Es ist eine eigenartige Einstiegsfrage in ein Interview, in Zeiten wie diesen aber vielleicht angebracht: Wie geht es Ihnen?
MARKUS SCHOPP: Danke gut. Ich habe die letzten Wochen einmal sehr intensiv genossen, nichts zu tun. Etwas, was ich eh über einen sehr langen Zeitraum nicht gehabt habe. Gesundheitlich sowieso, da passt alles. Alles andere war ein Runterfahren.

Klingt angenehm.
Ja. Ich habe in den letzten Jahren sowieso und auch in den Jahren davor, nach der aktiven Zeit, sehr viel investiert in die Entwicklung, Trainer zu werden. Da geht viel Kraft drauf. Auf der einen Seite ist es schön, so lange wie möglich, durchgehend im Geschäft zu sein. Auf den Phasen, wie ich sie jetzt habe, gilt es dann aber auch das Beste zu machen.

Was hat denn bei Barnsley nicht so funktioniert, wie Sie es sich vorgestellt haben? Oder dass es längerfristig funktioniert hätte. Es war nach 16 Partien wieder Schluss.
Schwer kurz zusammenzufassen. Als jemand, der vom TSV Hartberg auf die Insel kommt, akzeptiert man möglicherweise aber auch Dinge, die man im Nachhinein so nicht akzeptieren würde. Aber: Ich habe bis zum letzten Tag jeden Moment genossen, weil es eigentlich das ist, von dem man träumt.

Sie waren in Ihrer Karriere noch nie in der Situation, dass es Richtung Entlassung gegangen ist. Gibt es den Moment, an dem man sich denkt, dass das Ding entgleitet?
Gar nicht. Ich habe in fast allen Spielen das Gefühl gehabt, dass wir gewinnen können. Wir waren in den wenigsten Spielen die schwächere Mannschaft. Es hat an sehr vielen Kleinigkeiten gemangelt. Wir haben auch über einen sehr langen Zeitraum Schlüsselspieler nicht zur Verfügung gehabt. Mein letztes Spiel gegen Bristol war vielleicht das beste Spiel von uns - und am Ende stehst du da und hast 1:2 verloren. Die Leistung interessiert dann aber niemanden, wenn du so oft nicht gewinnst. Ich muss aufpassen, dass das nicht nach Ausreden klingt. Man muss ehrlich zu sich sein und bewerten, was gut war und was nicht. Ich muss da meine Schlüsse daraus ziehen.

Wie wichtig wäre denn ein vertrauter Ansprechpartner im Team gewesen? Sie haben einige Zeit versucht, Alexander Marchart als Co-Trainer zu verpflichten. Hätte das den Job erleichtert?
Das ist einer der Punkte, der nicht optimal war. Normalerweise geht man so ein Projekt mit einem Vertrauensmann an der Seite an. Wenn du gewinnst, ist ja alles kein Problem, weil dann sind eh alle auf deiner Seite. Aber wenn es nicht zu laufen beginnt, ist es wichtig, dass du jemanden an der Seite hast, der deine Gedanken versteht, der die Dinge auch so sieht, wie du sie siehst. Die Sache mit Alex hat sich eben nicht in die richtige Richtung entwickelt. Ich habe dann versucht, aus dem Ist-Zustand das Beste zu machen - ich kenne es ja auch aus Hartberg nicht anders. Das nehme ich für mich mit, dass das in Zukunft einfach von Anfang an klar stehen muss.

Sie waren auch ohne Familie in England. Ist man angesichts der Coronazahlen in England froh, Weihnachten mit Familie zu Hause statt Boxing-Day ohne Familie auf der Insel zu verbringen?
Ich muss ehrlich sagen, auf die Phase habe ich mich extrem gefreut. Das ist etwas, was man nur als Konsument kennt - und so etwas selbst aktiv zu gestalten, ist schon etwas Besonderes. In Momenten, in denen es nicht läuft, ist es aber natürlich leichter, jemanden an der Seite zu haben, mit dem du über andere Dinge reden kannst. Und dann gehst du nicht heim, sondern bleibst im Büro sitzen, weil man auch aus dem Büro mit der Familie telefonieren kann.

