Er stampft mit dem Fuß auf, ärgert sich so, als hätte seine Mannschaft eben im Champions-League-Finale den Kürzeren gezogen. Dabei war es nur eine vergebene Chance eines Sturm-Spielers im Training, die Nikon El Maestro kurzfristig erzürnt hat. Wenig später freut sich der 26-Jährige über einen Kopfballtreffer des 1,68 Meter großen und nur vier Jahre jüngeren Otar Kiteishvili. Doch die Rollen sind klar verteilt. Nikon El Maestro ist Co-Trainer seines Bruders Nestor El Maestro. Kiteishvili ist Spieler, aktuell beim SK Sturm.

Nikon verfügt über die fußballerischen Fähigkeiten, um auch spielen zu können. Und wenn im Training aufgrund einer ungeraden Zahl an Spielern Bedarf herrscht, macht es Nikon. Er ist gut, sehr gut, es fällt auf, wie er den Ball behandelt. „Ja, ich kann schon noch mithalten, was die Technik betrifft“, sagt er zurückhaltend. Er spielt nicht mit, „weil es eben nicht gereicht hat für eine Profikarriere“, sagt er. Seine körperliche Entwicklung sei eben nicht so gewesen, wie es ein athletischer Profi von heute braucht. Erst auf Nachfrage erwähnt er, dass ihn Verletzungen (zwei Rippenbrüche) zu ungünstigen Zeitpunkten außer Gefecht gesetzt hätten. „Als Ausrede will ich das nicht gelten lassen.“

In der Kindheit ein Wunderknabe

In seiner Kindheit war Nikon El Maestro ein Wunderknabe, gejagt von den besten Vereinen aus Europa. YouTube-Videos zeigen heute noch, welches Potenzial der kleine Nikon hatte. Er trat in TV-Shows auf, in Serbien und in England. Immer an seiner Seite Nestor El Maestro, der um zehn Jahre ältere Bruder. Er stellte die Videos ins Netz. „Ich bin damit aufgewachsen, daher machte mir der Rummel um mich nichts aus. Ich kannte es nicht anders“, erzählt er heute. Nikon El Maestro hieß früher Nikon Jevtic. Weil er aber von Medien aufgrund seiner fußballerischen Qualitäten „El Maestro“ genannt wurde, ließen sich Nestor und Nikon umtaufen. Das ging in England schnell. Die Familie war aus Serbien auf die Insel geflüchtet und zog später nach Wien, weil die Austria das Duo haben wollte.

Wo auch immer die Familie Jevtic wohnte, die Videos von Nikon gingen um die Welt. Nikon war ein YouTube-Star, einer der ersten, weil es damals noch nicht so häufig vorkam, dass Videos hochgeladen wurden. Ein anderes Video ist aus dem Netz verschwunden. Und zwar jenes, in dem der junge Nikon mit Freunden die amerikanische Showmasterin und Komikerin Chelsea Handler im Herbst 2011 in einem serbischen Rap wüstest beschimpft hatte. Sie hatte die Serben beleidigt, weil diese wiederum die mittlerweile verstorbene Amy Winehouse bei einem Konzert in Belgrad ausgebuht hatten. Das Video kostete Nikon seinen Job, Wiener Neustadt entließ ihn. Heute spricht er von „einer großen Dummheit in meiner Pubertät. Ich habe viele Freunde aus etlichen Ländern. Es gibt wohl kaum jemanden, der weniger antisemitisch ist als ich.“ Doch es war ein Fehler, der sein Leben in eine andere Bahn lenkte. Ein Fehler mit Folgen. Aber nur für Nikon, nicht für jene, die den Liedtext verfasst hatten.

Briefträger in Wien

„Das ist für mich abgehakt“, sagt er heute. Und auch der Karriere als Profifußballer trauert er nicht nach. „Ich habe mich für den Trainerjob entschieden. Und ich bin dankbar, mit meinem Bruder bei Sturm arbeiten zu können“, sagt er. Dreieinhalb Jahre lief Nikon als Briefträger in Wien umher, machte nebenher sämtliche Ausbildungen als Trainer (A-Lizenz mit Auszeichnung) und holte währenddessen mit der U16 von Simmering Meistertitel und Cupsieg, als 21-jähriger Betreuer. „Ich musste ja von etwas leben, also ging ich zur Post“, sagt er. Das Leben hat es gut mit ihm gemeint. Er ist mit Natalija verheiratet und hat zwei Söhne: Kodi (5 Jahre) und Teo (2). Das dritte Kind kommt im April.

Seine Familie begleitet ihn auf allen seinen Stationen, in die Slowakei zu Spartak Trnava, nach Bulgarien zu ZSKA Sofia und nun auch nach Graz. „Ich habe eine liebenswerte, rücksichtsvolle und richtig tolle Frau. Sie ist einfach wunderbar.“ Nikons Augen glänzen bei diesen Worten. Da macht es auch nichts, wenn die Frauen des El-Maestro-Clans zusammenkommen und für eine Dauerbeschallung sorgen. „Meine Frau, die Frau von Nestor und unsere Schwester sind dann in ihrem Redefluss nicht mehr zu bremsen. Dafür werden wir zwei, Nestor und ich, etwas belächelt, weil wir immer so ruhig sind. Manchmal schweigen wir uns einfach an. Zum Beispiel auch bei einer längeren Autofahrt. Zuerst reden wir über Fußball, dann ist Pause, manchmal bis wir angekommen sind“, erzählt Nikon.

Dabei hätte das Duo ein enormes Sprachenrepertoire. Nikon spricht Serbisch, Englisch, Spanisch, Deutsch, Slowakisch, Bulgarisch und Ungarisch. Nestors Bandbreite ist annähernd gleich groß. Das Verständnis funktioniert aber auch ohne Worte. Champions League versteht man auf der ganzen Welt und ist ein (unausgesprochenes) Ziel der Trainer-Brüder.