vor Weihnachten mit einem Freund zum Eisbaden in den Freizeitsee Wald am Schoberpass. Am Tag nach dem Heiligen Abend probieren es die beiden noch einmal. Der junge Mann steigt aus dem Wasser, trocknet sich ab, setzt sich als Beifahrer in das Auto seines Freundes. Die beiden fahren los, plötzlich beginnt er zu krampfen, wird bewusstlos. Sein Freund leistet Erste Hilfe, alarmiert das Rote Kreuz, der Mann wird erfolgreich reanimiert und ins LKH in Leoben geflogen. Später wird er in eine Klinik nach Graz überstellt. Der heute 26-Jährige ist seit dem Vorfall nicht mehr ansprechbar und liegt im Wachkoma.
Holländer löste Trend aus
Der Fall wirft die Frage auf, wie gefährlich das Eisbaden ist, das in den vergangenen Jahren zu einem großen Trend geworden ist. Befeuert vor allem durch den niederländischen Extremsportler Wim Hof, der als „Iceman“ stark in der Öffentlichkeit präsent ist. Eigens ausgebildete Instruktoren vermitteln die Wim-Hof-Methode im Rahmen von Workshops.
Die Kleine Zeitung hat sich bei Primarius Peter Paal über Sinn und Unsinn des Eisbadens erkundigt, also den Gang in unter fünf Grad kaltes Wasser. Der Anästhesist und Intensivmediziner vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg forscht im Bereich extreme Lebensbedingungen. Zum konkreten Fall könne er sich nicht äußern: „Obwohl es zeitlich ganz nah beisammen liegt, lässt sich von außen nicht einmal sagen, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Eisbaden und dem Gesundheitszustand des jungen Mannes gibt.“
Was das Thema Eisbaden betrifft, gebe es Hinweise auf positive Effekte, etwa für Herz, Kreislauf, Immunsystem und Gehirn. Aber das Ganze sei nicht mehr als ein „Modehype“, betont Paal. Wer auf seine Gesundheit achten wolle, bekomme es deutlich einfacher: „Regelmäßige Bewegung, Ernährung ohne hochverarbeitete Lebensmittel und regelmäßiger Schlaf sind deutlich effektiver als Eisbäder.“ Sonst hauptsächlich im Büro zu sitzen und zu glauben, sich mit Eisbädern fit halten zu können, sei „Blödsinn“.
Wer dem Trend aber dennoch folgen wolle, solle ein paar Mindestvoraussetzungen beachten: „Eisbaden sollte man nur in Begleitung von in dieser Hinsicht erfahrenen Menschen.“ Wer schon Herzkreislaufprobleme hat, soll gar nicht oder nur nach Absprache mit einem Arzt ins Eiswasser gehen.
Kein Jungbrunnen
Primarius Peter Paal empfiehlt auch allen, die sich gesund fühlen, einen Check: „Es kann jemand unter ihm gar nicht bekannten Vorerkrankungen leiden, die dann bei solchen Extremsituationen zum Problem werden.“ Ein Jungbrunnen, wie vielfach verheißen, sei das Bad in eisigen Wasser jedenfalls nicht: „Danach suchen die Menschen schon seit Jahrtausenden, aber den gibt es nicht.“