Beteiligte EU-Länder sollen demnach Menschen, die über Libyen und das Mittelmeer nach Italien und Malta gelangen, nach einem festen Verfahren aufnehmen. "Wir haben Regelungen gefunden für einen temporären Notfallmechanismus, (...) die Italien und Malta helfen", sagte der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU). Zuvor hatte er bereits die Aufnahme von einem Viertel der geretteten Flüchtlinge aus Italien durch Deutschland in Aussicht gestellt. Frankreich könnte ein weiteres Viertel übernehmen. Außerdem haben Kroatien, Finnland, Irland, Litauen, Luxemburg und Portugal ihre Beteiligung zugesagt.
Für eine derartige Zusammenarbeit seien nun "klare Vorgaben für die Verfahren" und "klare Fristen" für die Verteilung der Flüchtlinge erarbeitet worden, sagte Seehofer. Über die genaue Höhe der Verteilungsquoten müsse noch diskutiert werden, weil sie von der Zahl der beteiligten EU-Länder abhänge. Die Frage soll bei einem EU-Innenministertreffen am 8. Oktober geklärt werden.
Diese anvisierte automatische Verteilungsregel soll eine Übergangslösung sein, bis das derzeitige Asylsystem der EU, das sogenannte Dublin-Verfahren, überarbeitet werden kann. Bisher ist für Asylanträge ankommender Migranten das Erstankunftsland zuständig. Kritiker argumentieren seit langem, dass so die Mittelmeerländer Italien, Malta, Griechenland, Zypern und Spanien ungerecht belastet werden.
Eine besonders von Italien geforderte Reform des Verfahrens steckt wegen des Widerstands mehrerer Staaten gegen eine automatische Umverteilung von Flüchtlingen bisher fest. "Die Chancen (für eine Reform) sind meiner Meinung nach heute gestiegen", sagte Innenminister Seehofer. Er sei mit dem Ergebnis des Treffens in Valletta "höchst zufrieden".
Italien begrüßte die erzielte Einigung zur Flüchtlingsverteilung. "Italien ist ab heute nicht mehr allein. Es besteht der Wille, gemeinsam voranzuschreiten", erklärte die italienische Innenministerin Luciana Lamorgese nach Medienangaben.
Der italienische Außenminister Luigi Di Maio warnte, dass die Migrantenumverteilung keine Lösung für die Migrationsproblematik sei. Die einzige Lösung in Sachen Einwanderung sei, die Abfahrten zu stoppen. Zu diesem Resultat könne man durch die Stabilisierung der Lage in Libyen gelangen. Di Maio, Chef von Italiens populistischer Regierungspartei Fünf Sterne, erklärte sich jedenfalls über die Ergebnisse des Gipfeltreffens auf Malta zufrieden.
Premier Giuseppe Conte bestritt eine Abwendung Italiens von der rigorosen Einwanderungspolitik, die seine Regierung mit der Lega als Koalitionspartner bis August betrieben hatte. "Die Einwanderungspolitik bleibt nach wie vor sehr rigoros. Wir geben im Kampf gegen Menschenhandel und illegale Einwanderung um keinen Millimeter nach", sagte Conte.
Italien werde keinen Mechanismus akzeptieren, der mehr Migrantenankünfte fördere. "Bei unseren EU-Partnern gibt es eine stärkere Solidarität als in der Vergangenheit", sagte der parteilose Premier. Er machte Druck für ein effizienteres Rückführungssystem. "Wer kein Recht auf Verbleib in Europa hat, soll so rasch wie möglich in sein Land zurückgeführt werden und darf nicht in Europa bleiben", betonte Conte.
Der Bürgermeister der sizilianischen Hauptstadt Palermo, Leoluca Orlando, erklärte, dass Italien nach dem Ende der Regierungskoalition mit der Lega im August wieder internationale Glaubwürdigkeit bei Verhandlungen in Sachen Einwanderung und Sicherheit gefunden habe. Er lobte die Einigung, die Lamorgese mit den anderen Innenministern beim Gipfel auf Malta errungen habe.
Raphael Shilhav von der Hilfsorganisation Oxfam bezeichnete die Einigung von Malta als "ersten Moment der Hoffnung auf ein humaneres System seit dem Verfall der europäischen Migrationspolitik im Jahr 2015". Er sei weiterhin überzeugt, dass ein gemeinsamer europäischer Ansatz "auf Dauer die einzige gangbare Lösung ist", sagte auch EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Er rufe alle Mitgliedstaaten dazu auf, sich an der vorübergehenden Lösung zu beteiligen.
Vergangene Woche hatten die maltesischen und italienischen Behörden erstmals wieder Schiffen von Hilfsorganisationen mit geretteten Menschen an Bord die Einfahrt in ihre Häfen erlaubt. Zuvor hatten Schiffe mit Flüchtlingen tage- oder gar wochenlang auf die Einfahrt in einen europäischen Hafen warten müssen. Italien und Malta hatten lange das Anlegen verweigert, solange die Aufnahme der Flüchtlinge durch andere EU-Länder nicht geklärt war.
ÖVP-Obmann Sebastian Kurz beklagte mit Blick auf diese Entwicklung eine "Umkehr in der Migrationspolitik". Wieder "mehr offene Grenzen" und "offene Häfen" seien "keine sehr richtigen Signale in Richtung Afrika und in Richtung der Schlepper", sagte Kurz der "Bild"-Zeitung. Gleichzeitig kritisierte er den Beschluss der Bundesregierung, jeden vierten im Mittelmeer geretteten Flüchtling aus Italien aufnehmen zu wollen: "Wenn Menschen im Mittelmeer gerettet werden, sollten wir alles tun, sie in ihre Herkunftsländer zurückzustellen."