Eine Art Belagerungszustand herrscht seit einigen Tagen rund um die Eisarena in Kagran. Die Glastüren zu den Eishockey-Kabinen an der Ostseite gibt Fans das ein oder andere Geheimnis preis, jede Bewegung im Innenraum wird verfolgt. Zwischen den grauen Betonwänden ist jenes Ungleichgewicht, das auf dem Eis herrscht, nicht zu bemerken. Die Profis leben hier quasi Tür an Tür. Und dennoch existiert er, der Klassenunterschied. Während sich linkerhand über 6000 NHL-Spiele in der Kabine der Kanadier versammeln, muss die rot-weiß-rote Auswahl gegenüber mit den durchaus ebenfalls bemerkenswerten 412 NHL-Partien von Michael Raffl das Auslangen finden.

Ein Blick auf die Gehälter offenbart die zwei Welten eher. In der NHL werden diese nämlich offengelegt. So kann man sich ausrechnen, dass die Spieler der Ahornblätter, die gerade in Wien eislaufen, heuer insgesamt 73,1 Millionen US-Dollar einstreifen (die Österreicher dürften schätzungsweise die 5-Millionen-Euro-Marke nicht überschreiten). Obwohl Kanada als Mutterland des Eishockeys bezeichnet wird, sind 24 der 31 NHL-Teams jenseits der Grenze beheimatet. Auch die Mehrzahl der Spieler von Team Canada verdient dort sein Geld. Dass die geplagte Eishockey-Seele Kanadas seit 1993 (Montreal Canadiens) darauf wartet, dass eines seiner sieben NHL-Teams den Stanley Cup erobert, ist die logische Folge. Die landesübliche Eishockey-Verrücktheit untermauern Forbes-Zahlen. Die Toronto Maple Leafs erzielen einen Markenwert von 1,45 Milliarden US-Dollar, die Montreal Canadiens liegen mit 1,3 Mrd. nur knapp darunter. Abermals hat ein US-Team die Nase vorne: die New York Rangers überragen mit 1,55 Milliarden US-Dollar alles.

Da fallen die knapp über 100.000 Euro Antrittsgeld für die Kanadier in Wien kaum ins Gewicht, zumal die „Ahornblätter“ für Kost und Logis selbst aufkommen. Das kann teuer werden: Eine Nacht im noblen Hotel Kempinski schlägt mit 435 Euro zu Buche. Trotzdem fließen die 800.000 Franken Prämie für den WM-Titel stets zur Gänze in den Nachwuchs.

Seit ihres letzten Wien-Auftritts 2015 hat sich das Team grundlegend verändert, der „Glamour-Faktor“ ist ohne Stars wie Sidney Crosby, Matt Duchene oder Claude Giroux gesunken. An der Zielvorgabe für das Team ändert das nichts: WM-Gold.

Ebensowenig änderte sich eine andere Tradition: Damals wie heute werden nach dem Trainings Pizzas oder Burger in die Kabine geliefert. Vielleicht bereut es der Zusteller irgendwann, nicht nach Autogrammen gefragt zu haben. Die Fans vor den Glastüren konnten das kaum fassen.

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