Man kann das jetzt sehen, wie man möchte. Entweder als undankbare Aufgabe, um die im Augenblick kein Politiker zu beneiden ist. Oder aber als Chance auf eine Richtungsentscheidung für die zukünftige Klimapolitik. Richtig ist bis zu einem gewissen Grad und je nach Perspektive wahrscheinlich beides. Die Rede ist von der laufenden Diskussion, wie die Staaten das Wiederanspringen der Wirtschaft unterstützen sollen – und wie sie es speziell mit Blick auf die ökologischen Notwendigkeiten der Zukunft nicht tun sollen. Einer der Knackpunkte dabei ist die Frage, ob es denn mit dem langsamen Nachlassen des globalen Corona-Würgegriffs geboten und sinnvoll ist, mit öffentlichen Mitteln die Nachfrage nach neuen Autos anzukurbeln und den Airlines beim Post-Corona-Takeoff mit Steuermillionen unter die Flügel zu greifen. Tausende Arbeitsplätze in diesen Branchen stehen Millionen Tonnen Treibhausgasen gegenüber, die aus diesen Sektoren jedes Jahr in die Luft gehen.

Wachsende Kritik am Verschrotten

Soll es also etwa eine Neuauflage der Verschrottungsprämien geben, wie sie vor einem Jahrzehnt im Sog der großen Wirtschaftskrise all jenen gewährt wurden, die ihre gebrauchten Autos einstampfen ließen und sich stattdessen neue zulegten? Die deutsche Regierung, in dieser Frage wohl Taktgeber in Europa, hat sich entschieden. Und zwar dazu, sich vorerst nicht zu entscheiden. Bei einem Gipfel mit den großen Autobauern legte sich Kanzlerin Angela Merkel vergangene Woche fest, dass es eine Festlegung in dieser Frage nicht vor dem Juni geben werde. Das Zögern dürfte auch damit zusammenhängen, dass inzwischen nicht nur Umweltschutzorganisationen, sondern auch immer mehr unabhängige Experten von Universitäten, Wirtschaftsforschungsinstituten und staatlichen Stellen wie dem deutschen Umweltbundesamt mahnen, eine breit angelegte Kaufprämie für Neuwagen sei ökologisch und ökonomisch unsinnig. Zum einen würde eine solche öffentliche Unterstützung funktionstüchtige Fahrzeuge zu Wegwerfprodukten machen, was ressourcentechnisch einer Farce gleichkäme. Umfasst die Prämie, wie von der Autobranche in Deutschland und Österreich vehement gefordert, auch den Kauf moderner Diesel- und Benzinautos, prolongiert sie zum anderen ein klimapolitisches Problem auf Jahre. Das bleibt auch dann so, wenn der staatliche Zuschuss auf Vorschlag der österreichischen Fahrzeugindustrie „Ökoprämie“ getauft wird und wenn Branchenvertreter Kritikern per Aussendung „Kontrollverlust“ vorwerfen.

Fatale Bilanz des Verkehrssektors

Tatsache bleibt: Der Verkehrssektor weist eine fatale Treibhausgasbilanz auf und ist hauptverantwortlich für Österreichs mangelndes klimapolitisches Vorankommen. Die CO2-Emissionen auf den Straßen zwischen Vorarlberg und dem Burgenland sind seit 1990 um fast drei Viertel gewachsen, wie aus den offiziellen Inventuren hervorgeht. Vorabberechnungen für das vergangene Jahr seitens Eurostat weisen für Österreichs Treibhausgasbilanz zudem abermals einen Emissionsanstieg von 2,8 Prozent aus, während Europa insgesamt um 4,3 Prozent weniger Treibhausgase verursacht haben dürfte. Wird diese Entwicklung nicht rasch und deutlich nach unten korrigiert, wird die Republik ihre Klimaverpflichtungen ein weiteres Mal verpassen. Neben der internationalen Blamage wären verpflichtende Zertifikatsnachkäufe im Milliardenwert die Folge. So könnte die absurde Situation entstehen, dass Österreich erst Millionen an Steuergeld aufbringt, um wieder Autos auf die Straßen zu bekommen, und wenige Jahre später Milliarden ausgeben muss, um die dadurch verursachten Klimafolgen zu kompensieren.

So haben sich die Treibhausgas-Emissionen der einzelnen Sektoren in Österreich seit 1990 entwickelt (Quelle: Umweltbundesamt)
So haben sich die Treibhausgas-Emissionen der einzelnen Sektoren in Österreich seit 1990 entwickelt (Quelle: Umweltbundesamt) © Umweltbundesamt

Viel Geld, das dem Klima freilich mehr helfen würde, wenn man es vorab in CO2-Vermeidung investierte. Geschieht das weltweit nicht, wären die Folgen schon binnen Jahrzehnten massiv. So haben niederländische Wissenschaftler anhand von Datenbanken die bevorzugten Siedlungsräume der Menschen in aller Welt mit den klimatischen Bedingungen in diesen Regionen verglichen. Eines der Ergebnisse: Die Bevölkerungsdichten weisen Spitzen in jenen Gebieten auf, in denen Jahresdurchschnittstemperaturen von 11 bis 15 Grad beziehungsweise 20 bis 25 Grad herrschen. Diese Verteilung, so die Forscher, habe sich über die vergangenen 6000 Jahre kaum geändert und sei so etwas wie die „klimatische Nische“, in der sich Menschen wohlfühlen und siedeln. Aus den Modellierungen im 5. Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) ergibt sich nun aber: Wächst der weltweite Treibhausgasausstoß ungebremst weiter, werden sich binnen 50 Jahren die Gebiete mit Durchschnittstemperaturen von mehr als 29 Grad von derzeit 0,8 Prozent der globalen Landfläche auf 19 Prozent ausdehnen. Betroffen wäre der Siedlungsraum von 3,5 Milliarden Menschen, die damit aus der menschlichen Klimanische fallen und stattdessen saharaartige Bedingungen vorfinden würden. Die Folgen wären kaum zu überblicken.

Die Zeit gegenzusteuern schmilzt. Ganz aufgebraucht ist sie zum Glück noch nicht.

--------

Wenn Sie regelmäßig über die Themen Umwelt und Klima auf dem Laufenden gehalten werden möchten, abonnieren Sie unseren kostenlosen Klima-Newsletter: