Ein Tweet von Magnus Carlsen am Montag brachte das Fass ins Rollen. Der Schach-Weltmeister kündigte auf Twitter seinen Rücktritt vom prestigeträchtigen Sinquefield-Cup in den USA an. Das Video, das er da postete, sagte viel aus – und gleichzeitig nichts. José Mourinho ließ er verlautbaren: "Ich bevorzuge, nicht zu sprechen. Wenn ich spreche, bin ich in großen Schwierigkeiten und ich möchte nicht in großen Schwierigkeiten sein."

Carlsen hatte zuvor gegen den 19-jährigen Amerikaner Hans Niemann verloren, der in den letzten eineinhalb Jahren einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht hat. "Weil ich in den vergangenen 18 Monaten nichts gemacht habe, außer mich mit Schach zu beschäftigen", sagte Niemann selbst in einem Interview.

Carlsen dürfte das anders sehen. Betrugsvorwürfe stehen im Raum, Niemann soll in der Partie gegen den Norweger geschummelt haben. Wie? Darüber schweigen jene, die die Vorwürfe formulieren – unter anderem auch der berühmte Großmeister Hikaru Nakamura –, noch.

Spätestens seit Computer besser Schach spielen als der beste Mensch wird nämlich genauestens kontrolliert. Bestätigte Betrugsfälle im Weltklasse-Schach? Gibt es kaum. Zwischen Wladimir Kramnik und Veselin Topalow flogen einst die Fetzen, als Topalow seinen Kontrahenten beim WM-Kampf 2006 beschuldigte, auf der Toilette unerlaubte Hilfsmittel zu benützen.

Was aber wird Niemann vorgeworfen? Nichts Konkretes! Zumal die Partie, die der Amerikaner gegen Carlsen gespielt hat, zwar brillant ist – aber längst nicht fehlerfrei. Nur: Niemann konnte in der Analyse der Partie die von ihm gewählten Züge nicht ausreichend erklären. Eigenartig – aber längst noch kein Beweis für einen Betrug.

Jan Gustafsson etwa hat eine plausible Erklärung: Niemann gab nämlich an, dass er sich mit 4. g3 in der Nimzoindischen Verteidigung am Tag der Partie noch vorbereitet hat. Unrealistisch - der Zug wurde von Carlsen erstmals gespielt. Dass sich der Amerikaner aber mit der Stellung, die nach 4. g3 entsteht, beschäftigt hat, ist nicht unrealistisch: Über eine Zugreihenfolge der Katalanische Eröffnung – eine der Lieblingseröffnungen Carlsens – wurde die Stellung nämlich schon mehrmals gespielt.

Unrealistisch ist: 1. d4 Sf6, 2. c4 e6, 3. Sc3 Lb4, 4. g3.
Das Gleiche – und realistisch – ist aber auch: 1. d4 Sf6, 2. c4 e6, 3. g3 Lb4+, 4. Sc3.

Niemann selbst wandte sich in einem langen Interview an die Öffentlichkeit, gibt an, als Kind- und Jugendlicher geschummelt zu haben. Und bezeichnet das als "größten Fehler".