In New Orleans, Louisiana, ging 1982 der Stern von Michael Jordan auf. Der damalige Freshman entschied für North Carolina das NCAA-Championship-Game mit einem butterweichen Sprungwurf. Aus Mike Jordan wurde Michael Jordan, wie die Bulls-Legende es selbst in der Doku The Last Dance beschrieb.

Unter den Zuschauern befand sich auch ein gewisser Sonny Vaccaro, damals Vertreter von Nike, unter anderem Ausrüster von Georgetown. Vaccaro war begeistert von Jordan, obwohl letztlich James Worthy (später Los Angeles Lakers) den Award des Most Outstanding Players bekam.

Dennoch fühlte sich Vaccaro vor allem zu Jordan hingezogen, der athletisch war, den wichtigsten Wurf im Spiel traf und mit seinem charismatischen Lächeln die Leute um ihn herum in seinen Bann ziehen konnte. Von da an stand für Vaccaro fest: Nike braucht Michael Jordan, koste es, was es wolle.

© imago images

Sonny Vaccaro: Die Aura eines Mafiosos

Mit Nike kam Vaccaro im Jahr 1977 ins Geschäft. Der damals 38-Jährige hatte zuvor sein Geld vornehmlich mit Wetten in Las Vegas verdient, wonach sich der viermalige Familienvater von seiner Frau getrennt hatte. Zuvor arbeitete Vaccaro als Lehrer in Pennsylvania sowie Ohio und richtete auch einige hochkarätige Jugend-Turniere aus.

Nike war zu dieser Zeit keine große Nummer, der Sportartikelhersteller verdiente sein Geld vornehmlich mit Leichtathletik. Ein Agent empfahl dem Unternehmen aus Oregon aber Vaccaro, der einen Sandalen-ähnlichen Basketballschuh verkaufen wollte. Das Produkt interessierte die Bosse allerdings wenig, stattdessen faszinierte sie die Person Vaccaro.

Mit ihm schwang immer ein wenig die Aura eines Mafiosos mit, Grund genug für Nike, zunächst zu überprüfen, ob Vaccaro in rechtlichen Schwierigkeiten war. Wie sich herausstellte, besaß Vaccaro eine weiße Weste und wurde folgerichtig angestellt.

Sonny Vaccaro rüstet College-Teams für Nike aus

Nike wollte in die NBA investieren, wovon Vaccaro jedoch abriet. Er sah im populäreren College-Basketball mehr Potenzial und sollte damit Recht behalten. Das Problem war jedoch die NCAA und ihr striktes Reglement, dass Spieler keine Geschenke erhalten oder Sponsorenverträge unterzeichnen durften.

Vaccaro und Rob Strasser, Nikes Marketing-Direktor, hatten jedoch eine geniale wie simple Lösung. Nike wollte die Coaches bezahlen, während die Studenten dafür kostenlose Schuhe bekommen sollten. Ein weiteres Lockmittel waren Lehrgänge für Coaches und Spieler, die unter dem Schirm von Nike stattfinden sollten. Vaccaro sollte damit die besten Programme im Land anlocken, dafür stellte ihm Nike einen Scheck über 20.000 Dollar aus.

Innerhalb von einem Jahr hatte Nike zehn der besten Unis des Landes unter Vertrag, dazu finanzierte der Ausrüster ein hochklassiges All-Star-Turnier von High Schoolern. Es dauerte aber nicht lange, da wurde die Washington Post auf diese Masche aufmerksam, es hagelte negative Presse. Allerdings: Auch Konkurrent Converse hatte ähnliche Methoden angewendet und UNC-Coach Dean Smith bezahlt. Converse zog sich aufgrund der Schlagzeilen zurück, Vaccaro stieß dagegen in das Vakuum und hatte 1979 bereits über 50 Coaches am Haken.

Nike war mit dieser Strategie ein Coup gelungen und fühlte sich spätestens dann bestätigt, als Sport's Illustrated einen Spieler von Indiana State mit der Nummer 33 auf seinem Cover hatte. Sein Name: Larry Bird, sein Schuhwerk: von Nike.