Auch auf die Gefahr hin, dass man verkopft wird und sich in etwas hineinsteigert, wo man sich gar nicht hineinsteigern sollte?
Ja. Das ist ein Thema. Aber wenn du dort nichts anderes hast, ist es das Logischste.

Kann man Barnsley und den TSV Hartberg in irgendeiner Form vergleichen?
Nicht von der Dimension. Aber wir können schon sagen, dass Barnsley im Vergleich zu den anderen Mannschaften, wie Hartberg, im unteren Segment daheim ist. Was der Fußball in England für einen Stellenwert hat, wird mir am meisten in Erinnerung bleiben. Das ist enorm hoch, egal ob in der Premier League, Championship oder noch weiter unten, da ist soviel Tradition und Geschichte. Ich habe jede Sekunde genossen.

Haben Sie sich dabei ertappt, dich nach der unkomplizierten Arbeitsweise in Hartberg zu sehnen?
Was man in Hartberg gehabt hat, ist ganz viel Herz und Leidenschaft. Leute, die mit viel Hingabe dabei sind. So etwas in England zu erleben ist nicht realistisch. Da ist das Geschäftsmodell ein anderes. Sehr familiär in Hartberg und auf der anderen Seite ein System, wo das Geschäft Fußball einfach funktionieren soll und auch muss.

Mit etwas Distanz: Wie beurteilen Sie denn die Situation in Hartberg?
Das war im Sommer sicher keine einfache Situation. Bei mir hat sich das binnen weniger Tage entwickelt. Es haben sich dann auch kurz vor Transferende einige Spieler verändert. Da hat Hartberg wieder sehr gut funktioniert und spannende Spieler gefunden, die zum Verein und in die Region passen. Und vier Runden vor Ende des Grunddurchgangs hat Hartberg wieder die Chance, oben dabei zu sein. Das ist eine riesige Geschichte. Da muss man dem gesamten Betreuerteam und Erich Korherr und Brigitte Annerl ein Riesenkompliment aussprechen.

Haltet man Kontakt zu ehemaligen Spielern, Trainerkollegen, Erich Korherr oder Brigitte Annerl?
Was mich über die Jahre mit Hartberg verbindet, ist etwas ganz Besonderes. Das wird auch immer etwas Besonderes bleiben. Deswegen halte ich Kontakt, weil ich die Qualitäten sehr schätze - auch menschlich. Das ist nicht selbstverständlich in dem Geschäft.

Sie haben - freilich im Scherz - einmal gesagt, wenn Jürgen Heil ein Bundesliga-Tor erzielt, müsste man das Stadion nach ihm benennen. Haben Sie ihm zu seinem ersten Bundesligator gratuliert?
Nein, hab ich nicht. Der Jürgen ist ein so ein typischer Hartberg-Spieler, der es mit seinen Eigenschaften schafft, vieles zu bewegen. Viele sehen nur die Spieler, die die Tore machen und für das Feine zuständig sind. Aber es sind Spieler, wie der Jürgen, der in der Kabine sehr wichtig ist, der es schafft Spielern zu helfen, in die Gruppe zu passen. Er ist für Hartberg ganz entscheidend und darum freut es mich besonders, dass er getroffen hat, aber noch mehr, dass er im Herbst immer eine klarere Rolle gefunden hat - und zwar eine entscheidende.

Erich Korherr versucht gerade, den Vertrag von Jürgen Heil zu verlängern. Was würden Sie dem Spieler raten? In Hartberg zu bleiben oder den nächsten Schritt zu machen?
Ich trau Jürgen einiges zu. Aber er und Hartberg passen sehr gut zusammen. Hartberg ist ein Umfeld, dass ihm gewisse Freiheiten gibt. Es ist einfach wichtig, dass man gewisse Dinge wertschätzt, die nicht monetär sind, sondern mir ein gewisses Gefühl geben. Er hat sich in Hartberg etwas aufgebaut, das Besonders ist. Ich muss ihm keinen Rat geben, aber er sollte sich sehr sehr gut überlegen, ob er sich verändert.

