Der Indianapolis Star, die auflagenstärkste Gazzette der Region, brachte es am Montag nach dem Formel-1-Rennen auf dem Indianapolis Motor-Speedway auf den Punkt. „Mit dieser Farce hat sich die Formel 1 ihr One-Way-Ticket in die europäische Heimat gesichert. Es stellt sich nur die Frage, ob wir ihnen beim Packen helfen sollen?

Der Formel 1 war nämlich am Sonntag im wahrsten Sinn die Luft ausgegangen, der Traum von der weiteren Eroberung des amerikanischen Marktes war zerplatzt wie ein Luftballon. Weil es der französische Reifenhersteller Michelin nicht geschafft hatte, einen tauglichen Reifen in die USA zu versenden. Im Werk in Cataroux, unweit vom Stammhaus in Clermont-Ferrand, geführt unter dem internen Code C4, hatte man die Computer zur Errechnung der idealen Reifenmischung falsch programmiert. Die Ingenieure hatten die Belastungen der Steilkurve von Indianapolis einfach unterschätzt.

Alles falsch berechnet

Der Auslöser der Sonntags-Farce war der Unfall von Ralf Schumacher im Training. Als er mit seinem Toyota ausgangs der Steilkurve in die Betonmauer krachte. Der linke Hinterreifen war schlicht und einfach explodiert. Ab diesem Zeitpunkt begannen die Michelin-Leute zu hadern. Rechneten nach, überprüften Drücke und Temperaturen. Und am Ende stand fest: der Reifen hält nicht. Es war der Patschen von Michelin als Gipfel eines unsinnigen Reifenreglements, das immer wieder neu erfunden wurde, um die Schumacher/Ferrari-Überlegenheit irgendwie einzubremsen. Mit Werten und Daten, mit unnötigen Längsrillen in den Slicks, und, und, und...

Michelin sprach schnell ein Startverbot für seine Kunden aus. Weil schon allein die Produkthaftung in den USA zu einer nicht einschätzbaren Klagsflut führen hätte können.

Am Sonntag, vor dem Rennen, liefen noch einmal die Köpfe heiß, hinter verschlossenen Türen wurde diskutiert. Die eine Idee sah eine Schikane mitten in der Steilkurve vor. Die andere Weisheit bot den Michelin-Kunden an, einfach langsamer zu fahren. Alles entgegen der Philosophie des Rennsports. Am Start standen wohl alle Teilnehmer, aber die Michelin-Teams McLaren-Mercedes, Renault, Williams-BMW, Red Bull, Toyota, Sauber und BAR-Honda bogen gleich nach der Aufwärmrunde wieder in die Boxenstraße ab - gestartet waren nur Ferrari, Jordan und Minardi, die drei Teams mit den Bridgestone-Reifen.

Schumacher fährt zum Start, alle anderen biegen in die Boxenstraße ab
Schumacher fährt zum Start, alle anderen biegen in die Boxenstraße ab © (c) xpb.cc/ R. Batchelor

Jetzt ist der US-Amerikaner grundsätzlich ein geduldiger Sportfan. Der es stundenlang versteht, sich zu unterhalten, bevor das Spektakel überhaupt beginnt. Er amüsiert sich an den Burger-Buden oder Fosters-Bierständen. Der Bewerb an sich ist nur der Höhepunkt eines Sonntags-Ausflugs mit Kind und Kegel. Bei diesem Rennen war aber auch seine Geduld nach wenigen Runden am Ende. Schnell waren Plakate gekritzelt mit „Schwarze Flagge für diese Farce“...

Alles ein Betrug

Sieger Michael Schumacher bekam nur ein Pfeifkonzert der halben Zuschauer (der Rest war frühzeitig abgereist). Mit versteinerter Miene stand er oben auf dem Podium. Und schon zwei Tage später war die erste Sammelklage gegen die Formel 1 eingebracht. Anwalt Williams Bock sprach ganz offen von „Betrug“. Schon am Mittwoch wurden die sieben Teams, die nicht gestartet waren, vor den FIA-Weltrat nach Paris zitiert. Ihnen wurde vor allem rufschädigendes Verhalten zur Last gelegt, sich überhaupt regelwidrig aus dem Rennen gestohlen zu haben.

Zuhause in Österreich sah es vor den TV-Schirmen auch nicht besser aus als direkt vor Ort. ORF-Formel-1-Legende Heinz Prüller bemühte sich redlich, ein halbes Rennen zu einem ganzen zu machen, sprach munter über Rundenzeiten und Rückstände der nicht vorhandenen Gegner. Bis ihn Co-Kommentator Niki Lauda anknurrte: „Jetzt hör’ endlich auch, diesen Schwachsinn als normales Rennen zu verkaufen...“

Oft wechselte die Anzeige nicht
Oft wechselte die Anzeige nicht © (c) Walter Luger

Geschichte geschrieben hat auch ein Kärntner. Patrick Friesacher sammelte im Minardi die ersten Formel-1-Punkte, als Sechster. Oder wie böse Zungen behaupteten als Letzter, mit zwei Runden Rückstand. Wie gesagt, es waren nur sechs Autos richtig gestartet. Das Gegenteil von Spielberg 2020. Da gibt es ein volles Starterfeld, dafür keine 160.000 Zuschauer wie damals in Indianapolis.