Der Himmel ist an diesem Dezembertag tiefblau, die strahlende Sonne taucht das Hochplateau rund um Semriach in ein warmes Licht. Marlena Martinelli öffnet die Tür zu ihrem schmucken Einfamilienhaus und tut es der Sonne gleich – sie strahlt.

Strahlen wird die Schlagersängerin wohl auch am Heiligen Abend, wenn sie im Kreise ihrer ganzen Familie, daheim am elterlichen Hof, Weihnachten feiert. Ein ganz besonderes Weihnachten, denn die Mutter eines Sohnes hat ihr schönstes Geschenk in diesem Jahr bereits bekommen – ihr Leben.

Eine Rückblende: Am 10. Juli dieses Jahres hat sich das Leben der 45-Jährigen von einer Sekunde auf die andere dramatisch verändert. „Ich habe plötzlich einen Stich im Genick gespürt und im ersten Moment an eine Verspannung gedacht“, erinnert sich Martinelli im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Aber dann wurden die Schmerzen immer stärker. „Ich konnte plötzlich nicht mehr stehen und keinen Schritt mehr machen.“

Dramatische Momente, alleine im Haus

Es waren dramatische Momente. Martinellis langjähriger Lebensgefährte Manfred – er ist Teil der bekannten Band „Die Edlseer“ – und ihr Sohn Marko waren unterwegs. Eine alarmierte Freundin rief die Rettung. „Ich glaube, ich habe einen Bandscheibenvorfall, habe ich dem Sanitäter damals gesagt“, schildert die Sängerin. Aber spätestens als der Sanitäter einen Hubschrauber anforderte, war allen klar – es ist kein Bandscheibenvorfall.

Porträt Marlena Martinelli und im Gespräch mit Thomas Plauder, 8102 Semriach, am 10.12. 2025.
Marlena Martinelli im Gespräch mit Kleine-Zeitung-Redakteur Thomas Plauder © Alexander Danner

Ab diesem Augenblick fehlen Marlena Martinelli alle Erinnerungen. Sie war zwar auch im Spital noch bei Bewusstsein, kann sich aber an nichts mehr erinnern. Auch nicht an das letzte Telefongespräch mit Manfred, kurz vor der ersten Operation. Da stand die lebensbedrohliche Diagnose bereits fest. Ein Aneurysma im Kopf war geplatzt und hatte eine Gehirnblutung verursacht. Das habe sie ihrer Familie mitgeteilt und auch, dass sie es vielleicht nicht überleben werde, versehen mit der Bitte, ihren geplanten Auftritt am nächsten Tag abzusagen. Marlena Martinellis Stimme stockt kurz.

Ihr Leben hing in diesem Augenblick am sprichwörtlichen seidenen Faden. Zwei Wochen lag sie danach im künstlichen Tiefschlaf, zwei weitere in der Intensivstation. „Extrem viele Träume“ habe sie im Tiefschlaf gehabt, berichtet die Schlagersängerin – und einen ständigen Begleiter. „Mein Papa, der 2023 verstorben ist, war da. Er hat immer mit mir geredet. Ich glaube, er war mein Schutzengel“, sagt Martinelli. Und sie erinnert sich auch an seine letzten Worte, das war in der Aufwachphase. „So, der Marko wartet schon auf dich“, hat er zu mir gesagt, erzählt Martinelli. „Gehst du nicht mit?, habe ich gefragt. Und er hat geantwortet: Nein, ich kann nicht mitgehen.“

Marlena Martinelli geht zurück ins Leben

Aber sie ging – zurück ins Leben. Und wie sie ging und noch immer geht. Voller Elan, voller Lebensfreude. „Ich bin sehr fleißig, seit ich wieder daheim bin, gab es keinen einzigen Tag, an dem ich nicht meine Runde gegangen bin. Natürlich werde ich dabei immer von irgendjemandem begleitet“, erzählt Martinelli und ihr Stolz über das bereits Geleistete ist nicht zu überhören.

Porträt Marlena Martinelli und im Gespräch mit Thomas Plauder, 8102 Semriach, am 10.12. 2025.
Weihnachten, daheim in Semriach, das ist für Marlena Martinelli immer etwas ganz Besonderes. © Alexander Danner

Denn nichts war selbstverständlich, nach diesem 10. Juli. Marlena Martinelli konnte nicht schlucken: „Sie konnte nicht einmal den Löffel halten“, sagt ihr Lebensgefährte Manfred, der sich mittlerweile dazugesellt hat und mit dem sie seit 27 Jahren gemeinsam durchs Leben geht. Sie konnte anfangs nicht sitzen, nicht einmal den Kopf halten, nicht gehen, nur leise sprechen und was am schlimmsten war – sie konnte nicht singen. „Aber ich habe immer gewusst, ich will zurück auf die Bühne“, sagt die Sängerin, die auf einem Bauernhof in Semriach aufgewachsen ist und die mit ihren drei Geschwistern und ihrem Vater schon früh Familienmusik machte.

Im März will sie zurück auf die Bühne

In den letzten fünf Monaten vollbrachte sie ihr ganz persönliches Wunder. „Wie schnell ich Fortschritte gemacht habe, das ist schon fast wie ein Wunder“, freut sich Martinelli. Und auf noch etwas freut sie sich: Im Februar soll ein neues Lied erscheinen. Ein Lied, das sich damit beschäftigt, dass man das Leben genießen und nichts aufschieben soll. Und am 19. März, will sie im Rahmen einer Musikreise auch wieder auf die Bühne zurückkehren. Wer das Energiebündel und diese Frohnatur sieht, ihr aufmerksam zuhört, sie mit all ihrer Lebenslust erlebt, der weiß – auch das wird sie schaffen

Ein ganz spezieller Abend

Und deshalb wird sie am Heiligen Abend gemeinsam mit ihrer gesamten Familie, mit Manfred und Marko, mit ihren beiden Schwestern, ihrem Bruder, den Nichten und Neffen und mit ihrer Mutter vor dem Christbaum sitzen und dankbar sein. Sie wird diesen Abend genießen, sie wird Tränen vergießen, gemeinsam mit ihren Liebsten singen und musizieren und das traditionelle Gulasch, das es jedes Jahr gibt, genießen. Und sie wird an ihren Papa denken, der diese Heiligen Abende liebte und der sie auf ihrem wohl schwersten Weg begleitet hat.