Viel Geld schienen Sportjournalisten in den Siebziger Jahren nicht verdient zu haben, zumindest nicht in Israel. Pini Zahavi jedenfalls hatte es schnell satt, ständig irgendwelchen wichtigen Leuten hinterherzutelefonieren, um ein paar lesenswerte Geschichten zu produzieren, die ihm ein oder zwei private Urlaubsreisen im Jahr ermöglichten. Das war nicht sein Ding.

"Ich will nicht für den Rest meines Lebens ein armer Reporter sein", soll er einmal während seiner Zeit bei der israelischen Tageszeitung Hadashot gesagt haben.

In einer Beschäftigung in dem Betrieb seines Vaters, einem Metallhandel in einem Vorort von Tel Aviv, sah er keine Chance auf Reichtum. Er, von Kindesbeinen an ein Fußballfanatiker, wollte dem runden Leder auf andere Weise treu bleiben. An einen Durchbruch als Berater, die es damals sowieso kaum gab, dachte er noch nicht. Er verstand aber, dass ein breites Netzwerk im internationalen Fußball ihm früher oder später noch nützlich sein könnte.

"Warum schaut ihr euch nicht einen israelischen Fußballer an?"

Die WM 1974 in Deutschland war die perfekte Gelegenheit für ihn, Kontakte außerhalb von Israel zu knüpfen. Der damals 31-Jährige lernte bei dem Turnier viele Spieler, Trainer und Manager persönlich kennen. Vor allem aus England, denn Spanisch, Italienisch, Französisch und Deutsch sprach Zahavi entweder nicht besonders gut oder überhaupt nicht. Das bewog ihn in den folgenden Jahren dazu, hin und wieder Interviewtermine auf der Insel zu arrangieren.

1979 war sein Kontaktbuch so voll, dass er alle vier Wochen nach Großbritannien reiste. Einmal, kurz vor einem Rückflug von London nach Tel Aviv, traf er eine kluge Entscheidung, die sein Leben für immer veränderte.

"Ich steckte am Heathrow-Flughafen fest, weil ein Sturm über London tobte", erzählte Zahavi. Als er in der Businesslounge Platz nahm, erkannte er plötzlich Peter Robinson, den damaligen Vorstandsvorsitzenden des FC Liverpool. "Ich bin einfach zu ihm hin, habe mich vorgestellt und angefangen mit ihm über Fußball zu plaudern", berichtete er. Es war zunächst ein harmloser Plausch, nicht mehr als Smalltalk. Dann aber fragte der Journalist den Liverpool-Boss: "Wie wär's, warum schaut ihr euch nicht einen guten israelischen Fußballer an?"

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In den Neunzigern begann Pini Zahavis große Zeit

Zahavi hatte das Glück, dass Scouting für viele damals noch ein Fremdwort war und Robinson nicht den Verantwortlichen im englischen Fußball angehörte, die Transfers von ausländischen Spielern skeptisch gegenüberstanden.

Avi Cohen, der von Zahavi angepriesene Kicker, wurde wenige Wochen später tatsächlich zu einem Probetraining an der Mersey eingeladen, für brauchbar befunden und für umgerechnet 216.000 Euro verpflichtet. Es war der Beginn einer Weltkarriere - nicht von Cohen, sondern von Zahavi, der seine erste Provision kassierte und auf den Geschmack kam.

"Der Cohen-Wechsel hat mir gezeigt, wie viel Geld im Fußball steckt", sagte er. Seine große Zeit begann in den Neunzigern, in denen er zwei Transfers von weiteren Israelis in die Premier League einfädelte. Ronny Rosenthal landete 1990 in Liverpool, Eyal Berkovic 1996 erst in Southampton und 1997 bei West Ham. Durch Berkovic lernte Zahavi bei einer Trainingseinheit der "Hammers" einen gewissen Rio Ferdinand kennen.

