Die Fans von Newcastle United sind es seit Jahren gewohnt, enttäuscht zu werden. Von dem seit 2007 amtierenden und fast genauso lange verhassten Besitzer Mike Ashley, der - so der gängige Vorwurf - viel zu wenig in die Mannschaft investiert hat und einen Verkauf des Klubs an ambitioniertere Investoren trotzdem stets abblockt. Und von den Spielern, die alle eigentlich viel zu schlecht für das große Newcastle sind. Die nicht um den Meistertitel spielen, sondern gegen den Abstieg kämpfen und diesen Kampf sogar alle paar Jahre verlieren.

Und dann enttäuschte die Fans zu allem Überfluss auch noch die "Great North Air Ambulance", die lokale Luftrettung. Es war am Dienstag, als ein grüner Helikopter nahe des Stadions St. James' Park landete und unter Newcastle-Fans in den sozialen Medien für Begeisterungsstürme sorgte. Hat es Ashley endlich getan und den Klub verkauft? Nein, hat er nicht. Noch nicht. Der Begeisterung wich Enttäuschung, als die "Great North Air Ambulance" bei Twitter verkündete , dass es sich bei dem "Saudi-grünen" Helikopter um ihren gehandelt habe.

Twitter

Warum die ganze Aufregung wegen eines Saudi-grünen Helikopters? Nun, ein Konsortium mit Saudi-Arabiens Staatsfonds PIF an der Spitze wird dem Sportartikel-Magnaten Ashley den Klub wohl demnächst abkaufen. Die Fans warten sehnsüchtig auf die Verkündung.

Newcastle United und die letzte Übernahme-Hürde

Übereinstimmenden englischen Medienberichten zufolge ist zwischen den alten und neuen Besitzern alles geklärt. Ashley soll bereits eine nicht rückzahlbare Anzahlung in Höhe von rund 20 Millionen Euro erhalten haben. Die letzte Hürde ist die Zustimmung der Premier League, die die Übernahmepläne seit Anfang April prüft. Laut eines Berichts des Guardian ist nächste Woche mit einer Entscheidung zu rechnen - und zwar mit einer positiven.

In diesem Fall würde der Verkauf des Klubs für rund 345 Millionen Euro mit sofortiger Wirkung abgeschlossen werden. Der neue Besitzer wäre ein drei Parteien umfassendes Konsortium: 80 Prozent gingen an PIF und je zehn Prozent an die Firma PCP Capital Partner der bestens vernetzten britischen Finanzmogulin Amanda Staveley sowie an die milliardenschwere Investmentgesellschaft Reuben Brothers.

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Amanda Staveleys Kontakte und Reubens Reichtümer

Eingefädelt hat den Übernahme-Versuch Staveley, die seit Jahren beste Kontakte in den Nahen Osten unterhält und bereits beim Verkauf von Manchester City an Scheich Mansour aus Abu Dhabi 2008 beteiligt war. Seit 2017 versucht Staveley in verschiedenen Konstellationen vergeblich, bei Newcastle an die Macht zu kommen.

Genau wie ihre Partner sieht sie großes Potenzial in diesem einst großen Klub (englischer Meister 1905, 1907, 1909 und 1927) mit seiner immer noch großen Anhängerschaft und dem immer noch großen Stadion (52.387 Plätze). "Der Klub versprüht Magie", sagte Staveley einmal der Times .

Reuben Brothers ist die Investmentgesellschaft der Reubens, mit einem Vermögen von rund 21 Milliarden Euro laut der 2019 Sunday Times Rich List die zweitreichste Familie Großbritanniens. In ihrem Portfolio befinden sich bereits etliche Besitztümer in und um Newcastle, unter anderem die Pferderennbahn Newcastle Racecourse. Reich wurden die Reubens vor allem durch Investitionen in den russischen Bergbau.

Newcastle United wäre Teil der "Vision 2030"

Sollte die Übernahme vollzogen werden, würden Staveley sowie der 33-jährige Reuben-Erbe Jamie Vorstandsposten im Klub bekommen. Zweiterer müsste dafür jedoch zunächst seinen derzeitigen Vorstandsposten beim Zweitligisten Queens Park Rangers aufgeben, an den er wegen freundschaftlicher Beziehungen zu deren Präsidenten Amit Bhatia gekommen war. Bei Newcastle würden Jamie Reuben und Staveley künftig unter Präsident Yasir Al-Rumayyan vom PIF, dem dritten Teil des Übernahme-Konsortiums, arbeiten.

