Nach dem verpatzten Weltcup-Wochenende in Kranjska Gora mit einem Ausfall im Slalom und Platz vier im Riesentorlauf bleib auch für Alexis Pinturault nur wenig Zeit, um in seinem Altenmarkter Domizil die Wunden lecken; eine Nacht sogar nur. Schon am Montag ging es im Jet seines Kopfsponsors in die Schweiz; denn Pinturault will sich auch auf die Abfahrt wagen. Im Kampf um die große Kugel gegen den Ansturm des jungen Schweizer Marco Odermatt zählt jeder Punkt. 31 Zähler Differenz sind es derzeit.

Dabei kann das Wetter durchaus in die Hände des 29-Jährigen aus Courchvel spielen. Denn die Abfahrt gilt im Normalfall eher als Odermatts Revier; fällt sie aus, hat der 23-Jährige ein Rennen weniger, um den Kampf zu seinen Gunsten zu drehen. Deshalb kitzeln beide die letzten Reserven aus dem Tank - und das heißt für Pinturault: Start in allen Disziplinen. Sein Idealszenario wäre es, schon am Samstag alles zu fixieren. Dann, wenn er im Riesentorlauf nicht nur die 25 aufgerissenen Punkte Rückstand auf Odermatt wett macht, sondern an seinem 30. Geburtstag auch Vorsprung in der Gesamtwertung hat. Dann kann er den Slalom entspannt und als neuer Gesamtweltcupsieger in Angriff nehmen, denn den lässt Odermatt aus. Sagte er zumindest ...

Damit Pinturualt als erster französischer Weltcup-Gesamtsieger seit Luc Alphand 1997 Skirennsportgeschichte schreiben kann, braucht er all seine Reserven, das Gehean an und über die physischen Grenzen und die passende Erholung mit richtiger Physiotherapie. Diese Aufgabe nimmt im kompetenten Trainer-, Betreuer- und Serviceteam des Franzosen ein ehemaliger Spitzensportler ein: der Steirer Andreas Mitterfellner.

Als „Ippon-Andi“ hat sich der gebürtige Pölser auf den Judomatten mit zwei Militärweltmeistertiteln, zwei EM-Bronzemedaillen, mehreren Weltcup-Podesträngen und acht österreichischen Staatsmeistertiteln weltweit einen Namen gemacht. Erfolgreich hat er sich nach seinem Karriereende vor zehn Jahren in die Berufswelt eingefügt und ist seit acht Jahren als selbständiger Physiotherapeut, Athletic Coach, Personal Trainer und Ernährungscoach tätig. Sein Credo: "In meiner Arbeit betrachte ich den Menschen als Individuum - und genauso individuell sollte jede Therapie, jedes Training, jedes Coaching ablaufen."

Alexis Pinturault jubelt mit dem Team - mit dabei: Andreas "Ippon-Andi" Mitterfellner (rechts, hinter Pinturaults Frau Romane)
Alexis Pinturault jubelt mit dem Team - mit dabei: Andreas "Ippon-Andi" Mitterfellner (rechts, hinter Pinturaults Frau Romane) © Red Bull Conten Pool/Tirolfoto

Die Zusammenarbeit mit Pinturault hat bereits in der Saison 2019/2020 begonnen und ist von Erfolg gekrönt. Seither hat Mitterfellner dem Franzosen nämlich schon zahlreiche "Wehwehchen"  therapiert. Bei allen Weltcuprennen über die Saison wie auch im "Winterquartier" Pinturaults in Altenmarkt nach den zahlreichen Trainingstagen und -fahrten auf der Reiteralm sieht man ihn an der Seite des Franzosen. Auf der Tagesordnung stehen Mobilitäts- und Athletiktraining sowie unterschiedliche Therapien.

Aber natürlich kommt auch der Spaß nicht zu kurz, zur Ablenkung wird zusammen Karten oder Monopoly gespielt. Wie zuletzt bei der Weltmeisterschaft in Cortina d'Ampezzo steht für die Therapien im Bedarfsfall ein perfekt ausgestatteter VW Crafter in unmittelbarer Nähe des Zielbereiches parat um "Feuerwehr" spielen zu können.

Sprachbarrieren gibt es nicht. Denn Pinturault will immer Deutsch sprechen und verbessert sich Tag für Tag. Mitterfellner wiederum hat in Französisch maturiert, wenn es schnell gehen muss, wird einfach auf Englisch gewechselt. „Es gibt innerhalb des Teams ein respektvolles Miteinander. Cool ist, dass keiner im Vordergrund steht und es läuft auch immer wieder der Schmäh“, schwärmt Mitterfellner. Die Chemie stimmt jedenfalls, die Gesprächsthemen gehen oft über den Skisport hinaus.

Nicht zuletzt ist der Judosport oft Thema, gilt Frankreich doch hinter Japan alsdie Judo-Nation. Und selbstverständlich  hat es auch schon ein "Judo-Einführungstraining"für den Ski-Star gegeben, eigener Kimono für Alexis samt Bestickung inklusive. "Gut" habe er sich dabei angestellt, hört man. Aber viel ist nicht zu erfahren. Das "Athletes Special Programme" seines Getränkesponsors, das vom Ex-ÖSV-Trainer Robert Trenkwalder koordiniert wird, legt Wert auf Diskretion. So viel weiß man noch: Neben Mitterfellner arbeitet vor allem Martin Hager, der einst schon Lindsey Vonn im Konditionstraining unter seinen Fittichen hatte, mit Pinturalt. 

Auf die Tugenden des ehemaligen Judoka greift übrigens nicht nur der eventuell in wenigen Tagen zum besten Skifahrer der Saison gekürten Franzosen zurück. Seit einigen Saisonen darf Mitterfellner auch die österreichischen Bundesliga-Schiedsrichter und die UEFA-Unparteiischen zu seinen Kunden zählen. Dementsprechend legt Mitterfellner nach dem Weltcupwinter nicht nur in seiner Praxis in Salzburg wieder kräftig Hand an  - es gilt, sich auch auf die bevorstehende Fußball-EM-Endrunde vorzubereiten. Läuft alles planmäßig, wird er dann von Anfang Juni bis Anfang Julimit Europas Top-Schiedsrichtern in Istanbul Quartier beziehen.