Die Ausgangs-Situation vor dem Frauen-Finale bei den mit 43,6 Mio. Euro dotierten French Open scheint klar: Die topgesetzte Iga Swiatek kommt mit einer Serie von 34 Siegen en suite am Samstag (15.00 Uhr/live ServusTV, Eurosport) auf den Center Court und hat zudem vor zwei Jahren schon den Titel in Roland Garros geholt. Ihre Gegnerin Cori "Coco" Gauff ist erst 18 und bestreitet ihr erstes Major-Endspiel. Die Polin ist gegen die US-Amerikanerin also Favoritin.

Doch die unbekümmerte Art der jüngsten French-Open-Finalistin seit Kim Clijsters (2001) gemischt mit einem Reifeprozess macht Cori Gauff, die aber lieber Coco genannt werden will, zu einer gefährlichen Gegnerin. Schon mit 15 Jahren wurde das "Tennis-Wunderkind" den Fans in aller Welt zum Begriff, als sie in Wimbledon ins Achtelfinale vorgestoßen ist. Danach holte sie, ebenfalls 2019, in Linz ihren ersten WTA-Titel, 2021 folgte jener in Parma auch auf Sand.

Gauff blickt über den Tellerrand hinaus

Mit ihrer auf die Kamera geschriebenen Botschaft nach dem Semifinalsieg über Matina Trevisan (ITA) zeigte Gauff, dass sie auch abseits des Tennis etwas bewegen möchte. "Peace" und "End Gun Violence" (Friede und beendet die Waffengewalt) war die Nachricht, die der Teenager aus Florida in die Welt hinaus sandte. Der Krieg in der Ukraine und die Amokläufe in ihrer Heimat waren damit gemeint. Später darauf angesprochen, erklärte es Gauff so: "Als ich jünger war, hat mir mein Vater gesagt, dass ich die Welt mit meinem Racket verändern könne. Er hat das nicht nur gemeint, indem ich Tennis spiele. Er meinte, dass ich über Probleme wie diese spreche."

Gauff hat einen Reifungsprozess durchgemacht, auch indem sie aus der Tennis-Blase hinausgedacht hat, erzählte sie. "Meine Großmutter sagt immer, es gibt mehr im Leben als das, du musst dich auf dem Platz entspannen." Diese Denkweise habe sie übernehmen können. Und nun steht Gauff ohne Satzverlust im Endspiel.

Hardrock als Simulator

Und doch ist Swiatek, die auch erst 21 ist, eine hohe Hürde für die US-Amerikanerin. Die Polin hört vor ihren Matches gerne Hardrock von Led Zeppelin, AC/DC oder Guns N'Roses. "Ich verwende die Musik, damit mein Gehirn etwas zu tun hat und ich vor dem Match entspannt bin. Aber sie hilft mir auch Energie aufzubauen", sagte die Weltranglisten-Erste über ihr Ritual. Und wie ein Rockstar fegt sie seit Februar auch über die Tennisplätze dieser Welt: Titel in Doha, Indian Wells, Miami, Stuttgart und Rom haben sie nicht umsonst zur ausgewiesenen Favoritin gemacht.

Während gerade in Paris bei den Frauen in den vergangenen Jahren sonst kaum klare Sieganwärterinnen zu sehen waren, sondern Überraschungsgewinnerinnen Usance waren, läuft bisher alles nach Plan für Swiatek. Abgesehen von einem Satzverlust im Achtelfinale gegen die Chinesin Zheng Qinwen hat sie einen makellosen Lauf hingelegt.

Gauff erstmals beste Amerikanerin?

Swiatek hat ihre Nummer-1-Position schon länger einzementiert, im Falle eines zweiten Roland-Garros-Titels hat sie dann schon fast doppelt so viele Weltranglisten-Punkte als die ab Montag zweitplatzierte Anett Kontaveit (EST). Gauff ist ab Montag zumindest 13., schafft sie den Premieren-Grand-Slam-Titel, verbessert sie sich auf den achten Rang und wäre erstmals Top Ten. Zudem wäre es im internen Kampf mit ihren starken Landsfrauen Danielle Collins und Jessica Pegula ein Etappensieg, sie wäre dann erstmals auch beste US-Frau.

Unabhängig von Weltranglisten-Punkten haben Swiatek und Gauff als Finalistinnen je 1,1 Mio. Euro an Preisgeld sicher, die Triumphatorin erhält sogar das doppelte. Im Head-to-Head der beiden steht es 2:0 für Swiatek. Im Rom-Semfinale des Vorjahres siegte die Polin 7:6(3),6:3, dieses Jahr auf dem Weg zum Miami-Titel im Achtelfinale glatt 6:3,6:1.