Twitter

Sonny Vaccaro: All-In für Michael Jordan

Mit Jordan sollte es sich aber fünf Jahre später schwieriger gestalten. Converse rüstete weiterhin Smith und North Carolinas Tar Heels aus, zudem hielt Jordan wenig von Nike und trug mit Ausnahme von Spielen stets seine bevorzugten adidas.

Nikes Verantwortliche waren jedoch nur bedingt überzeugt. Sie erteilten Vaccaro den Auftrag, mehrere junge Spieler aus dem kommenden Draft wie Charles Barkley, Hakeem Olajuwon oder John Stockton zu verpflichten, doch Vaccaro entgegnete: "Wir sollten das komplette Geld, das wir haben, in Michael investieren."

Nach einiger Zeit stimmten die Bosse zu, die zwei Millionen Dollar Budget sollten für Jordan genutzt werden. Am Rande der Olympischen Spiele in Los Angeles begannen dann die Verhandlungen mit Jordans Agenten David Falk, der nach kurzer Zeit eine einfache Idee für den Namen des möglichen Sub-Labels fand: Air Jordan.

Es war komplettes Neuland, nicht einmal NBA-Spieler hatten zu dieser Zeit einen eigenen Schuh. Doch Jordan zögerte, er wollte lieber einen Deal mit adidas. Parallel verhandelte Falk auch mit den Deutschen und Converse, aber es stellte sich schnell heraus, dass Nikes Angebot um Lichtjahre besser war. Nicht nur bot das Unternehmen mit dem Swoosh 2,5 Millionen Dollar für fünf Jahre, sondern Jordan sollte auch noch 25 Prozent des Erlöses von jedem verkauften Schuh erhalten.

Jordan war dennoch nicht überzeugt, erst auf Drängen seiner Mutter flog der gerade erst Gedraftete nach Portland zur Unterschrift, welcher auch Nike-Boss Phil Knight beiwohnte. Nach der Präsentation fragte Deloris Jordan verwundert: "Sie setzen also ihre komplette Zukunft auf eine Karte, meinen Sohn?" und Vaccaro antwortete. "Wenn Michael nicht unterschreibt, werden wir untergehen."

Sonny Vaccaro: Ikone der Jugend-Turniere

Air Jordan ging durch die Decke, Nike entwickelte sich zu einem globalen Player, selbst als Vaccaro 1991 vom Unternehmen gefeuert wurde. Der Dealmaker hatte sich in der Zwischenzeit ein weiteres Standbein aufgebaut, er organisierte wie in alten Zeiten hochkarätige Jugend-Turniere. Nach seiner Entlassung wechselte Vaccaro zu adidas und kümmerte sich dort um das Scouting von künftigen Klienten.

Vaccaro war durch seine Camps wie das ABCD Camp oder das Dapper Dan Roundball Classic bestens vernetzt. Stars wie Vince Carter, Tracy McGrady, Patrick Ewing oder Stephon Marbury wurde bei diesen Turnieren erst richtig bekannt.

Durch seine Camps hatte Vaccaro in einer Zeit ohne Social Media einen enormen Informationsvorsprung und diesen machte er sich zu Nutzen. Er sah früher als alle anderen einen 15-jährigen Kobe Bryant, unter anderem weil er bereits 1972 Kobes Vater, Joe "Jellybean" Bryant zu einem seiner Camps eingeladen hatte. Vaccaro setzte schnell alle Hebel in Bewegung, um den Youngster für das deutsche Unternehmen zu gewinnen. "Dieser Junge wird einer der besten Spieler aller Zeiten", sagte Vaccaro schon damals.

Twitter

Sonny Vaccaro: Ein Bluff bringt Kobe Bryant zu den Los Angeles Lakers

Bevor Nike eine Chance hatte, unterschrieb Kobe für jährlich 1,5 Millionen Dollar. Doch das war nicht alles. Vaccaro wusste, dass sich Lakers-GM Jerry West in den Teenager verliebt hatte, die Marketing-Möglichkeiten in L.A. waren größer als bei jedem anderen Team.

Doch es gab Probleme: Die New Jersey Nets an Position acht im Draft 1996 hatten das Potenzial ebenfalls erkannt, die Lakers hatten hingegen nur einen Deal mit Charlotte in der Schublade, um für Vlade Divac den 13. Pick zu bekommen. Und so fasste Vaccaro mit Kobes Agenten, Art Tellem, den Plan, dass Kobe drohen solle, niemals für New Jersey spielen zu wollen und lieber nach Italien zu gehen.

Der Bluff funktionierte, auch weil der damalige Nets-GM John Calipari sich bei seinem ersten Draft keinen Fehltritt erlauben konnte. Die Nets wählten schließlich Kerry Kittles, die Lakers bekamen in Kobe den Hauptgewinn, Vaccaro saß beim Draft sogar am Tisch der Bryant-Familie.

Sonny Vaccaro: Er holte LeBron James fast zu adidas

Auch den nächsten kommenden Superstar hatte Vaccaro vor den meisten anderen schnell ausgemacht, LeBron James. Nach LeBrons erstem High-School-Jahr stattete adidas dessen Team aus, der King spielte in seiner Schulzeit durchgehend mit adidas. Für Vaccaro war es einer seiner besten Deals, schließlich wurden LeBrons Spiele zu Events und liefen regelmäßig im nationalen Fernsehen.

James wurde zu einem Headliner für das ABCD-Camp 2001 in New Jersey, wo er unter anderem auch auf Top-Prospect Lenny Cooke traf und diesen nach allen Regeln der Kunst dominierte . Zu diesem Zeitpunkt waren längst die anderen großen Player auf das Wunderkind aus Ohio aufmerksam geworden, vor allem Vaccaros Ex-Arbeitgeber Nike und Reebok.

Reebok war gerade mit einem Angebot für Kobe gescheitert, der sich aus seinem adidas-Vertrag herauskaufte und stattdessen zu Nike wechselte. Das Kobe-Geld war nun für LeBron da und so bot Reebok 100 Millionen Dollar für zehn Jahre, eine unerhörte Summe für einen High-School-Spieler.

Vaccaro versprach LeBron, dass er gleichziehen könne und setzte alles daran, die Obrigkeiten in Herzogenaurach zu überzeugen, doch diesen war die Sache zu heiß geworden und sie gaben letztlich nur 66 Millionen frei. Vaccaro war dies gegenüber LeBron unglaublich peinlich und so kündigte er zwei Monate später.

Sonny Vaccaro: Keiner ist so gut vernetzt wie er

Derweil war auch Nike nicht gewillt, eine solche Summe zu zahlen, trotzdem hatten sie LeBrons Vertrauen gewonnen. Nike hatte James' Buddy Maverick Carter ein Praktikum verschafft, zudem wollte Jordan-Fan LeBron unbedingt den Swoosh tragen. Letztlich einigte man sich auf 77 Millionen für sieben Jahre, Reebok schaute erneut in die Röhre.

Um Vaccaro, den Sole Man, wie ihn ESPN später in einer Dokumentation nennen sollte, wurde es ruhiger. Nach vier Jahren bei Reebok zog er sich aus dem Schuhgeschäft zurück und widmete sich nun dem Kampf gegen die NCAA.

In einem Interview hatte Vaccaro sein Unverständnis geäußert, warum Talente überhaupt ans College gehen würden, obwohl sie keinen Cent dafür bekommen. Ein Youngster namens Brandon Jennings hörte dies und setzte sich mit Vaccaro in Kontakt, wenige Wochen später fädelte der inzwischen 69-Jährige einen Deal mit Lottomatica Rom ein, nachdem Vaccaro Jennings bei einem Turnier in Las Vegas Scouts aus aller Welt präsentiert hatte.

Mit seinen Kontakten hätte Vaccaro weiter ein wichtiger Player sein können, sein Resümee sprach ohnehin für sich. Inzwischen hat sich Vaccaro aber mit 80 Jahren weitestgehend zur Ruhe gesetzt, sein Vermächtnis wird bleiben. Niemand beeinflusste den Geldfluss für Jugendspieler so wie er, keiner hatte solch ein gutes Auge. Vaccaro revolutionierte mit seinem Methoden den Schuhmarkt - für immer.