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Rio Ferdinand machte Pini Zahavi zum Millionär

Erzählungen zufolge musste er den hochbegabten Innenverteidiger gar nicht überzeugen, sich von ihm beraten zu lassen. Ferdinand soll Zahavi darum gebeten haben. Der Youngster sei der Ansicht gewesen, ein ausländischer Ansprechpartner würde ihm zu größerem sportlichen Erfolg sowie zu höherem finanziellen Wohlstand verhelfen als ein englischer. Keine schlechte Entscheidung: Zahavi transferierte Ferdinand erst zu Leeds United, dann zu Manchester United.

Allein an Ablösesummen kostete Ferdinand 72 Millionen Euro. Zahavi verdiente kräftig mit. Für die beiden Deals kassierte er erstmals einen sechsstelligen Betrag. Er war Millionär. Endlich. Tatsächlich ging es jetzt aber erst richtig für ihn los.

Sein Verhandlungsgeschick hatte sich längst auch auf anderen Kontinenten herumgesprochen. Als Unterhändler eines argentinischen Beraters brachte er mit Juan Sebastian Veron einen weiteren Topstar für knapp 43 Millionen Euro von Lazio Rom zu Manchester United. Später lotste er Carlos Tevez und Javier Mascherano, zwei weitere Argentinier, im Doppelpack zu West Ham.

Mehr Kontakte als ein Außenminister

Sir Alex Ferguson, der Teammanager der Red Devils, sollte ihn Jahre später mit den Worten adeln, Zahavi habe "mehr Kontakte als Henry Kissinger", der ehemalige Außenminister der USA. Mit "Fergie" schloss der Agent über die Jahre eine enge Freundschaft.

"Sein Aufstieg repräsentiert die Evolution des Fußballs zu einem globalen Geschäft", schrieb einmal die Financial Times . Tatsächlich profitierte Zahavi wie kein anderer vom Ablösewahnsinn in der Premier League zu Beginn des Jahrtausends, genauso wie von der Investitionswut russischer Oligarchen.

Schon 1998 vermittelten ihn ein paar Geschäftsmänner aus Russland an Roman Abramowitsch, den er fünf Jahre später während eines Helikopterflugs über die Stamford Bridge von einem Kauf des zu jener Zeit klammen FC Chelsea überzeugen sollte.

Fortan gehörte Zahavi automatisch dem "inner circle" von Abramowtisch an und hatte bei nahezu allen Transfers der Blues seine Finger im Spiel. Mal mehr, mal weniger legal. 2006 koordinierte er zum Beispiel die umstrittene Verpflichtung von Ashley Cole, die für reichlich Kritik sorgte, weil Chelsea ohne Arsenals Zustimmung mit dem noch langfristig bei den Gunners unter Vertrag stehenden Cole verhandelte.

Ein Regelverstoß, den Arsenal bei der FA hinterlegte. Am Ende schaltete sich sogar die FIFA ein und entzog Coles Berater Jonathan Barnett für ein Jahr die Lizenz. Zahavi kam natürlich ungeschoren davon. Er sei weder ein Anhänger von Cole noch habe er "offiziell Chelsea vertreten", beschwichtigte er.

Dubiose Machenschaften bei Chelsea und Portsmouth

Auch beim FC Portsmouth ging Zahavi viele Jahre lang ein und aus. Er brachte nicht nur diverse Spieler vom israelischen Topklub Maccabi Haifa an der englischen Südküste unter, er wickelte auch den Verkauf des Klubs an Alexandre Gaydamak ab.

Ein Freundschaftsdienst für dessen Vater Arcadi, israelischer Milliardär sowjetischer Abstammung und Besitzer von Beitar Jerusalem, der einst aus Frankreich fliehen musste, weil gegen ihn ein internationaler Haftbefehl wegen Waffenschmuggels erlassen wurde.

Mit Avram Grant installierte Zahavi zwischenzeitlichen einen weiteren Vertrauten als technischen Direktor bei Portsmouth. Beide sind bis heute eng befreundet. "Pini hat sich seinen Erfolg mit all seiner Akribie, Ehrlichkeit und Professionalität erarbeitet", sagt der 65-Jährige im Gespräch mit SPOX und Goal . "Sonst wäre er nicht überall so gut vernetzt, sonst würden ihm nicht so viele Stars vertrauen."