PIF gilt als der weltweit größte und reichste Staatsfonds und verfügt angeblich über Vermögenswerte in Höhe von fast 300 Milliarden Euro. Ziel des PIF ist es, nach dem Vorbild anderer Golf-Staaten das stark angekratzte Image Saudi-Arabiens mit Investitionen in den Sport aufzupolieren.

Im Zuge der ausgerufenen "Vision 2030" wurden bereits das Box-Rematch zwischen Anthony Joshua und Andy Ruiz Jr. Anfang Dezember sowie der spanische und der italienische Fußball-Supercup für viel Geld nach Saudi-Arabien geholt. Ab 2023 soll es auch ein jährliches Formel-1-Rennen geben.

Menschenrechtsverletzungen und Internet-Piraterie?

Vorsitzender des PIF ist Kronprinz Mohammed bin Salman, aktueller Verteidigungsminister, stellvertretender Premierminister, Thronfolger - und eine äußerst umstrittene Person. Ihm werden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Unter anderem soll er bei der Ermordung des kritischen Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 eine Rolle gespielt haben. Aufgrund dessen übten Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International bereits scharfe Kritik an den Übernahme-Plänen.

Kritik gab es auch vom katarischen TV-Sender beIn SPORTS , der Übertragungsrechte an der Premier League hält. In einer geleakten E-Mail an die Liga und ihre Klubs forderte der TV-Sender diese auf, die Übernahme zu verweigern. Der Grund: Saudi-Arabien betreibe ein Internet-Piraterie-Netzwerk, das mittels beIn-SPORTS -Bilder im Internet illegal Fußballspiele streame.

Saudi-Arabien bildet seit 2017 eine Allianz mit einigen weiteren Golfstaaten, deren Ziel es ist, Katar wirtschaftlich zu schaden und in der Region zu isolieren. Der katarischen Regierung wird vorgeworfen, islamistische Terrorgruppen wie al-Qaida zu unterstützen.

Dass Amnesty International oder beIn SPORTS die Übernahme jedoch noch verhindern können, scheint fast ausgeschlossen - und auch die derzeitige Coronakrise kann den Plänen des Konsortiums nichts anhaben. So kurzfristige Entwicklungen wie ein Virus, das den Planeten für einige Monate lahmlegt, würden laut Staveley bei den großen Überlegungen keine Rolle spielen: "Es ist ein Langzeit-Investment."

Coutinho, Pochettino und weitere Spekulationen

Doch was sind die Pläne hinter dem Langzeit-Investment? Ziel der voraussichtlichen neuen Besitzer ist es, Newcastle zunächst an die englische und dann an die europäische Spitze zu führen. Neben Investitionen in das Trainingsgelände soll dafür natürlich auch die Profimannschaft verstärkt werden. Gehandelt werden bereits etliche prominenten Namen: Von C wie Coutinho, Philippe über K wie Koulibaly, Kalidou bis zurück zu C wie Cavani, Edinson. Konkrete Verhandlungen werden jedoch naturgemäß erst nach offizieller Verkündung der Übernahme stattfinden.

Auf dem Trainerposten wird sich offenbar erst einmal nichts tun. Der aktuelle Amtsinhaber Steve Bruce soll die Mannschaft wohl auf jeden Fall bis zum Saisonende betreuen, sofern die Saison denn beendet wird. Aktuell ist Newcastle Tabellen-13., der Vorsprung auf die Abstiegszone beträgt bei neun ausstehenden Spielen acht Punkte. Ab der neuen Saison könnte Bruce ein prominenterer Vertreter seiner Zunft nachfolgen. Laut Sky gilt der langjährige Tottenham-Hotspur-Trainer Mauricio Pochettino als Wunschkandidat.

Zunächst muss jedoch die Übernahme fixiert werden und der richtige Helikopter landen. "Wir bitten den Kronprinzen, vor seinem Einzug in den St. James' Park über eine Farbänderung nachzudenken, um Verwirrung zu verhindern", schrieb die "Great North Air Ambulance" dazu noch bei Twitter, garniert mit der Fahne Saudi-Arabiens und einem grünen Herz.