Wie hat sich Ihnen dieses 81. Hahnenkamm-Rennen mit all seinen Turbulenzen angenähert?
HARTI WEIRATHER: Es war eine ständige Achterbahn der Gefühle, ab Sommer. Wir haben uns bis Ende August entscheiden müssen, ob wir den „Kitz Race Club“ (das VIP-Zelt, Anm.), gewissermaßen ein kleines, temporäres Hotel, machen oder nicht. Wir verzichteten, das hat sich als richtig herausgestellt. Auch sonst war es ein ständiges Auf und Ab, mit neuer Dimension nach den Fällen in Jochberg. Gott sei Dank hat sich das als bei Weitem nicht so dramatisch herausgestellt. Jetzt heißt es: volle Konzentration auf den Sport. Darf ich diesbezüglich etwas anmerken?

Bitte.
HARTI WEIRATHER: Es sollen keine Leute herkommen. Bitte nicht. Die Menschen sollen es sich zu Hause vor dem Fernseher gemütlich machen. Wir wissen um die Gefahr, dass ein paar Unverbesserliche Party machen und diese Bilder um die Welt gehen könnten. Das braucht wirklich niemand.

Weil Sie den „Kitz Race Club“ als kleines, temporäres Hotel bezeichnen: Was kostet der Aufbau?
HARTI WEIRATHER: Zahlen nenne ich keine. Nur so viel: Ich habe 1984 in Wängle bei Reutte ein 50-Betten-Hotel mit Restaurant, Wellness und Tennisplätzen gebaut. Als wir den „Race Club“ erstmals projektiert haben, hat das mehr gekostet als das Hotel. Damals dachte ich: Das ist Irrsinn. Du baust ein Hotel für drei Tage.

Und doch ist der Irrsinn Realität geworden – und in der Regel nicht mehr wegzudenken?
HARTI WEIRATHER: Das hat natürlich mit der Positionierung zu tun. Die Hahnenkammrennen wollen im Skisport das sein, was Wimbledon im Tennis oder Monte Carlo in der Formel 1 ist. Um das zu sein, muss man den Partnern eine entsprechende Bühne bieten. Wir betrachten das als Gesamtkunstwerk, der „Kitz Race Club“ ist wichtiger Baustein.

Wie hat man heuer versucht, aus der Not noch eine Tugend zu machen?
HARTI WEIRATHER: Als klar war, dass es sich mit Zuschauern nicht ausgehen wird, haben wir den Blick offensiv nach vor gerichtet und sind etwa mit A1 die Idee eines Applausometers angegangen.

Applausometer?
HARTI WEIRATHER: Der steht im Zielraum und sieht aus wie ein überdimensionales Handy. Tausende Menschen können via App applaudieren, die Ausschläge sind auf einer Säule sichtbar. Egal ob pfeifen, klatschen, johlen: Hauptsache, laut. Dazu haben wir quasi ein elektronisches Starthaus kreiert, wo wir Informationen, Videos oder Sponsoren großflächig ins Bild setzen können. Solche kreativen Dinge helfen dabei, um aus dem emotionalen Tief rauszurobben.

Ihre Firma (WWP/Weirather-Wenzel & Partner, Anm.) ist global tätig. Wie gehen Sie mit diesen fordernden Zeiten um?
HARTI WEIRATHER: Auch für unsere Branche ist es extrem herausfordernd, ja richtig mühsam. Vor Sommer rechne ich nur stufenweise mit einer Entspannung.

Apropos Sommer: Da sind u. a. eine Fußball-EM in elf Ländern und Olympia in Tokio geplant. Wie realistisch ist das?
HARTI WEIRATHER: Bezüglich der Euro in elf Ländern bin ich skeptischer als bei den Spielen. Bis zum Sommer sollte sich aber einiges zum Positiven verändern. Einerseits wird die Durchdringung der Impfung voranschreiten, die Temperaturen werden helfen und Schnelltests noch einfacher werden. Leute im Stadion sind für mich nur vorstellbar, wenn jeder Besucher beim Eingang getestet wird und das Ergebnis in derselben Sekunde feststeht.

Können Sie sich derlei Großevents ohne Fans vorstellen?
HARTI WEIRATHER: Inzwischen kann man sich leider sehr viel vorstellen. Und es gibt Unterschiede. Ich war etwa von der heurigen MotoGP-Saison derart gefesselt, dass mir die fehlenden Fans kaum aufgefallen sind. Auch der Skisport ist eine äußerst telegene Sportart. Fußball hingegen ist eine andere Baustelle. Vor allem in großen Stadien, wo Fans dazugehören. Anfänglich habe ich geglaubt, es ist eine andere Sportart. Das tut extrem weh.

Wenn wir noch kurz beim Fußball bleiben. Zu Ihrem Kundenstock zählen Kaliber wie Real Madrid, FC Barcelona, Borussia Dortmund und andere. Welche Entwicklung hat die Coronakrise in Gang gesetzt?
HARTI WEIRATHER: Allein aus dem Gesichtspunkt, dass die Zuschauer wegfallen, ist das eine wirtschaftliche Gratwanderung – irre, Wahnsinn. Ganz zu schweigen von den Langzeitfolgen. Die Zäsur ist schon im Gange. Ich denke, die Zeiten, als sich ein Klub von irgendwelchen Managern wegen Spielergehältern hat erpressen lassen, gehören der Geschichte an. Es kann ja nicht sein, dass Vereine 700, 800 Millionen Umsatz im Jahr haben und dabei 200 Millionen Miese machen.

Kehren wir noch einmal nach Kitzbühel zurück. Auf der Streif werden Helden geboren, aber auch manche Karriere beendet.
HARTI WEIRATHER: Absolut. Aber gerade darin liegt der Reiz für die Läufer, an die Grenzen zu gehen. Ich vergleiche das mit einem Freeclimber, der ohne Sicherung Wände durchsteigt. Ein Krampf in den Fingern kann da schon ein Todesurteil sein. Ganz so krass ist es nicht auf der Streif, aber es ist schon unglaublich, was manche Athleten riskieren.

Und pünktlich zu Kitzbühel kocht das Sicherheitsthema neu auf. Ihre Meinung dazu?
HARTI WEIRATHER: Der Schuh ist wie ein Gips, praktisch ohne Dämpfung, für mich ganz klar das größte Übel. Ich verstehe auch nicht, warum es keine Einheitsanzüge gibt –aus einem vorgeschriebenen, dickeren Stoff. Die Interessen der nationalen Verbände sind nicht auf einen Nenner zu bringen. Die FIS muss einschreiten.