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Der Neymar-Deal brachte Zahavi angeblich zwölf Millionen ein

Stars wie der Brasilianer Neymar, dem Zahavi 2017 seinen 222 Millionen Euro schweren Wechsel zu Paris Saint-Germain durch ein paar Telefonate ermöglichte, oder die Bayern-Profis Robert Lewandowski und David Alaba, die ihn für Vertragsgespräche anheuerten.

Zahavis Expertise wird, obwohl er mittlerweile schon 77 ist, geschätzt. Er gilt als Agent, der die Interessen seiner Klienten knallhart durchboxt. Noch mehr als "moderne" Koryphäen der Beraterszene wie Mino Raiola, Jorge Mendes oder Fali Ramadani. Dafür lässt er sich fürstlich entlohnen. Allein der Neymar-Deal soll ihm zwölf Millionen Euro eingebracht haben.

Bei den Bayern, die in Corona-Zeiten umso mehr um ein vergleichsweise gesundes Gehaltsgefüge bemüht sind, kommen Zahavis Verhandlungsmethoden nicht sonderlich gut an. Karl-Heinz Rummenigge haderte schon im Juli, die Forderungen im Alaba-Poker seien zu hoch, während Uli Hoeneß nun im Sport1 -Doppelpass schimpfte, Zahavi sei "ein geldgieriger Piranha", der in aller Dreistigkeit eine Beratergage im zweistelligen Millionenbereich aufrufe, sollte Alaba seinen 2021 auslaufenden Vertrag verlängern.

Ärger mit dem FC Bayern: "Uli Hoeneß kennt mich gar nicht"

Der Gescholtene dementierte dies und erinnerte Hoeneß freundlich daran, ihn bislang erst einmal persönlich getroffen zu haben. "Wir haben nie gesprochen, er kennt mich nicht - wie kann er solche Dinge über mich sagen?", wunderte sich Zahavi in der Bild -Zeitung über das Verhalten des Münchner Ehrenpräsidenten. Dabei verwies er auf die zahlreichen Verhandlungen, die er bereits führte. Er habe in seiner Laufbahn "nie" für Probleme gesorgt.

Eine Aussage, die nicht ganz der Wahrheit entspricht. Zahavi war nachweislich in so manchem Premier-League-Skandal wie ebenjenem Cole-Transfer oder auch Portsmouths zwischenzeitlichem Sturz in die Insolvenz verwickelt, darüber hinaus wurden ihm illegale Schmiergeldzahlungen und dubiose Firmenbeteiligungen nachgesagt.

Dass er bis heute nicht für seine Vergehen belangt worden ist und sich weiter als "Saubermann" geben kann, liegt unter anderem daran, dass seine Spieleragentur in Israel registriert ist und sich dadurch der Gerichtsbarkeit anderer europäischer Fußballverbände entzieht.

Wer ist Pini Zahavi? "Ein echter Gentleman"

Wer also ist Zahavi? Ein geldgieriger Geschäftsmann mit dem Hang zum Bösewicht, ohne Moral und Skrupel? Oder doch ein tüchtiger Ex-Journalist, der dank seines Riechers für Profit zum mächtigsten Akteur der Branche aufstieg?

Sein Freund Grant sagt zu SPOX und Goal : "Sie finden kaum einen warmherzigeren Menschen in dieser Branche. Pini ist ein echter Gentleman." Auch der Guardian beschreibt ihn als "freundlich, humorvoll, aufrichtig und bescheiden". Ähnlich Cohen, Zahavis erster Klient: "Er will kein Star sein, deswegen hält er sich zurück. Die Leute wissen gar nicht, wie er wirklich ist."

Zahavi selbst meinte einmal: "Ich habe sehr gute Verbindungen, weil ich nie jemanden im Stich lasse und nie mit Tricks spiele. Ich interessiere mich nur für Fußball, Fußball, Fußball. So einfach ist das."