Siebenmal in den letzten zehn Jahren wanderte der spanische Meistertitel nach Barcelona. Zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts revolutinierten die Katalanen mit Pep Guardiola den internationalen Fußball durch dominantes Kurzpassspiel. Gegen das Tiki-Taka von Lionel Messi, Xavi und Andres Iniesta schien kein Kraut gewachsen zu sein. Auch über die Klubebene hinaus trug das System Früchte. Spaniens Nationalteam wurde 2008 und 2012 Europameister und holte mit sieben Kickern des FC Barcelonas im Finale gegen die Niederlande 2010 auch den ersten Weltmeistertitel. 

Zehn Jahre später ist das Tiki-Taka Geschichte. Just 2014, als Spaniens Nationalteam bei der WM-Endrunde in Brasilien kläglich an der Mission Titelverteidigung scheiterte, blieb auch der FC Barcelona ohne Titel. Während sich Real Madrid den spanischen Pokal sowie die Champions League sicherte, jubelte Atletico Madrid über die erste spanische Meisterschaft seit 1996. Die Ballzauberer rund um Messi, Busquets und Xavi, sie wurden entzaubert.

Keine Trendwende 2018

Spanien verzeichnete mit 3084 Zuspielen 2018 bei der WM in Russland die meisten Pässe aller Teams, trotzdem war für den Weltmeister im Achtelfinale Schluss. Die Iberer konnten die statistische Überlegenheit nicht mehr auf die Anzeigetafel bringen. Nur noch jeder zehnte Schuss fand den Weg ins Netz. Während der FC Barcelona zu Beginn der 2010er-Jahre durch schnelles Passspiel jede Abwehr überfordern konnte, gelang es Mannschaften mit fortdauernder Zeit ein Lösungskonzept für das dominante Passspiel zu finden. Auch ohne Ball konnten physisch starke Teams wie Liverpool oder Russlands Nationalmannschaft durch geschicktes Verschieben in den Defensivreihen die Räume eng machen und so dem einst erfolgreichen System den Zahn ziehen. 

Schlechte Jugendarbeit

Neben der stärker werdenden Konkurrenz wurden in Barcelona Fehler gemacht. "Ich habe den Ball, ich passe den Ball", soll Andres Iniesta, das Hirn hinter dem Tiki-Taka, seit seiner Jugend stets gehört haben. In "La Masia", Barcas Jugendakademie, wurden Talente wie Messi, Xavi, Pique und Co. hochgezogen und an das Spielsystem herangeführt. In den letzten Jahren vermisste man Eigenbauspieler, stattdessen setzten auch die Katalanen auf hochkarätige Transfers. Während Neymar, 2013 vom FC Santos gekommen, noch im Spielsystem funktionierte, findet sich Antoine Griezmann nur schwierig im System ein. So wurde bereits im Frühjahr über ein mögliches Tauschgeschäft mit Inter-Stürmer Lautaro Martinez spekuliert. Jugendspieler wie Mateu Morey, Sergi Gomez (beide derzeit BVB) oder Eric Garcia, der nach Manchester zu Guardiola flüchtete, kommen Barcelona immer mehr abhanden. Der letzte Spieler, dem von La Masia der Durchbruch in der Profi-Mannschaft gelang, war Sergi Roberto im Jahr 2013.

Derby als Schicksalsspiel

Die letztjährigen Erfolge waren längst nicht mehr derart dominant erspielt wie jene von vor zehn Jahren. Das System Barca bröckelt an allen Enden und könnte just heute den nächsten Rückschlag erleiden. Gewinnen die Stars von Quique Setién nicht das Derby gegen Espanyol Barcelona (22 Uhr), rückt die Meisterschaft in weite Ferne. Bereits vor dem Aufeinandertreffen gegen den Stadtrivalen fehlen Barca vier Runden vor Schluss vier Punkte auf Tabellenführer Real Madrid. Die letzte Titelchance dürfte demnach die Champions League sein. Im Konzert der Großen müssen die Katalanen im August ein 1:1 aus dem Hinspiel gegen Neapel verteidigen. Mit Blick auf die bärenstarke Konkurrenz rund um den FC Bayern oder Manchester City wird es auch bei einem Aufstieg ins Final-Eight in Lissabon schwer, den Henkelpott zum sechsten Mal in die Hauptstadt Kataloniens zu holen.