Das Wetter spielt steirischen Schwammerlsuchern derzeit voll in die Hände. Es gibt eine derartige Pilzschwemme, dass sogar "Blindgänger", die sonst bei der Schwammerljagd wie das berühmte Männlein verloren im Walde stehen, mit gut gefüllten Körben die Heimreise antreten. Kann man also von einem außerordentlich guten Schwammerljahr 2022 sprechen? Mitnichten. "Die Niederschläge in den letzten Wochen nach einer längeren Trockenphase und die kühleren Temperaturen, die die Feuchtigkeit nicht so schnell vertrocknen lassen, sorgten zuletzt in den meisten Regionen der Steiermark tatsächlich für sehr viele Pilze", erklärt Gernot Friebes, Kurator für die pilzkundliche Sammlung im Studienzentrum Naturkunde am Joanneum.

Der 30-Jährige muss es nicht nur als Mykologe, sondern auch als Teil der Interessengemeinschaft "Arbeitskreis heimische Pilze" wissen. "Dennoch war es über das ganze Jahr betrachtet eine eher durchwachsene Saison", findet der gebürtige Salzburger. Nach einem guten Start von April bis Frühsommer kamen Hitzewellen und es gab praktisch keinen Niederschlag, "Juli und August waren insgesamt sehr schwach, wenn es auch natürlich stets lokale Ausreißer gibt, wo man doch fündig wird".
Mit Septemberbeginn hat die aktuell noch anhaltende Schwammerlschwemme begonnen. Eierschwammerl oder Krause Glucke fühlen sich etwa im Nadelwald pudelwohl. In Laubwäldern sind Steinpilze und Parasol zu finden. Wobei mit Letzterem stets eine eindringliche Warnung des Pilzexperten einhergeht: "Bitte sammeln und kochen Sie nur Pilze, die sie hundertprozentig kennen und zuordnen können", warnt Friebes. Hat doch der Parasol einen giftigen Doppelgänger: Die meisten tödlichen Pilzvergiftungen in Mitteleuropa gehen laut Studie auf den Grünen Knollenblätterpilz zurück.

Schon der Verzehr von 50 Gramm eines Pilzfruchtkörpers kann tödlich enden. Denn die darin enthaltenen lebergiftigen Amatoxine verursachen ohne medizinische Versorgung ein mehrfaches Organversagen. Wie also unterscheiden? "Beim Parasol ist der Ring am Stil verschiebbar, die Oberfläche schaut wie eine Schlangenhaut aus." Der Parasol lässt sich übrigens auch auf Wiesen, Lichtungen und neben Straßen blicken, "er ist von der Ökologie her eine nicht sehr anspruchsvolle Art."

Geheimniskrämerei herrscht unter eifrigen Sammlern (Vorsicht! Höchstens zwei Kilo pro Tag und pro Person sind erlaubt. Und dies auch nur in Wäldern, in denen es der Besitzer erlaubt), wenn es um die besten Plätze geht. Stimmt es tatsächlich, dass es Platzerln gibt, wo jedes Jahr reiche Ernte garantiert ist? "Bei einigen Arten gilt das schon. Bei Eierschwammerln oder Steinpilzen beispielsweise ist die Chance, dass sich am selben Standort im nächsten Jahr wieder Fruchtkörper bilden, groß", so Friebes. Wie immer gilt: Die Rahmenbedingungen müssen dennoch passen, sonst huscht nichts aus der Erde.

Wie rasch sich ein Pilz der Öffentlichkeit zeigt, ist unterschiedlich. Regnet’s heute, braucht ein Steinpilz ein, zwei Wochen, bis das startet. "Viel schneller ist der Knoblauchschwindling, er benötigt im Optimalfall nur einen Tag", erklärt der Mykologe. Sagt’s, und findet im Unterholz den nächsten Täubling.