An nächtliche Lkw-Zustellungen von eher sperrigen Gütern hat sich Graz durchaus schon gewöhnt. Zu den spektakulärsten Einsätzen gehörte dabei jener 70-Meter-Sondertransport, der im Frühjahr 2018 ein ausrangiertes Flugzeug per Millimeterarbeit huckepack ablieferte – auf dass der Jet fortan als Restaurant auf dem Dach des Hotels Novapark dient. Doch auch die nächtliche Übergabe einer Straßenbahngarnitur hat Graz schon erlebt, etwa im November 2009 bei den damals neuen Variobahnen.

Am morgigen Montag ist es wieder so weit: Passiert nichts Überraschendes mehr, wird die allererste „Flexity“-Garnitur von der Firma Alstom früh am Morgen per Lkw zugestellt, bestätigt man auf Anfrage der Kleinen Zeitung. Konkret kommt das Modell, welches fortan das Grazer Stadtbild prägen und den öffentlichen Verkehr modernisieren soll, in der Remise 3 in Eggenberg an. Um gleich in den Folgetagen auf Herz und Nieren und Ledersitze überprüft zu werden. „Wir werden diese Garnitur nicht nur in unserer Werkstatt testen, sondern auch im realen Schienennetz. Halt vorwiegend in den späten Abend- und Nachtstunden, um den regulären Betrieb möglichst wenig zu stören“, verrät Gerald Zaczek-Pichler, Sprecher der Graz-Linien. Er bestätigt auch, dass es die zweite fertiggestellte Flexity-Garnitur ist. Nummer eins, von den Wiener Linien in der Werkstatt getestet, verbleibt als Prototyp vorerst bei der Firma Alstom in Wien-Donaustadt.

In Wien wurde die Grazer Garnitur bereits für den Transport verladen
In Wien wurde die Grazer Garnitur bereits für den Transport verladen © KK

Graz hat 31 Garnituren bestellt

Dort hat das französische Unternehmen, seit der Übernahme von Bombardier weltweit gar das zweitgrößte Bahntechnikunternehmen, seine österreichische Produktionsstätte. Und dorthin pilgerte heuer im Mai eine Grazer Abordnung, um zu sehen, wie deren Auftrag umgesetzt wird: Immerhin haben Stadt und Holding Graz bei Alstom mittlerweile 31 Flexity-Garnituren geordert – die erste Tranche über 15 Modelle um 75 Millionen Euro (inklusive langfristiger Wartungsverträge), die zweite Investition über 74 Millionen Euro beinhaltete 16 weitere Alstom-Bims und acht Gelenkbusse.

Beim Besuch der Grazer im Mai war das erste Modell für die Murmetropole so gut wie fertig – und erlaubte Einblicke in jene Ausstattung, die künftig Grazer Passagiere vorfinden. An dieser Bestückung habe sich nichts geändert, betont nun Holding-Graz-Vorstand Mark Perz. In diesem Sinne zur Erinnerung: Die  33,81 Meter lange Flexity-Garnitur wird bis zu 200 Passagiere aufnehmen (60 davon auch sitzend), bei der Variobahn sind es zum Vergleich maximal 145 Fahrgäste. Von außen betrachtet, betrifft die markanteste Neuerung die länglichen Lichtquellen an den Türen: Leuchten diese grün, kann man noch einsteigen – bei rot hingegen lohnt sich ein Hinrennen nicht mehr, da die Tür bald schließt.

Edle Ledersitze in den neuen Garnituren: zu riskant?
Edle Ledersitze in den neuen Garnituren: zu riskant? © Saria

Die Ausstattung

Zur auffälligsten Ausstattung im Inneren gehören mit Sicherheit die braunen Ledersitze. der Flexity. Genau genommen ist es ein Material, das auch aus Recycling-Lederfasern besteht. Schön und gut – aber auch ein wenig riskant im Bimalltag, oder? Nein, betont man bei Alstom: In anderen Städten habe sich gezeigt, dass nach der Installation von Lederauflagen der Vandalismus zurückgegangen sei; womöglich sprechen sie das Ehrgefühl der Passagiere an. Und: Jene sechs Ladestationen, in welche Grazer Passagiere ihre Handys zum kabellosen Aufladen klemmen können, sei gar eine Weltpremiere.

Leuchten die Türen außen grün, können Fahrgäste fortan noch einsteigen; leuchten sie rot, lohnt sich das Hinrennen nicht mehr, da die Türen bald schließen
Leuchten die Türen außen grün, können Fahrgäste fortan noch einsteigen; leuchten sie rot, lohnt sich das Hinrennen nicht mehr, da die Türen bald schließen © Saria

Wann genau können nun Fahrgäste in die Flexity-Garnitur einsteigen? Der Start der neuen Grazer Tramlinie kommt jedenfalls noch zu früh, denn nach den erforderlichen Tests auf dem Weg zur Betriebsgenehmigung – und dem grünen Licht durch das Land Steiermark – hofft man auf erste Ausfahrten in Graz im Frühjahr 2026. Und dann zuerst wohl auf den Strecken der Linien 4 und 7, hatte im Perz heuer im Sommer verraten.