Schläger, Ball und Platte – mehr braucht Sofia Polcanova nicht. Mit einer Gold-, zwei Silber- und vier Bronzemedaillen bei Großereignissen zählt sie zu den besten Tischtennisspielerinnen Österreichs. Jetzt hat Sofia Polcanova ihre Medaillensammlung erweitert. Nach der EM-Bronzemedaille im Mixed-Doppel gewinnt die gebürtige Moldawierin gemeinsam mit ihrer Doppelpartnerin Bernadette Szőcs beeindruckend ohne Satzverlust Gold im Doppel. Dass die beiden auch privat befreundet sind, war da sicher vom Vorteil. Mit dem EM-Titel feiert die Wahl-Linzerin verdienterweise nach mehreren Silber- und Bronzemedaillen ihren größten Erfolg.

Ohne Medaille aus München nach Linz zurückzukehren? Das war für die momentane Nummer 15 der Welt keine Option. Schon von der EM vor vier Jahren in Alicante war "Sonja", wie Freunde sie nennen, mit drei Medaillen zurückgekommen. Ihre EM-Ausbeute von 2018 hat die Linkshänderin von Linz AG Froschberg ihrem Vater Mihail gewidmet, den Polcanova 2015 bis zu seinem Tod nach einer Krebserkrankung pflegte.

Mihail war aber nicht nur ihr Vater, sondern auch ihr Trainer, bis sie im Alter von 14 Jahren nach Linz kam. Die Trainingsverhältnisse in Chisinau mit jenen in Linz zu vergleichen? Quasi unmöglich. Eigene Trainingshalle und Heizung in Moldawien? Fehlanzeige. "Trainiert haben wir in einem kleinen Keller in der Schule. Das Licht war schlecht, es gab kein Wasser und beim Umziehen beeilten wir uns extrem, weil es so kalt war", erzählt die Europameisterin. Abseits von der Tischtennisplatte macht sich die Hobby-Musikerin für die nächste Generation in ihrer Heimat Moldawien stark. Gemeinsam mit anderen Tischtennis-Begeisterten sammelt sie Spenden für eine neue Tischtennishalle in Chisinau. Moldawiens Nachwuchstalente sollen bessere Trainingsmöglichkeiten haben als sie.

Wie Polcanova aber überhaupt so weit kommen konnte, fragt sich wohl auch ihr Augenarzt. Denn aufgrund ihrer Sehschwäche (vier Dioptrien) war es ihr quasi unmöglich, den kleinen Ball ohne Hilfsmittel überhaupt zu sehen. Spiele mit Brille oder Kontaktlinsen gehören mittlerweile aber der Vergangenheit an. 2018 unterzog sie sich einer – erfolgreichen – Laserbehandlung. Den Ball getroffen hatte sie davor auch schon.

Privat hat sie ihr Glück schon seit Längerem gefunden. Nach einem Heiratsantrag in den Schweizer Alpen folgte 2020 in Aschau an der Donau die Hochzeit mit Peter Reisinger. Überraschung: Geheiratet wurde nicht im Tischtennis-Outfit, sondern in Harry-Potter-Kostümen. Dekoration und Hochzeitstorte à la Hogwarts inklusive.

Und eine Wiederholung von 2018 ist auch bei der diesjährigen EM bereits fix. Im Einzelbewerb steht die 28-Jährige bereits im Halbfinale und kämpft am heutigen Sonntag um Gold.