Auch in der Idylle werden große Geschichten in die Welt gesetzt, und vielleicht ist es kein Zufall, dass sich der Nährboden für den Weltruhm des italienischen Fußballs nahe des historischen Monumentalereignisses Florenz befindet. Eingebettet in die Landschaft am Fuße der florentinischen Hügel liegt Coverciano und dort befindet sich das "Centro Tecnico Federale", das Trainingszentrum für alle Nationalmannschaften des Landes, allen voran die Squadra Azzurra, das Prunkstück.

Seit 63 Jahren werden hier die Spieler auf die Welt- und Europameisterschaften eingestimmt, und seit vier Wochen hat Roberto Mancini seine Getreuen in Coverciano versammelt, um Italien den Ruhm und Glanz eines Titels zurückzubringen. Der Anfang war nicht übel, mit drei Siegen und einem Torverhältnis von 7:0. Und jetzt wartet mit Österreich gewiss keine unüberwindbare Hürde auf die wieder stolz gewordene Fußballnation.

Die Bilanz ist beinahe furchteinflößend, auf jeden Fall aber ringt sie jedem diesem Sport Nahestehenden Respekt ab. Seit Mancini das Team unter seinen Fittichen hat, gab es lediglich - am Anfang - zwei Niederlagen, ansonsten sieben Unentschieden, aber 26 Siege. Seit 10. September 2018 hat Italien nicht mehr verloren, zuletzt setzten die Azzurri eine Serie von elf Siegen mit dem imposanten Torverhältnis von 32:0 in die staunende Welt. Und nun soll Österreich diesen Italienern gefährlich werden? 

Spielerische Umstellung, neue Personalpolitik

Nach der Schande des Verpassens der Weltmeisterschaft 2018 in Russland übernahm Mancini und er baute die Nationalmannschaft sukzessive um, weniger, aber auch im Personalbereich, mehr, eigentlich voll und ganz auf dem spielerischen Sektor. Der in den italienischen Fußballgenen verankerte oberste Devise, nur ja kein Tor zu erhalten, stellte er eine Offensivthese entgegen, mit dem Ergebnis, dass die Italiener Tore schießen und trotzdem keine bekommen.

Mancini wandte sich zwar nicht ab von den Großklubs, legte sein Augenmerk aber auf jene italienischen Talente, die bei kleineren Serie-A-Vereinen fast im Verborgenen ihr Dasein fristeten. Weil sich Teams oder Juventus seit Jahrzehnten gerne mit internationalen Berühmtheiten schmücken, erledigten Klubs wie Sassuolo oder Atalanta Bergamo die Aufbauarbeit für die "Squadra Azzurra". 

Sie angelten sich Spieler von Topvereinen, die ihre Talente zunächst verliehen und dann vergleichsweise verschleuderten. So begab es sich, dass Italien heute über ein Weltklasseteam aus hoch qualifizierten, aber gar nicht so weithin bekannten Akteuren ohne Star-Charakter und mit im internationalen Vergleich eher mickrigen Marktwerten verfügt, die aufgrund der späten Entdeckung schon die für einen Titelgeiwnn erforderliche Reife besitzen.

Entdeckungen der Euro

Mancini stellte um die defensiven Altrecken Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci sowie die erfahrenen Stürmer Ciro Immobile und Lorenzo Insigne ein beeindruckend durchschlagskräftiges Kollektiv auf die Beine, das, perfekt eingespielt, die gegnerischen Reihen nur so durcheinanderwirbelt. So spielten sich in der Gruppenphase Kicker wie Manuel Locatelli (Sassuolo) oder Leonardo Spinazzola (Roma) ins Rampenlicht.

Locatelli etwa war zunächst von Milan an Sassuolo verliehen und dann vom Klub aus einer Kleinstadt nahe Modena käuflich erworben worden. Ein anderer Mancini-Stammspieler, Domenico Berardi, wurde ebenfalls nach einer Leihphase, schon vor Jahren von Juventus an Sassuolo abgegeben worden. Weitere bei der Euro schon auffällig gewordene Akteure wie Matteo Pessina oder Rafael Toloi stehen beim mittlerweile in die Oberliga eingezogene Team von Atalanta unter Vertrag.

Das hat Mancini rechtzeitig erkannt und er erntet nun die Früchte. Die Österreicher müssen sich anschnallen, aber vielleicht kommt ja am Samstag beim großen Duell mit der "Squadra Azzurra" ein anderer Aspekt zum Tragen. Die Italiener haben im bisherigen Verlauf der Euro ihre Heimat noch nicht verlassen. Von Coverciano nach Rom war es ein Katzensprung, nun brachen sie nach dem Abschlusstraining in ihrem toskanischen Übungsdomizil ins ferne London auf, wo sie zwar mit dort lebenden Anhängern rechnen dürfen, aber - wie natürlich auch die Österreicher - auf die eigentlichen Tifosi verzichten müssen. Das ÖFB-Team ist bei dieser Euro hingegen schon weitgereist und hat damit zumindest auf dieser Ebene dem Gegner schon etwas voraus.