Reden wir über die Liga allgemein: Überrascht Sie irgendetwas - in positiver oder negativer Form?
Man muss Salzburg anführen. Wenn man sich die Entwicklung ansieht, trotz der Veränderung, die sie nahezu im Halbjahres-Rhythmus mitmachen müssen. Mittlerweile auch auf der Trainerbank. Das ist abartig, auch der Erfolg in der Champions League. Das ist richtig interessant und gut. Sturm hat einen unheimlich interessanten ersten Herbst-Teil gespielt und am Schluss Tribut bezahlt für die Belastung, die sie gehabt haben. Alles, was dahinter ist, ist sehr ausgeglichen. Und wenn ich bis Altach zurückschaue - da ist schon Qualität. Das merkt man. Und es ist das erste Mal, seit es diesen Modus gibt, dass der Fight um die Top Sechs so intensiv ist. Es ist unglaubliche Spannung und das wollte die Liga erreichen.

Was macht denn Markus Schopp, wenn er keine Fußballmannschaft trainieren darf?
Es war viel Zeit für Dinge, für die ich über Jahre keine Zeit hatte. Sei es im Haus, wo immer wieder Themen anfallen. Wir waren Skifahren, Skitouren gehen. So ein Wochenende planen ohne Fußballspiel, an dem du beteiligt bist, ist ein Lernprozess. Es ist nicht schwer, mittlerweile hab ich das drauf, aber es war ungewohnt.

Sie haben Lösungen gefunden?
Keine Sorge. Aber es war eine Herausforderung.

Können Sie Fußballspiele anschauen, ohne auf den abkippenden Sechser und die hohen Außenverteidiger zu achten?
Wenn du ein Spiel bewusst anschaust, geht es um ganz viele Kleinigkeiten. Dann ist ein Spiel eine Herausforderung und dann will ich Zusammenhänge erkennen.

Mit Notizblock und Tablet?
Ich schreibe mir Minuten auf und schaue mir das über die Analyse-Plattformen noch einmal an. So kann man sich das vorstellen. Mit den Angeboten, die es heute gibt, sieht man so viel. Der Osim hätte seine helle Freude, wenn er weiß, dass man zeitgleich vier Spiele schauen kann. Diesen Zugang habe ich jetzt über Wochen nicht gehabt, dass ich mir gleichzeitig mehrere Spiele angeschaut habe. Aber ich merke jetzt, ich muss dranbleiben.

Wie gerne würden Sie denn mit einer Mannschaft auf dem Rasen stehen?
Ich habe eine Phase gehabt, wo ich froh war, wegzukommen. Die Spiele, die ich mir anschaue, werden mehr. Die Trainingseinheiten auch. Wenn ich sage, es juckt nicht, würde ich lügen. Aber das ist normal. Ich durfte zwei Monate nicht machen, was ich gerne mache.

Wie oft haben Sie denn mit Zoran Barisic telefoniert, als unklar war, wer Rapid-Trainer wird?
Ich habe in den letzten Wochen viele Telefonate geführt. Für mich muss aber alles passen. Es gibt Vereine, die wissen, was ich in Hartberg geleistet habe und auch die Entwicklung mit Barnsley gesehen haben. Aber es war noch kein Gespräch dabei, wo ich das Gefühl gehabt hätte, dass es passt - oder eben der Verein das Gefühl gehabt hätte.

Gibt es eine Richtung, in die Sie tendieren? Österreich? Wieder Ausland?
Ich lasse das auf mich zukommen. Ich weiß aber, es muss für mich passen. Man hat eine gewisse Vorstellung, wie etwas ablaufen soll. Es muss das Gesamtkonzept passen - da schaue ich.