Neun. Diese Zahl nannten die Aigner-Geschwister vor der Eröffnungsfeier der Paralympics in Peking als Ziel für den familieninternen Medaillenspiegel. Theoretisch sei das ja möglich. Johannes Aigner trat in fünf Bewerben an, seine Schwestern Barbara und Veronika in je zwei. 

An Ehrgeiz fehlt es den Ausnahmetalenten aus Gloggnitz am Semmering nicht. Den großen Worten folgten die Taten. Acht Medaillen wurden bereits geholt. Es ist nicht unberechtigt, wenn man davon ausgeht, dass der "Hansi", wie ihn die Schwestern nennen, in der Nacht auf heute im Slalom die letzte mögliche und damit neunte Medaille geholt hat. Man reißt beinahe schon mit Übergepäck zurück nach Österreich.
In die Wiege gelegt wurde ihnen die Liebe zu diesem Sport nicht. Mama Petra und Papa Christian hatten damit nicht viel am Hut, sind beide keine Skifahrer. Was ihnen das Schicksal mit ins Leben gegeben hat, war ein grauer Star. Die jüngsten drei – also Veronika (18) und die Zwillinge Barbara und Johannes (16) – leiden seit ihrer Geburt darunter. Mit unterschiedlichen Lichtempfindlichkeiten bleibt dem Trio ein Restsehvermögen von wenigen Prozent. Die ältesten zwei Kinder der Aigners – Irmgard (24) und Elisabeth (23) – kamen ohne Beeinträchtigungen auf die Welt. Sie waren es, die den Grundstein für die Ski-Großfamilie legten. Beide standen gerne und talentiert auf Skiern, die jüngeren Geschwister ließen sich trotz Handicap nicht davon abbringen, den Großen nachzueifern. Elisabeth ist als Guide für Veronika im Para-Skizirkus dabei. 

Den Erfolg machte nur ein familiärer Kraftakt möglich. Mutter Petra ist selbst sehbehindert und konnte die Kinder nicht alleine zu Trainings und Rennen bringen. Vater Christian ist als Forstarbeiter körperlich und zeitlich eingespannt. Dazu kommt die Arbeit am eigenen Ponyhof. Das Leben als Parasportler kann man nicht als einen solchen bezeichnen. Schon als Hobby ist Skifahren nicht wirklich ein Geschenk, professionell betrieben kann eine Saison Zehntausende Euro verschlingen. Man kann gar nicht genau sagen, wie viele paar Ski im Keller in Gloggnitz stehen. 

Zumindest die Geldsorgen konnte der Nachwuchs den Eltern – die beide als Begleitpersonen mit in Peking sind – jetzt nehmen. Die im Vorfeld vom ÖPC durch Sponsorgelder angekündigten Medaillenprämien brachten der Familie bisher 84.000 Euro ein. Das Land Niederösterreich stockt diesen Betrag noch auf – und das nicht unwesentlich. "Eine interne Rangliste gibt es bei uns aber nicht. Jede Medaille bleibt in der Familie", sind sich die Geschwister einig. 

Die Suche nach Sponsoren sollte sich jetzt ebenfalls leichter gestalten. Die Erfolge in Yanqing haben zuvor noch verschlossene Türen geöffnet, wie man hört. Vor allem der "Hansi" zieht mit seiner lockeren Art und der Furchtlosigkeit vor Geschwindigkeiten über 100 km/h die Aufmerksamkeit auf sich. "Schade, dass bei uns im Gegensatz zur Olympiaabfahrt alle Sprünge abgetragen wurden", zeigt Aigner, dass er auf der Piste keine Angst kennt. Bei den englischen Wortspenden stellt sich immer mehr Routine ein. Von der BBC bis zum chinesischen Staatsfernsehen wollen alle wissen, wie die Aigners ticken. Auch die "New York Times" hat schon angefragt. Das können wohl noch nicht allzu viele österreichische Skifahrer von sich behaupten.