Es waren keine Jubelmeldungen, die Standort + Markt (S+M) und der Österreichische Handelsverband am Dienstag zu verkünden hatten. Präsentiert wurden die jüngsten Daten, die die Experten von S+M zum Innenstadthandel in Österreichs Städten akribisch erhoben haben. Die Shopflächen in den zwanzig größten Städte des Landes und jene in 16 ausgewählten Kleinstädten werden dafür jährlich unter die Lupe genommen. Fazit: Der Leerstand ist zwar generell ein wenig zurückgegangen. Allerdings sinkt auch der Anteil der Flächen, die überhaupt für den Einzelhandel genutzt werden. Erfreulich aus Grazer Sicht: Das Zentrum der Landeshauptstadt schneidet bei manchen Kennzahlen überdurchschnittlich gut ab.
„Die Grazer Innenstadt steht relativ stabil da“, fasst Hannes Linder, Geschäftsführer von S+M die Ergebnisse zusammen. Aus seiner Sicht positiv: Graz wächst, mit K&Ö habe man zudem einen wichtigen Player im Zentrum, der für laufende Frequenz sorgt. „Wenn der Kern stabil ist und es dort wurlt, blühen auch angrenzende Randlagen auf“, so Lindner. Diese Entwicklung sieht er etwa in der Mariahilferstraße, am Südtirolerplatz und im innenstadtnahen Abschnitt der Annenstraße. Schaut man sich die Zahlen im Detail an, gibt es freilich auch in Graz Licht und Schatten. Die wichtigsten Kennzahlen:
Shopflächen: Nach der Mariahilfer Straße und der Wiener City ist die Grazer City das größte Einzelhandelsensemble Österreichs, das untersucht wird. 168.500 Quadratmeter Geschäftsflächen stehen zur Verfügung, wobei auch die Annenstraße und das Umfeld des Kunsthauses mitgezählt werden. Generell gehen die Shopflächen in Österreichs Städten zurück. Von den Einzelhandelsflächen, die es vor zehn Jahren in Graz gab, werden mittlerweile 7,7 Prozent als Büros, Arztpraxen oder anderweitig genutzt. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten hat sich diese Entwicklung in Graz im Vorjahr allerdings stabilisiert. Sogar in der Bekleidungsbranche, seit Jahren eines der Sorgenkinder in den Innenstädten, ist diesmal ein kleines Plus bei den Quadratmetern zu vermelden.
Leerstand: 3,2 Prozent der Geschäftsflächen im Grazer Zentrum standen im Vorjahr längerfristig leer. Dazu kommen noch 1,1 Prozent, die gerade umgebaut werden und aktuell nicht zur Verfügung stehen. Beide Werte zusammengerechnet, schneidet Graz deutlich besser ab als der Durchschnitt der untersuchten Städte und Einzelhandelsensembles. Nur Mödling, die Meidlinger Hauptstraße in Wien, Feldkirch und Dornbirn liegen besser. „Wenn Shopflächen verloren gehen und auch noch der Leerstand steigt, nagt das an der Attraktivität der Innenstädte, weil es für den Besucher immer weniger zu erleben gibt“, unterstreicht Lindner.
Fluktuation: 12,1 Prozent der Geschäfte in der Grazer City wurden im Vorjahr neu übernommen, damit liegt die Landeshauptstadt knapp besser als der Durchschnitt. Innsbruck und Klagenfurt verzeichnen 15 Prozent, in der A-Lage von Eisenstadt sind es gar 20 Prozent. „Man sieht da schon, dass bei vielen Einzelkämpfern die Luft draußen ist und sie nicht mehr können oder nicht mehr wollen“, so Lindner.
Sinkende Umsätze und enorme Kostensteigerung
Das ist ein Befund, den Erwin Sacher, Vorstand des Vereins „Echt Graz – Gemeinschaftsaktion Innenstadt“, wo sich Innenstadthändler und Gastronomen vernetzen, teilt. „Enorme Kostensteigerungen bei Personal und Energie und sinkende Umsätze das ist eine teuflische Kombination“, hält er fest. Um das Ruder herumzureißen, wünscht er sich „positives Marketing“ und ein Ende des politischen Hickhacks beim Thema Verkehr. „Die Baustelle in der Neutorgasse wird vorübergehen. Statt ständig darüber zu reden, sollte man den Leuten vermitteln, wie sie gut in die Stadt kommen“, unterstreicht er. Aus seiner Sicht ebenfalls kontraproduktiv: Die Streichung vieler Parkplätze. „50 Prozent der Umsätze gehen auf das Konto von Menschen, die von außerhalb nach Graz kommen. Auch sie müssen sich in der Stadt willkommen fühlen“, so Sacher.
Auch Wirtschaftsstadtrat Günter Riegler (ÖVP) verweist darauf, dass viele Betriebe in der Innenstadt trotz der auf den ersten Blick positiven Zahlen ums Überleben kämpfen – und wird weiterhin nicht müde, Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) schlechtes Baustellenmanagement vorzuwerfen. Die Ausweitung der Baustellenförderung verbucht er als Erfolg. „Das reicht aber nicht. Es bräuchte zusätzliche Maßnahmen, zum Beispiel eine Öffi-Freifahrt an Einkaufssamstagen oder vergünstigte Parktickets für Kunden“, so Riegler. Ideen gebe es genug, die Förderung der Wirtschaft habe für die Rathauskoalition aber keine Priorität, bemängelt der Stadtrat.