Als Daniil Medwedew nach der 3:6-6:7-3:6-Finalniederlage gegen Novak Djokovic bei den US Open das Mikrofon ergriff, sagte er: "Meine Karriere fühlt sich nicht schlecht an, ich habe 20 Turniere gewonnen. Aber er hat 24 Grand-Slam-Titel. Das ist unglaublich." Mit dem Triumph in Flushing Meadows schloss der Serbe zur Australierin Margaret Court auf, die ebenfalls 24 Major-Turnier für sich entschied.

Einmal mehr hat der Weltranglistenerste eindrucksvoll abgeliefert. Zwischen seinem ersten Grand-Slam-Titel bei den Australian Open 2008 und jetzt liegen fast 16 Jahre. Ein Zeitraum, in dem er unzählige Rekorde aufgestellt hat. Und das, obwohl in dieser Ära auch Roger Federer und Rafael Nadal für Furore sorgten. Aber Djokovic steht noch immer ganz oben, trotz aller Avancen der "Jugend", ihn vom Thron zu stoßen. Nach dem Wimbledon-Triumph von Carlos Alcaraz glaubten viele an ein Ende des Siegeszuges von Djokovic. Es kam wieder einmal anders. "Wenn du ihm sagst, dass er etwas nicht kann, dann zeigt er dir, dass er es sehr wohl kann", erklärt sein Trainer Goran Ivanisevic den unbändigen Antrieb des Belgraders.

Neben all der sportlichen Sonderklasse sticht nämlich eine Eigenschaft hervor: die mentale Stärke. Auch gegen Medwedew spielte Djokovic in sämtlichen engen und entscheidenden Situationen sein bestes Tennis. Nicht umsonst halten ihn Experten für den größten Tennisspieler, wenn nicht sogar Sportler aller Zeiten. Die Kunst, trotz unzähliger Erfolge ständig das Aushängeschild zu sein, obwohl die gesamte Konkurrenz genau das verhindern will, hat schon andere Größen wie Footballer Tom Brady oder Basketballer Michael Jordan zu Legenden gemacht. Vor allem, da sie es finanziell schon lange nicht mehr nötig hätten. Djokovic spielte bisher ein Preisgeld von mehr als 162 Millionen Euro ein – exklusive lukrativer Werbeverträge.

Ein baldiger Umschwung an der Tennis-Weltspitze steht dennoch noch lange nicht am Plan vom "Djoker". Der 36-Jährige plant, bis zu den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles weiterzumachen. Durchaus möglich, betrachtet man den überragenden körperlichen Zustand des Modellathleten. Diese fast nicht vorhandene Verletzungsanfälligkeit und Top-Stabilität hebt ihn von Federer, Nadal und Alcaraz ab. Djokovic beherrscht es wie kein anderer, sich seine Kräfte einzuteilen und im richtigen Moment zuzulegen. Wie ein Superheld schafft er es, Höchstleistungen zu vollbringen. Als der 96-fache ATP-Turniersieger im Finale in Cincinnati Alcaraz niedergerungen hatte, zerriss er sich sein Leiberl wie einst Hulk Hogan, der mit seinem Superhelden-Gimmick Wrestling zu einem Boom verhalf.

Djokovic ist aber auch zweifacher Familienvater. Für Tochter Tara, Sohn Stefan und Ehefrau Jelena gab es im Arthur-Ashe-Stadium Umarmungen und Küsschen. "Nole" ließ es sich auch nicht nehmen, in seine Box zu gehen und mit sämtlichen Familienmitgliedern und Betreuern zu feiern. "Diese Trophäe ist auch eure", sagte Djokovic in deren Richtung. "Als Siebenjähriger war mein Kindheitstraum, Wimbledon zu gewinnen und der beste Tennisspieler der Welt zu werden. Meine Eltern haben so viel opfern müssen, um meine Karriere zu unterstützen. Ich danke euch sehr dafür."

Ein spezieller Gruß sorgte für den emotionalen Höhepunkt. Djokovic zog sich ein T-Shirt mit einem Bild von Ex-Basketball-Superstar "Black Mamba" Kobe Bryant, der 2020 im Alter von 41 Jahren bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam, und der Nummer 24, die Bryant jahrelang trug, über. Anschließen richtete Djokovic seinen Blick in Richtung Himmel. "Kobe war ein enger Freund von mir und ein Mensch, auf den ich mich immer verlassen konnte. Er war immer für mich da und hat mir sehr geholfen, als es mir schlechter gegangen ist. Dank ihm habe ich auch meine Siegermentalität gestärkt." Und diese wird wohl noch einige Zeit für Dominanz sorgen.

Novak Djokovic zerriss sein Shirt in Cincinnati
Novak Djokovic zerriss sein Shirt in Cincinnati
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Auch Wrestling-Superstar Hulk Hogan zerriss früher sein Shirt in gleicher Manier
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