Schicksal als Chance! Dass Corona bessere Menschen, die bewusster leben, hervorbringen würde, habe ich immer schon gesagt! Und Kreativität und Unternehmergeist, ja Unternehmerkühnheit würden gefragt sein. Rechtzeitig Marktlücken erkennen! Zugegeben: Pappkameraden hat es vor mir und vor Corona auch schon immer wieder gegeben: Aber die Pappkameradenmasse, die Herstellung der qualifizierten Pappkameradenweltöffentlichkeit, des Pappkameradenzielpublikums ist meine Erfindung, mein Verdienst und mein Patent! Ich habe mich durch Corona sozusagen für alle Zeiten saniert!

Am ärgsten betroffen von der Pandemie war, wie man heute weiß, die Fußballbranche! Unfassbare Einbußen durch Absagen ganzer Ligen und Meisterschaften, Geisterspiele, Rechtsstreitigkeiten, die in einem Dominoeffekt eine Branche nach der anderen mit in den Abgrund rissen. Ein signifikantes Massenproblem hatte man vor allem hierzulande schon vor der Krise gehabt: Entweder kam kein Publikum, oder es kamen gewaltwillige Hooligans.

Wunschmassen am Fließband

Aber dann kam: Ich! Meine erste Papppublikumsmasse produzierte ich für das Stadion meiner Heimatstadt: Eine Dreißigtausendermasse: Bunt, ansatzweise individualisiert, diszipliniert, interdisziplinär verwendbar, leicht aufstell- und wieder abbaubar, nahezu wartungsfrei, wetterfest, qualitätsgesichert, nachhaltig, garantiert keim- und virenfrei, umweltschonend und in der Zeughalle im Keller des Stadions zu verstauen. (Und, um ein Lied aus alten Zeiten zu bemühen: Ob es regnet oder schneit: Sie halten treu zu dem Verein). Einerseits keine Ausschreitungen und Gewalt, andererseits keine Leere: Wunschmassen vom Fließband! Natürlich auch politisch interessant! (Wenn ich allein an all die Parteipappkameraden denke, die ich für Parteitage produziert habe – und ich habe ausnahmslos alle Parteien beliefert: Papplinks, papprechts, ach, die Pappe glich der Pappe immer! Aber das wäre eine andere Geschichte).

Die entsprechende Geräuschkulisse (Pfeifkonzerte, Torjubel etc.) lieferte ich mit. Das geht ohne weiteres mit Archivakustik! Sie konnte über die Stadionbeschallungsanlage eingespielt werden. In der kürzesten Zeit wurden andere Vereine, Städte, Länder auf meine Erfindung aufmerksam und bestellten immer üppiger: Von Champions-League-Finalisten bis hinunter zu Dorfklubs in der tiefsten Provinz: Jeder wollte sein eigenes Publikum haben! So gründete ich schon während der Corona-Krise die „For Friends Forever-Massen-Produktions GmbH“, die heute Standorte in allen Teilen der Welt hat.

Anfangs war freilich die Kapitaldecke dünn, das Risiko hoch, die Finanzierung schwierig. Dabei sind die einfachen Ideen immer die besten: Seltsam eigentlich, warum in den finsteren Zeiten vor der Pandemie niemand darauf gekommen ist: Ich entdeckte die Körper der Pappkameraden des Papppublikums als Werbefläche. Zu diesem Zweck setzte ich mich mit global agierenden Unternehmen und Konzernen zusammen, die die Branche schon bisher bestimmt hatten: Coca Cola, Red Bull, Hyundai, Telefongesellschaften, Fluglinien, Versicherungen, Banken etc. Brust, Schulter, Hemdkragen jedes einzelnen Pappbesuchers ziert heute das Logo eines meiner Sponsoren.

Ein besonders genialer Schachzug war die Installierung einer zweiten Hauptkamera auf der gegenüberliegenden Großtribüne, was zu einer schlagartigen Verdoppelung des Papppublikums, also der Werbefläche – und meiner Umsätze führte.

Die genaue Kameraregie und die Zuspielung von Großaufnahmen einzelner Besucheroberkörper richtet sich streng nach meiner Kontobewegung. Die neuesten Luxus-Modelle elektrifiziert, mit Fernbedienung und automatischem Logo-Lauf, einfach zu programmieren. Besonders werbewirksam: Kopf und Kragen! Es kam zu einer gigantomanischen Überproduktion: Summa summarum habe ich heute in meinen verschiedensten For-Friends-Forever-Fabriken (die meisten in Asien, Ozeanien, Indonesien, Afrika) ca. acht Milliarden Pappkameraden produziert, die Maschinen laufen 24 Stunden am Tag, Ich könnte ohne weiteres noch andere Planeten mit Publikum ausstatten!

Auch Kunst & Kultur werden beackert

Natürlich weiß ich, dass die Konkurrenz nicht schläft, und wenn man auf Dauer erfolgreich sein will, muss man ihr immer einen Schritt voraus sein. Das Wachstum darf nie aufhören! Heute beackere ich auch kleinere Nebenmärkte wie zum Beispiel Kunst & Kultur. Um es klar zu sagen: Ich erzeuge Literaturpublikum! (Eine Lieferung besteht aus 50 bis 100 Stück. Bei 100 Stück gibt’s 20 Freiexemplare). Coca Cola oder Hyundai haben dafür natürlich nicht gar so viel Interesse, aber auf den Sakkos und Krawatten meiner Lesungspappbesucher stehen natürlich die Logos von Amazon, Morawa, Fischer, Hanser, Suhrkamp. Ich verhandle aber natürlich gern auch mit anderen Häusern.

Zu meiner privaten Situation ist abschließend zu sagen: Ich denke positiv. Ich bin positiv getestet und habe mich bis auf Weiteres in freiwillige Quarantäne begeben: Kein großes Opfer! Mich interessiert da draußen ohnehin nichts und niemand und ich weiß ja, wie es läuft. Ich habe so viel Geld, dass ich mir jede Behandlung leisten könnte. Und davon abgesehen ist mir ein prominenter Platz in der Geschichte der Menschheit sicher, denn dank meiner „For-Friends-Forever-Massen-Produktionsgesellschaft“ bin ich heute schon unsterblich.