Es tropft, es plätschert, es rinnt. Am Dachstein herrscht Frühlingstauwetter – mitten im Sommer. Heuer ist die Schneeschmelze besonders stark. Je weiter man von der Bergstation zum Gletscher hinuntergeht, desto mehr schwimmt der Weg unter den Füßen davon. „Am Nachmittag geht da ein richtiger Bach runter“, weiß Alexander Seebacher, Betriebsleiter der Dachstein Gletscherbahn.

Diese starke Schneeschmelze katapultiert einen Prozess, den Forscherinnen für weitaus später prognostiziert haben, in das Hier und Jetzt: die Trennung von Schladminger Gletscher und Hallstätter Gletscher. Gemeinsam formen sie das charakteristische Gletscherplateau, das den Besuchern ab dem Gondelausstieg zu Füßen liegt. Am Gjadsteinsattel nördlich der Bergstation trafen sie sich bisher, das ist nun sehr bald Geschichte.

In zwei bis vier Wochen vorbei

Noch hängen sie am wahrhaftig seidenen Faden zusammen, ein laut Seebacher rund sieben Meter breites und eineinhalb Meter tiefes Schneeband. „In zwei bis vier Wochen“, schätzt der Dachstein-Betriebsleiter, wird diese Verbindung gänzlich schneefrei sein. Und schroffe Felsen freigeben.

Eine noch nie dagewesene Situation: „Vergangenes Jahr hatten wir an dieser Stelle noch 30 Meter Breite und zwei Meter mehr in der Höhe.“ Grund ist der geringe Schneefall: „Heuer waren es nur zwei Meter, sonst sind es immer acht bis zehn.“ Dieser Schnee schützte bisher den Gletscher: „Er ist daher heuer bereits einen Monat früher als normal ausgeapert“, weiß Seebacher. Die ans Licht gekommenen Felsen wirken wie Wärmespeicher und beschleunigen den Prozess.

Aus für Loipe

Das Ende einer 3500 Jahre lang andauernden Gletscherehe (siehe Faktbox) ist auch das Aus für den Gletscherweg zur Seethalerhütte, zumindest einmal im Sommer. Die Planai-Bahnen präparieren den Schneeweg, der viele – auch schlecht ausgestattete – Besucherinnen und Besucher sicher über Eis und Gletscherspalten leitet.

THEMENBILD - Gletscherschmelze. Im Bild ein Arbeiter, der ein auf einem Holzpfahl befestigtes Schild mit der Aufschrift Hier endet das gesicherte Skigebiet ins Eis rammt, während Schmelzwasser aus dem Boden spritzt. Aufgenommen am 07.08.2025 auf dem Dachstein-Gletscher, Steiermark, Österreich (Austria). 
Fotocredit: Martin Huber
„Ende des gesicherten Skigebiets“ – ein Planai-Mitarbeiter rammt die Tafel im betroffenen Gebiet in das Eis © Martin Huber

„Wenn das Schneeband geschmolzen ist, kommen wir mit dem Pistengerät nicht mehr über die Felsen“, erklärt Seebacher. Was das bedeutet, weiß der Ramsauer Bergführer Hans Prugger, der das Dachsteinmassiv wie seine Westentasche kennt: „In Zukunft kommt man dann nur mehr mit Steigeisen weiter. Das ist blankes Eis. Normale Touristen können da nicht mehr gehen.“

Herausforderung für Seethalerhütte

Das stellt das neue Pächter-Ehepaar der Seethalerhütte, Yvonne und Alexander Moser, vor große Herausforderungen. „Wenn keine Präparierung mehr möglich ist, müssen wir uns überlegen, ob und wie wir weitertun.“ Muss doch die gesamte Versorgung von Lebensmitteln über Wasser bis hin zum Abwasser mit Fahrzeugen über den Gletscherweg transportiert werden.

„Mit so einer Dynamik haben wir nicht gerechnet“, zeigt sich auch Planai-Chef Georg Bliem überrascht. „Als ich die aktuellen Messergebnisse vom Gletscher bekommen habe, hat es mich einmal auf den Hintern gesetzt.“ Seither ist man mit dem Alpenverein als Wegehalter und den Österreichischen Bundesforsten als Grundbesitzer in Kontakt, um eine Lösung zu finden – „es gibt aber noch keine“. Kurzfristig kann anhaltender Schneefall ab Herbst helfen, „dann könnten wir über die Felsen eine Rampe bauen“, ergänzt Betriebsleiter Seebacher. Aber längerfristig wird diese Gletscherehe auch über den Winter nicht mehr gekittet werden können.