Wie brutal digitale Hetze sein kann, hat ein 22-jähriger Südsteirer miterlebt. Der junge Mann, der mit dem Schulmassaker von Graz am 10. Juni 2025 nichts zu tun hatte, wurde im Netz fälschlich zum Täter erklärt – wegen einer Namensähnlichkeit mit dem tatsächlichen Amokläufer.

Tausende Nachrichten, darunter Morddrohungen, diffamierende Bilder, Postings mit seinem Foto und dem vollen Namen – der 22-Jährige wurde öffentlich an den Pranger gestellt. Jetzt zieht er Konsequenzen: Mit seinem Anwalt Michael Rami hat er 15 bis 20 Personen wegen übler Nachrede verklagt – viele weitere sollen folgen. „Die Behauptung, mein Mandant sei der Amokläufer von Graz, ist der schlimmste nur erdenkliche Vorwurf. Jeder, der das verbreitet hat, wird mit der vollen Härte des Gesetzes verfolgt“, stellt Rami klar.

Falscher Vorwurf: „Mehrfacher Kindermörder“

Einige der nun geklagten Personen hatten den Namen und das Foto des jungen Steirers unter Klarnamen auf Plattformen wie Facebook und TikTok verbreitet – und ihn damit als angeblichen „Mehrfachmörder von Kindern“ dargestellt. Dabei war bekannt, dass der tatsächliche Täter sich nach der Bluttat im Schulgebäude das Leben genommen hatte – der Südsteirer konnte allein deshalb nicht der Täter sein. Doch Logik und Fakten hielten die Hasswelle nicht auf. „Dass Menschen solche Anschuldigungen ohne jede Prüfung weiterverbreiten, ist erschreckend“, so Rami.

Hohe Strafen und Entschädigungen möglich

Die Betroffenen könnten nicht nur strafrechtlich, sondern auch finanziell zur Rechenschaft gezogen werden. Denn laut Mediengesetz gelten Facebook- oder TikTok-Profile als eigene Medienkanäle. Wird jemand wegen übler Nachrede verurteilt, drohen bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafen bis zu 720 Tagessätzen. Zusätzlich stehen dem Mann Entschädigungen bis zu 100.000 Euro zu, je nach Schwere der Auswirkungen. „Gefordert wird Bestrafung, Entschädigung und eine Urteilsveröffentlichung“, erklärt Anwalt Michael Rami. Das Ziel: Öffentliche Richtigstellung – und abschreckende Wirkung.

Hass-Kommentare – von Akademiker bis Pensionist

Die bislang Beklagten stammen laut dem Juristen aus allen Alters- und Berufsgruppen. Ein 66-jähriger Pensionist, ein Projektmanager mit Uniabschluss – die Bandbreite sei groß. Nur in einem Fall wurde die Klage zurückgezogen: Ein 86-jähriger Vorarlberger, der glaubhaft versichern konnte, nichts mit dem fraglichen Facebook-Posting zu tun zu haben. „Er hat nur ein Senioren-Handy und wusste nicht einmal, was Facebook ist“, so Rami. Das habe überzeugend gewirkt.

Die Kanzlei will nun auch gegen anonyme Poster vorgehen – etwa über Plattformbetreiber und IP-Adressen. Das Ziel: Jeden einzelnen zur Verantwortung ziehen, der den jungen Mann öffentlich diffamiert hat. „Mein Mandant wurde öffentlich zur Zielscheibe gemacht – wir werden das nicht hinnehmen.“