Wenn man Werbung für das heutige US-Open-Finale der Damen machen müsste, dann könnte man das Endspiel zwischen Iga Swiatek und Ons Jabeur markig zum „Duell der Gegensätze“ hochstilisieren. Auf der einen Seite die erst 21-jährige Polin, die Nummer eins der Welt, die bereits zwei Grand-Slam-Titel gewann (French Open 2020 und heuer). Swiatek, die jüngst eine imposante Siegesserie von 37 gewonnenen Matches in Folge hingelegte, deren Weg seit dem Beginn ihrer Profikarriere stets nach oben führt und deren Spielstil ein wenig an jenen von Rafael Nadal erinnert: aggressiv, mit harten Grundschlägen, die noch dazu mit viel Topspin versehen sind. Und auf der anderen Seite Jabeur, die bereits 28-jährige Tunesierin, die zwar immerhin die Nummer fünf der Welt ist, die aber noch keinen Sieg bei einem der vier großen Turniere zu Buche stehen hat. Jabeur, deren Weg seit zehn Jahren mäandert („Bei mir hat es erst 2019 Klick gemacht“ und die durch einen starken Aufschlag und ein variantenreiches Spiel, garniert mit einem giftigen Rückhand-Slice sowie zahlreichen Stoppbällen, besticht.

Doch nachdem das Arthur Ashe Stadium heute ohnehin bis auf den letzten Platz gefüllt sein wird, kann man auch ganz nüchtern die durchaus vorhandenen Gemeinsamkeiten hervorheben: So sind etwa beide in ihren Heimatländern absolute Heldinnen. Swiatek wurde spätestens zu einer, nachdem sie als erste Polin überhaupt ein Grand-Slam-Finale gewonnen hatte. „Seitdem erkennt mich jeder auf der Straße, mein Leben hat sich völlig verändert. Das Medieninteresse ist enorm. Ich brauchte einige Wochen, um mich an die neue Situation zu gewöhnen“, erzählte die neunfache WTA-Titelträgerin vergangenes Jahr in einem Interview.

Jabeur wurde spätestens zum Star, nachdem sie als erste Afrikanerin bzw. Araberin im vergangenen Juli in Wimbledon in ein Finale eines Majors einziehen konnte. Die tunesische Post brachte nach diesem Erfolg sogar eine Briefmarke mit ihr in Siegerpose heraus, der Staatspräsident überreichte ihr den Verdienstorden. Aktuell werde dort in Sportbars am Fernseher von Champions-League-Fußball auf Tennis umgeschaltet, berichtete Jabeur: „In meiner Heimat dreht sich eigentlich alles um Fußball. Am vergangenen Dienstag lief das Champions-League-Spiel zwischen Paris Saint-Germain und Juventus Turin – und trotzdem wollten viele lieber mein Viertelfinale ansehen, das hat mich beeindruckt“, sagte Jabeur, die offenbar einem ihrer großen Ziele einen großen Schritt näher gekommen ist: „Ich möchte mehr Spielerinnen und Spieler aus Tunesien, dem Mittleren Osten und Afrika auf der Tennis-Tour sehen und hoffe, dass ich sie durch meine Leistungen inspirieren kann.“ Eine weitere Gemeinsamkeit: Beide Finalistinnen gelten als absolute Frohnaturen, die Tunesierin wird in ihrer Heimat sogar „Ministerin der Fröhlichkeit“ genannt.

Doch gute Laune wird nach dem Matchball vermutlich nur eine der beiden haben, der Respekt voreinander ist jedenfalls groß: „Gegen sie ist es immer hart. Ich bin mir sicher, dass es ein sehr physisches Spiel wird. Sie hat gute Schläge, ist sehr solide von der Grundlinie. Ich muss aufpassen“, warnte sich Swiatek selbst, nachdem sie im Halbfinale die Weißrussin Aryna Sabalenka mit 3:6, 6:1, 6:4 bezwingen konnte. Es war gleichzeitig der 56. Sieg der jungen Polin im heurigen Jahr.
Weit weniger Mühe im Semifinale hatte Jabeur, um wieder einen Gegensatz einzustreuen. Die Rechtshänderin, die bereits mit drei Jahren zu spielen begann, fertigte die wiedererstarkte Französin Caroline Garcia in nur 66 Minuten mit 6:1, 6:3 ab. Noch auf dem Platz angesprochen auf das bevorstehende Finale, erinnerte sich die 28-Jährige an ihr verlorenes Endspiel am „heiligen Rasen“ zurück. „Diese Niederlage hat richtig wehgetan“, gab die Tunesierin zu, „aber man muss sich seinen Ängsten stellen. Ein Finale zu verlieren, ist eine davon, aber diesmal weiß ich wahrscheinlich, was man in so einem tun muss.“

Zum Abschluss noch eine Gemeinsamkeit: Nach vier bisherigen Partien gegeneinander steht es im direkten Duell 2:2. Das letzte Duell in Rom gewann Swiatek.