Ein Vierteljahrhundert später beschäftigt einer der erfolgreichsten Liebesfilme der Kinogeschichte die Wissenschaft noch immer. Regisseur James Cameron („Avatar“-Filme) ließ zum Jubiläum von „Titanic“ – US-Start war am 19. Dezember 1997 – eine Frage ein für alle Mal klären: Hätte Jack nicht noch auf die Tür gepasst, auf der seine geliebte Rose im Eismeer treibend überlebte? Und hätte dieser Streifen nicht ein Happy End verdient? Und sein Publikum erst recht?
„Nein“, betonte James Cameron nun. „Jack musste sterben.“ Sie erinnern sich? Er klammerte sich an das Holz, die Kraft verließ ihn. Er opferte sich, damit seine Liebste überleben konnte. Um die Debatte mit Fakten zu untermauern, hat der Filmemacher ein forensisches Experiment in Auftrag gegeben. Zwei Stuntleute mit den Körpermaßen seiner Stars Kate Winslet und Leonardo DiCaprio wurden ins Eiswasser gesteckt, Hypothermie-Experten haben mithilfe eines nachgebauten Floßes mehrere Rettungschancen ermittelt. „Es gab keinen Weg, dass beide überleben hätten können“, bilanzierte Cameron. Eine Doku des Experiments auf „National Geographic“ soll das im Februar bezeugen.
Die besten Lovestorys, so die zweite These des Blockbustermachers, seien jene, die am Ende unerfüllt bleiben. So wie Romeo und Julia, die seit Ewigkeiten den Liebestod sterben.

Eine typische Erzählung auf Opernbühnen und im Hollywoodkino. Dort entfachen erste Blicke vor wuchtigem Orchesterklang Feuer, dort trifft Amors Pfeil auf Bahnhöfen oder bei Geiselnahmen ins Schwarze. Dort angelt sich das Aschenputtel einen Prinzen. Dort münden verbotene Lieben in Traumhochzeiten oder lebenslange Traumata. Boys treffen Girls. Reiche verknallen sich in Arme – und umgekehrt. Menschen im Pensionsalter verlieben sich erneut in ihre Jugendlieben. Antagonistische Paare, vom Schicksal zueinandergeführt, kommen sich auf Roadtrips näher und andere erhalten eine zweite Chance. Wenn es sein muss auch eine fünfte.
Seit 1997 sind die Lovestorys glücklicherweise deutlich diverser, inklusiver, widerspenstiger, queerer und weiblicher geworden. Ohne Abzüge an den Kassen oder in puncto Tränendrüsen-Effekt.
95 Prozent aller Filme enthalten eine Liebeshandlung, in 85 Prozent ist diese dominant – vom Horrorstreifen bis zum Western, vom Superheldinnen- bis zum Coming-of-Age-Drama, vom Thriller bis zur Komödie. Das beschrieben schon David Bordwell, Janet Staiger und Kristin Thompson in „The Classical Hollywood Cinema“. In den 1980ern feierten Romanzen in die Kinos ein furioses Comeback und Stars wie Julia Roberts, Hugh Grant oder Meg Ryan verhalfen dem Genre zum Höhenflug. Der aktuelle Beziehungsstatus mit dem Publikum: fix zamm.
Das leidenschaftliche Tête-à-Tête von Rose und Jack hat längst ins popkulturelle Erbe Einlass gefunden. Obwohl das Internet 1997 noch kein Massenphänomen war, existieren bis heute zuhauf Memes von „Titanic“ zum Sound von „My Heart Will Go On“.

Der 194-Minüter erzählt in Rückblenden die Story einer reichen, verlobten Tochter aus der Oberschicht und ihrer Begegnung mit dem Künstler, der eine Dritte-Klasse-Fahrkarte gewonnen hat. „Titanic“ ist auch die Emanzipationsgeschichte einer jungen Frau, ein Einwandererepos voller Hoffnung sowie ein Ökothriller im Spannungsfeld von Technologie und Natur – inklusive Unglück, schlechter Dialoge, aufdringlicher Close-Ups.
Die reale Tragödie war irdisch, die fiktive Kinoerfahrung an Deck und im Bauch des Kreuzfahrtriesen war es auch. Und erst die heimlichen Liebesszenen!

Zum 25. Jubiläum – pünktlich zum Valentinstag – kehrt im Februar eine technisch aufgerüstete Version auf die große Leinwand zurück – in einer 4K HDR High-Frame-Rate 3D-Fassung. 1,8 Milliarden Dollar spielte die tragische Romanze einst an den Kassen ein, hierzulande zitterte das Publikum 1998 mit Jack und Rose mit.
Der Luxusliner mag 1912 gesunken sein. „Titanic“ als Filmschnulze ist nicht umzubringen. Mitsamt allem Kitsch, dem Nostalgiefaktor, den großen Gesten und kleinen Zärtlichkeiten. Der Glaube an die Liebe siegt. Zumindest bis zum Beginn des Abspanns.