Erst die Pandemie, nun die wirtschaftliche Krise. Infrastrukturelle Themen, überbordende Bürokratie, sinkende Budgets und, und, und… Österreichs Sport – sowohl auf Breiten-, als auch auf Spitzensportebene – hatte schon leichtere Zeiten. Wobei, wenn man ehrlich ist, erfuhren diverse Themen auch in vermeintlich besseren Zeiten keine allzu großen Fortschritte. Man denke etwa, nur als ein Beispiel, an den Dauerbrenner der flächendeckenden täglichen Turnstunde. Per Lippenbekenntnis lässt sich recht flott flächendeckende Einigkeit erzielen, dass genügend Bewegung in jeder Altersstufe volkswirtschaftlich ganz fantastisch wäre und eher mehr Geld sparen als kosten würde. Erfolgreiche Umsetzung? Naja.

Jede Initiative, die den österreichischen Sport in all seinen Facetten voranbringen möchte, hilft. Je höher die Erfolgswahrscheinlichkeit, dass es in der Tat wenigstens spürbare Besserung bringt, desto besser. Schwer genug ist die Aufgabe ohnehin. Ein in diesem Zusammenhang begrüßenswertes Projekt legt die Sport Austria vor. Die Bundes-Sportorganisation möchte 2026 zum Jahr der „gesamtösterreichischen Sportoffensive“ machen und einen Masterplan unter dem Motto „Vom Sportland zur Sportnation“ erarbeiten.

Zu wenig Leidensdruck für die Politik

Hans Niessl, der Präsident von Sport Austria, spricht von einem nationalen Schulterschluss: „Es ist höchst notwendig, dort alles reinzuschreiben, damit Österreich eine Sportnation wird. Da sollte man sich auch nicht auf punktuelle, relativ kleine Themen konzentrieren und von den großen ablenken – auch unabhängig von der Politik. Der Sport sollte eigentlich über der Politik stehen.“

Ein interessanter Gedanke. Als Beobachter könnte man seit Jahren und Jahrzehnten den Eindruck bekommen, dass der bittstellende Sport und die auf diesem Ohr schwerhörige Politik sich gegenseitig lähmen. Bleibt man auch hier ehrlich, ist der Leidensdruck für die Politik allerdings eher gering, wenn Budgets verringert oder der Sport in Parteiprogrammen stiefmütterlich behandelt wird. Der nationale Aufschrei des Wahlvolks ist deswegen nicht zu hören, weil es ihn nicht gibt.

„Wir müssen den Stellenwert des Sports in unserer Gesellschaft deutlich anheben“, sagt Niessl folgerichtig, „wenn es für die breite Bevölkerung wichtiger wäre, würde die Politik draufkommen, dass sie sich mehr mit dem Sport beschäftigen muss.“ Hier wird es im Masterplan proaktive und vor allem gute Antworten brauchen.

INNSBRUCK,AUSTRIA,18.JUN.25 - VARIOUS SPORTS - Sport Austria Finals, opening ceremony. Image shows president Hans Niessl (Sport Austria).
Photo: GEPA pictures/ Patrick Steiner
Hans Niessl möchte den Sport in Österreich voranbringen © GEPA

An dieser Stelle drängt sich die Frage auf: Welche Sportnationen mit ähnlichen Voraussetzungen könnten als Vorbild dienen? „Norwegen ist für mich ein Musterbeispiel“ sagt der frühere Landeshauptmann des Burgenlands und bezieht dies sowohl auf den Spitzen- wie auch den Breitensport. Der Zugang zum Thema Bewegung und gesundem Lebensstil erscheint in Skandinavien generell motivierter: „In Schweden habe ich auf 100 Einwohner zwei Krankenbetten, wir haben 6,9.“ Im Bereich Spitzensport dient gerade bei den Ballsportarten Kroatien gerne als Beispiel für gute Arbeit.

Wie holt man mit dem Konzept die Leute ab?

Eine entscheidende Frage: Wie hole ich die Leute ab mit meinen Verbesserungsvorschlägen? Ein gutes Konzept alleine wird es ohnehin nicht leicht haben, den Stellenwert des Sports breitenwirksam auf das in anderen Ländern gewohnte Niveau zu heben. Wenn man die Geschichte nicht gut erzählt, hat man jedoch von vornherein keine Chance. Sind die Pläne zu kleinteilig, sperrig oder dem Zeitgeist widersprechend nicht plakativ genug auf den Punkt gebracht, werden die Herzen im Volk nicht höherschlagen.

An Vorschlägen mangelt es jetzt schon nicht. Dem Forderungskatalog von Sport Austria an die Bundesregierung ist etwa eine Sportinfrastrukturoffensive mit Investitionen in der Höhe von einer Milliarde Euro zu entnehmen oder die Entlastung des Ehrenamts inklusive Abbau von bürokratischen Hürden - die offenkundig nach wie vor überbordende „Zettelwirtschaft“ schreit geradezu nach einer Digitalisierungsoffensive. Auch das verstärkte und besser koordinierte Bemühen um Sportgroßveranstaltungen ist in vielerlei Aspekten interessant, von der Schaffung/Modernisierung von Infrastruktur bis hin zur Präsenz und Sichtbarkeit von Idolen. Schon die Sport-Austria-Finals erwiesen sich als gelungener Ansatz, dem Sport zumindest einige Tage lang eine größere Bühne zu geben.

Gute Ideen

Letztlich wird es eben genau um das gehen, um Ideen. Gute und kreative Ideen, natürlich auch umsetzbare Ideen, am besten sehr viele davon. Visionen, die auch Leute über die Sportlandschaft hinaus abholen. Es muss ja nicht gleich eine abermalige Olympia-Bewerbung als Leuchtturm-Projekt sein, aber warum längerfristig gedacht eigentlich nicht, sollte die Mission Steigerung des Stellenwerts Fortschritte erzielen?

Gut, dass sich jemand die Aufgabe eines solchen Masterplans vornimmt und versucht, möglichst viele Stakeholder partnerschaftlich ins Boot zu holen. Gelingt es allen Beteiligten tatsächlich, diesmal ein wenig größer zu denken, besteht in Sachen Sportnation Hoffnung. Erliegt man der Verlockung, hauptsächlich im Saft der eigenen Probleme zu braten, wird Sport-Österreich vermutlich auch in einigen Jahren und Jahrzehnten noch darüber diskutieren, wie lieb oder nicht lieb die gerade politisch Zuständigen den Sport haben. Blöd nur, dass der breiten Bevölkerung dies fast so egal ist wie die Frage, wer Sektionschef im Ministerium wird.