Just der Jurist, den man vertrauensvoll beauftragt, veruntreut Gelder der Klienten. Das ist Steirern mit einer Grazer Juristin im Jahr 2019 passiert, die mittlerweile Ex-Anwältin ist. Umfang: rund 1 Million Euro.

Die Ex-Anwältin stand am Montag wegen Untreue vor dem Straflandesgericht in Graz – und sie zeigte sich umfassend geständig. In 16 von 17 Fällen gab sie zu, sich an Klientengeldern vergriffen zu haben. Die Angeklagte führte als Motiv eine finanzielle Notlage in Folge einer Scheidung an. "Es tut mir unheimlich leid."

"Das ist schon ein enormer Schaden. Das schadet dem Ansehen des gesamten Rechtsanwaltsstands", betonte Richter Erik Nauta.
Verurteilt wurde die Frau zu drei Jahren Haft, davon ein Jahr unbedingt (nicht rechtskräftig).

Treuhand-Gelder

Die Frau war fast zweieinhalb Jahrzehnte lang als Anwältin, teils in einer Kanzlei zusammen mit ihrem Ex-Mann, tätig und hatte eigenen Angaben zufolge einen guten Ruf. Doch dann kam es zur Trennung von ihrem Mann, der gewalttätig gewesen sein soll. Es folgte ein jahrelanger Scheidungskrieg und ihr Ex soll ihr für die gemeinsamen fünf Kinder keinen Unterhalt gezahlt haben. Sie eröffnete eine eigene Kanzlei und versuchte damit über die Runden zu kommen, doch als es sich nicht mehr ausging, kam ihr die Idee, die treuhändig übergebenen Gelder ihrer Klienten zu nehmen, führte Staatsanwältin Anika Maierhofer aus.

2019 flog alles auf, als die Loch-auf-Loch-zu-Taktik nicht mehr funktionierte und die Rechtsanwaltskammer eine Anzeige erstattete. Drei Tage später erstattete die Angeklagte auch eine Selbstanzeige, ein Schuldenregulierungsverfahren wurde eröffnet. Die über eine Million Euro, die ihre Klienten forderten, wurden vom sogenannten Notfallfonds der Rechtsanwaltskammer gedeckt, in den alle steirischen Anwälte einzahlen. Damit wurden zwar alle Ansprüche der Opfern abgegolten, doch die Kammer will das Geld zurückerstreiten.

Rückblende 2019: So flog der Fall auf

In Summe hat es sich um einen Schaden im Bereich von einer Million Euro gedreht. Mehrere Klienten waren betroffen, bestätigte die Präsidentin der Rechtsanwaltskammer, Gabriele Krenn 2019 gegenüber der Kleinen Zeitung, die den Fall enthüllte. Was der Anwältechefin aber damals besonders wichtig war: "Wir haben alle Klienten umgehend entschädigt."

Und weiter: Das Krisenmanagement habe gut funktioniert. Am 6. August 2019 hatte die Anwaltskammer von dem Fall erfahren, am 9. August die Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts der Veruntreuung der Staatsanwaltschaft übermittelt. Die Entschädigung der Opfer wurde sofort in die Wege geleitet. Krenn unterstreicht: "Diese Dame ist nun Ex-Anwältin."

Dass der Fall nicht eher publik geworden war, lag wohl daran, dass die Branche und ihre Standesvertretung kein Interesse haben, mit Kriminalfällen im eigenen Bereich in die Schlagzeilen zu kommen. Doch die Absicherung ihrer Klienten für den Notfall lassen sich die 579 steirischen Anwälte auch etwas kosten. Sie sorgen vor und zahlen nebst ihren Kammerbeiträgen auch jährlich 136 Euro – in Summe also 78.744 Euro im Jahr – in einen Notfallsfonds ein. Gedeckelt ist dieser mit 1,158 Millionen Euro. Ist diese Höchsteinlage erreicht, zahlen die Anwälte vorerst nicht weiter ein.

Schaden von einer Million Euro ist "schmerzhaft"

Die Million Euro, die nun an Geschädigte ausbezahlt wurde, sei durchaus "schmerzhaft", so Krenn. Bei der Plenarversammlung der Anwaltskammer vor drei Jahren berichtete die Präsidentin über den Fall. Der Beitrag für den Notfallsfonds soll übrigens trotz der jüngsten Auszahlung nicht erhöht werden.

Dass für Steirer der Weg zum Anwalt sicher ist, betont Krenn ausdrücklich: Es gebe eine Haftpflichtversicherung für juristische "Kunstfehler", den Notfallsfonds und als zweites Netz auch eine Versicherung gegen Schäden für den Fall der Veruntreuung von Klientengeldern. Damit aber Kunden sich nicht mit Versicherungsfragen auseinandersetzen müssten, begleiche man Schäden aus dem Fonds.